Zuger gelangen erneut ans Bundesgericht

Gleichstellung: Handelt der Kanton Zug verfassungswidrig?

Das Bundesgericht rügte Zug schon einmal, dass der Kanton gegen die Verfassung verstosse.

(Bild: PD)

Zuger Privatpersonen haben beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht. Sie verlangen, dass der Kanton dem Verfassungsauftrag der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau nachkommt. Ende Oktober hatte der Kantonsrat ein vom Regierungsrat vorgeschlagenes Gesetz bachab geschickt.

Laut einer gemeinsamen Mitteilung der SP Kanton Zug, der Alternative – die Grünen und der CSP haben 19 Privatpersonen beim Bundesgericht Beschwerde wegen «Rechtsverweigerung» eingereicht. Darunter sind auch linke Politikerinnen und Politiker, die sich aber als Privatpersonen beschweren.

Sie machen geltend, dass die politischen Behörden des Kantons Zug – Regierung wie Kantonsrat – seit der Abschaffung der Kommission für die Gleichstellung von Mann und Frau 2010 keine Vorkehren getroffen haben, um dem Verfassungsauftrag nachzukommen. Der Versuch der Regierung, diesem Auftrag nachzukommen, scheiterte diesen Herbst: Der Kantonsrat lehnte am 29. Oktober ein sehr schlank gehaltenes Gleichstellungsgesetz ab (zentralplus berichtete). Und er ging damit erneut auf Konfrontationskurs mit dem Bundesgericht, das den Kanton in einem Urteil von 2010 gerügt hatte.

Verzicht laut Bundesgericht verfassungswidrig

Das oberste Gericht wies die Beschwerde gegen die Abschaffung der Kommission zwar damals ab. Aber es hielt fest, dass der Kanton tätig werde müsse, um die Gleichstellung zu verbessern. Ein Verzicht auf staatliche respektive staatlich geförderte Massnahmen sei verfassungwidrig, so das oberste Gericht.

Eine der Beschwerdeführerinnen ist Barbara Gysel, die kantonale SP-Präsidentin. Sie sagt, die Zuger Behörden hätten das Urteil des Bundesgerichts missachtet und gleichzeitig ihre Verpflichtungen aus dem Uno-Übereinkommen CEDAW gegen jede Form von Diskriminierung des Frau verletzt. «Namentlich haben sie nichts zur Verbesserung der Lohnungleichheit unternommen», sagt Barbara Gysel.

«Es gibt einen Verfassungsauftrag.»
Vroni Straub-Müller, Zug

Vroni Straub-Müller hat sich der Beschwerde ebenfalls angeschlossen. «Als Privatperson», betont die CSP-Kantonsrätin und Zuger Stadträtin. Die Beschwerdeführer seien in etwa die Gleichen wie 2010. «In der Stadt Zug sehe ich zwar keine krassen Verstösse gegen die Gleichstellung oder Ungerechtigkeiten», sagt sie. Doch der Kantonsrat könne sich nicht einfach über das Bundesgerichtsurteil hinwegsetzen, dass Zug gerügt habe. «Es gibt einen Verfassungsauftrag», so Straub-Müller. Über die Form der Massnahmen und ob es überhaupt ein Gesetz brauche, könne man sich ja unterhalten. Aber die totale Verweigerung des Kantonsrats sei inakzeptabel.

«Wir haben geregelt, von wem, wie und mit welchen Mitteln der Gleichstellungsauftrag künftig umgesetzt werden soll.»
Manuela Weichelt, Zuger Regierungsrätin

Das sieht die Kantonsregierung anders. Laut der Direktorin des Innern, Manuela Weichelt (ALG), hat der Regierungsrat umgesetzt, was das Bundesgericht in seinem ersten Urteil  verlangte. «Wir haben geregelt, von wem, wie und mit welchen Mitteln der Gleichstellungsauftrag künftig umgesetzt werden soll.» Dafür habe er einen Gesetzesentwurf zur Gleichstellung ins Parlament gebracht. «Ich bedaure das Nichteintreten des Kantonsrats auf die regierungsrätliche Vorlage. Als Regierungsratsmitglied möchte ich die Entscheidungen des Kantonsrats aber nicht weiter kommentieren», fügt Weichelt hinzu.

Erneute Mahnung des Bundesgerichts?

Was erhoffen sich die Beschwerdeführenden vom erneuten Gang ans Bundesgericht? Sie versprechen sich zumindest, dass dieses das Versäumnis feststellen und die Zuger Behörden damit zum Handeln mahnen werde. «Oder allenfalls auch, dass das Bundesgericht gewisse Vorkehren genauer definiert und den Regierungsrat und den Kantonsrat zu deren Umsetzung verpflichtet», heisst es in der Mitteilung.

Gar nicht erst darüber reden

Im Kantonsrat ging die Versenkung des Gesetzes Ende Oktober folgendermassen über die Bühne:  Die bürgerliche Mehrheit, darunter auch viele bürgerliche Frauen, fanden das Gesetz unnötig. Die Gleichstellung sei erfüllt im Kanton Zug. Zudem wurde befürchtet, dass ein solches Gesetz Kosten und Klagen auslösen könnte. Dies obwohl der Regierungsratsbericht durchaus Handlungsbedarf in gewissen Berichten auflistet; bei Ausbildung und Lohn gäbe es im Kanton Zug teilweise markante Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Diese ablehende Haltung spiegelte sich in der politischen Behandlung des Gesetzes. Die vorberatende Kommission trat gar nicht erst ein, die Staatswirtschaftskommission war für Eintreten. Der Kantonsrat beschloss in der ersten Lesung des Gesetzes Nichteintreten, womit das Gesetz vom Tisch war.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Anne Maeder
    Anne Maeder, 22.11.2017, 10:30 Uhr

    Gleichstellung. Es gab auch für die zweite Beschwerde gute Gründe, an das an das Bundesgericht zu gelangen.
    In den Medien wird zutreffend berichtet, die das Bundesgericht die Beschwerde der zahlreichen Beschwerdeführenden gegen die Untätigkeit des Kantons Zug in Sachen Gleichstellung der Geschlechter abgewiesen hat (Urteil 1C_504/2016 vom 19.10.2017). Nicht erwähnt wurde allerdings, dass das Bundes­gericht in seinem Entscheid Folgendes festhält: «Beim Kostenentscheid ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerde nach dem Nichteintretensentscheid des Kantonsrats auf das Gleichstellungsgesetz erhoben wurde, d. h. zu einem Zeitpunkt, als noch immer keine institutionelle Ersatzlösung für die 2010 weggefallene Gleichstellungskommission in Sicht war. Die Beschwerdeführenden hatten somit Anlass zur Beschwerdeführung. Auf die Erhebung von Gerichtskosten ist deshalb zu verzichten, und es rechtfertigt sich, ihnen eine reduzierte Parteientschädigung zuzusprechen.» Weitere entscheidende Punkte werden in der Berichterstattung ebenfalls nicht erwähnt:

    1. Am 22. November 2016 erliess der Regierungsrat den gemäss Gleichstellungsverordnung notwendigen Massnahmenplan (Massnahmen 2016–2018). Das Bundesgericht hält insoweit fest, dass die in der Verordnung festgehaltene Wirkungskontrolle vor Ablauf der Massnahmenplanung 2016–2018 und vor Erlass des nächsten Massnahmenplans erfolgen müsse. Massstab sind dabei – schreibt das Gericht weiter – «neben den Zielvorgaben der Massnahmenplanung das verfassungsrechtliche Ziel der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann, das von der CEDAW für zahlreiche Lebensbereiche näher konkretisiert wird.» Dem Regierungsrat wird vom Bundesgericht explizit aufgetragen, mit verschiedenen organisatorischen Massnahmen (z. B. Kaderschulung, spezielle Controlling- oder Vernehmlassungsverfahren) innerhalb der Verwaltung für die notwendige Sensibilisierung zu sorgen und sicherzustellen, dass die geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Projekten und politischen Entscheidungen effektiv analysiert werden und das Ziel der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter berücksichtigt wird. Insbesondere müssen die zuständigen Verwaltungseinheiten – nach Ansicht des Gerichts – «über die erforderlichen Daten über die soziale Wirklichkeit verfügen, d. h., diese müssen erhoben und analysiert werden».

    2. Gemäss Bundesgericht muss der Regierungsrat den in der Verordnung vorgeschriebenen Massnahmenplan jeweils publizieren, «um der kantonalen Gleichstellungspolitik die notwendige Sichtbarkeit zu verschaffen».

    3. Das Bundesgericht hält unmissverständlich fest, dass die Finanzierung staatlicher Gleichstellungsmassnahmen nicht etwa aus dem Lotteriefonds erfolgen darf. Allerdings regt das Gericht an, den Lotteriefonds «für Beiträge an private Organisationen zu verwenden, die gleichstellungsrelevante Arbeit ohne staatlichen Auftrag leisten».

    Anne Mäder, Mitglied Geschäftsleitung SP Kanton Zug, Zug

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