Der Gender-Stern polarisiert. An den Schulen des Kantons Aargau untersagt, sorgt das Zeichen inklusive Sprache für ordentlich Zündstoff. Auch im Kanton Zug hält man vom Gender-Stern nichts.
Ein kleiner Stern gibt derzeit viel zu reden. Ein Sternchen, das Frau und Mann und alles dazwischen und ausserhalb ansprechen will: der Gender-Stern.
Vergangene Woche machten diverse Medien publik, dass die Alte Kantonsschule Aargau den Gender-Stern nicht mehr verwenden darf. Der Kanton habe per offizieller Weisung ein Verbot ausgesprochen. Die Kanti wird künftig also nicht mehr «Schüler*innen» schreiben, sondern «Schülerinnen und Schüler».
Der Rektor bedauert's. Die Schule wolle mit dieser Anrede «jene nicht ausschliessen, welche sich in einem binären Geschlechterkonzept nicht wiederfinden können». Die Schulleitung bedauere es weiter, ihre Haltung zu dieser Frage in Zukunft nicht mit dem Gebrauch des Gender-Sterns bekunden zu dürfen, berichtete das «Badener Tagblatt».
Für die einen ist der Gender-Stern ein kleines Symbol, mit dem man Geschlechtervielfalt sichtbar macht und in seinen Worten miteinbezieht. Für die anderen ist es «Sprachverhunzung».
Auch im Kanton Zug hat der Gender-Stern einen schweren Stand (zentralplus berichtete). Wie «andere experimentelle Formen».
Gender-Stern? Nicht an Zuger Schulen
Der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss zeigt auf Anfrage von zentralplus eine Weisung vor, welche die Direktion im letzten Sommer erlassen hat.
Aus dieser wird klar: Der Kanton Zug setzt den kantonalen Schulen in Sachen geschlechtergerechte Sprache klare Leitplanken. Diese lauten: Nutzt die männliche und weibliche Form zugleich oder weicht auf «geschlechtsneutrale und geschlechtsabstrakte Formulierungen sowie Umschreibungen» aus. Zu letzterem gehören beispielsweise Begriffe wie Person oder Studierende.
In Elternbriefen ist der Gender-Stern tabu
Explizit verbietet der Kanton die Verwendung des Gender-Sterns nicht. Ausser bei der Kommunikation der Lehrer gegen aussen, beispielsweise mit den Eltern. Wie der Kanton in der Weisung schreibt, «dürfen kantonale Schulen beispielsweise in der Korrespondenz mit den Eltern die neuen, experimentellen Formen (Schüler*innen, SchülerInnen, Schüler_innen, Schüler:innen und Ähnliches) nicht anwenden».
Auf die Frage, weswegen man Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann definieren, nicht explizit ansprechen wolle, antwortet Stephan Schleiss ausweichend: «Wir sprechen alle Menschen unabhängig ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, Konfession, Neigungen oder ähnlichem an.» Nur dass das eben in der Sprache nicht sichtbar ist.
«Auf Ebene Arbeitsblatt oder Wandtafel mussten wir uns bis jetzt Gott sei Dank nicht einmischen.»
Stephan Schleiss, Bildungsdirektor Zug
Den Lehrern ist es aber überlassen, ob sie gegenüber den Schülerinnen gendern wollen. «Auf Ebene Arbeitsblatt oder Wandtafel mussten wir uns bis jetzt Gott sei Dank nicht einmischen», so Stephan Schleiss.
Ob die Schüler Gender-Sterne in ihren Texten verwenden dürfen, ist von der jeweiligen Lehrerin abhängig. Es sei ihr überlassen, ob sie solche Sprachformulierungen akzeptiert oder nicht. «Hingegen darf keine Lehrperson eine solche Schreibweise als korrekte Schreibweise einführen oder von den Schülerinnen und Schülern verlangen», heisst es in der kantonalen Weisung.
Leitfaden stützt sich auf Papiere von 1999 und 2013
Diese Weisung der Direktion stammt zwar vom Sommer, stützt sich aber auf etwas verstaubte Papiere. Die Vorgaben für die kantonalen Schulen stammen aus dem Regierungsratsbeschluss über die sprachliche Gleichbehandlung von 1999 oder dem Leitfaden einheitliche Schreibweise von 2013.
«Ich sehe keinen Überarbeitungsbedarf.»
Stephan Schleiss, Bildungsdirektor Zug
Grund, diesen anzupassen, sieht der Zuger Bildungsdirektor nicht. «Ich sehe keinen Überarbeitungsbedarf, zumal sich der Rat für deutsche Rechtschreibung jüngst zum Thema geäussert hat.»
Und auch dieser hält vom Gender-Stern wenig. Im März 2021 hielt der deutsche Rat für Rechtschreibung fest, er sei der Auffassung, «dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen». Das in der Sprache zu verankern, erachtet er als nicht nötig. Es sei eine «gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann».
Stadt Bern prescht vor
Auch das Verbot an den Aargauer Schulen ist nicht neu. Wie das «Badener Tagblatt» berichtete, stammt es aus dem Jahr 2005. Bereits in den damaligen Richtlinien sei festgehalten, dass der Kanton Aargau «in der geschlechtergerechten Verwaltungssprache keine Formulierungen verwendet, die nicht den grammatikalischen und orthografischen Regeln entsprechen».
Das heisst: Es gibt keine Sonderzeichen. Der Regierungsrat habe die Richtlinien im vergangenen Dezember angepasst. Dies, indem er den Grundsatz, dass sich diese am Bund orientieren, aufgenommen hat.
Der Gender-Stern hat es im Kanton Zug also nach wie vor nicht einfach. Bei der Behördenkommunikation orientiert sich der Kanton Zug an der Schweizerischen Bundeskanzlei, welche im vergangenen Sommer ebenfalls zum Schluss kam, keinen amtlichen Gender-Stern einzuführen (zentralplus berichtete).
Dass verstaubte Sprachleitfäden auch angepasst werden können, zeigte jüngst die Stadt Bern. Mitte Januar hat sie ihren Leitfaden überarbeitet – und als einzige grössere Schweizer Stadt das umstrittene Gender-Sternchen empfohlen.
- Mailverkehr mit Zuger Bildungsdirektion
- Stellungnahme des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 26.03.2021
- Medienmitteilung Juso Kanton Aargau vom 24.01.2022
- «Regierungsrat verbietet Kantonsschulen den Genderstern – Alte Kanti bedauert Entscheid», vom «Badener Tagblatt» vom 21.01.2022
- «Das Gendersternchen ist seit 17 Jahren verboten – über 4200 unterschreiben Juso-Petition» vom «Badener Tagblatt» vom 25.01.2022
- «‹Der Genderstern ist Sprachverhunzung›» vom «Tagesanzeiger», 27.06.2021
- «Gendergerechte Sprache in Bern: Stadt setzt auf umstrittenes Sternchen» von der «Berner Zeitung» vom 15.01.2022