Pregabalin wird bei Angststörungen oder Epilepsie eingesetzt. Es wird auch unter dem Namen «Lyrica» verkauft. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)
Ein Medikament gegen Angststörungen sorgt in Schweizer Gefängnissen und Asylzentren für Probleme. In hohen Dosen kann Pregabalin nicht nur aggressiv, sondern auch süchtig machen. So ist die Lage in Luzern und Zug.
Pregabalin ist ein verschreibungspflichtiges Medikament, das bei Epilepsie, Angststörungen und Nervenschmerzen eingesetzt wird. Doch es hat eine Schattenseite: In hohen Dosen wirkt es berauschend und euphorisierend – und es kann süchtig und aggressiv machen.
Laut der «NZZ» verbreitet sich das Schmerzmittel zunehmend in Schweizer Asylzentren und Gefängnissen. In den Bundesasylzentren habe der missbräuchliche Konsum von Pregabalin «zu schwierigen Situationen» geführt, hielt eine Sprecherin des Staatssekretariats für Migration (SEM) gegenüber dem «Tages-Anzeiger» fest. Das Medikament könne in hohen Dosen aggressives Verhalten auslösen. Wegen Entzugserscheinungen käme es innerhalb der Zentren teilweise zu Gewalt.
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Um dem entgegenzuwirken, wurde das Schmerzmittel zunächst kontrolliert abgegeben. Seit 2021 wird es in Bundesasylzentren nicht mehr ausgehändigt. Die Lage habe sich inzwischen beruhigt, so der «Tages-Anzeiger» weiter.
Zunächst seien kontrollierte Abgaben eingeführt worden. Seit 2021 wird in den Bundesasylzentren jedoch kein Pregabalin mehr abgegeben. Seither gebe es auch weniger Zwischenfälle, so der «Tages-Anzeiger» weiter.
Doch wie sieht die Situation in den Gefängnissen und Asylzentren der Kantone Luzern und Zug aus? zentralplus hat nachgefragt.
Pregabalin gibts nur auf Rezept
In Luzern sorgt das Angstmedikament nicht für allzu grosse Probleme. «Die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF) hat bislang rund eine Handvoll Personen registriert, die eine Abhängigkeit von Pregabalin aufweisen», schreibt ein Sprecher des kantonalen Gesundheits- und Sozialdepartements auf Anfrage von zentralplus.
Der Gesundheitsdienst der DAF, der aus Pflegefachpersonen besteht, berät Klienten medizinisch. Wo nötig, triagiert er an medizinische Fachpersonen. Das Medikament wird von Hausärztinnen verschrieben, der Gesundheitsdienst gibt es ab. So will der Kanton Missbrauch, Entzugserscheinungen und Beschaffungskriminalität entgegenwirken.
Auch in der Justizvollzugsanstalt Grosshof gibt es gemäss dem Sprecher eingewiesene Personen mit Zeichen einer Pregabalin-Abhängigkeit. Um Missbrauch zu vermeiden, gelten auch hier klare Regeln und kontrollierte Abgabe. «Es zeigt sich, dass eingewiesene Personen unter Einfluss von Pregabalin leichter reizbar sind», so der Sprecher. In der Justizvollzugsanstalt Wauwilermoos gebe es hingegen keine eingewiesenen Häftlinge, die das Medikament erhielten.
Da dieser Gesundheitsdienst Suchtbetroffene begleite, sei die Situation in Luzern «grundsätzlich unter Kontrolle», so der Sprecher. Er spricht von Einzelfällen, in denen es in Asylzentren oder Gefängnissen zu aggressivem Verhalten oder Gewalt aufgrund von Entzugserscheinungen gekommen sei. Gezielte Kontrollen oder Razzien durch die Polizei seien keine nötig gewesen.
So ist die Lage im Kanton Zug
Auch im Kanton Zug ist die Situation ruhig. In den Zuger Strafanstalten hat es gemäss einem Sprecher der Sicherheitsdirektion in den letzten Jahren in Zusammenhang mit Pregabalin keine ausserordentlichen Herausforderungen oder Zwischenfälle gegeben. «Im Asyl- und Flüchtlingsbereich sind einzelne Fälle aufgetreten», so ein Sprecher.
Auch in Zug wird das Medikament «ausschliesslich und nur in Ausnahmefällen» von zuständigen Ärzten verschrieben. Sowohl in den Zuger Strafanstalten als auch im Asyl- und Flüchtlingsbereich stellt der Kanton keine missbräuchliche Verwendung des Schmerzmittels fest.
Gemäss Luzerner Polizei wird das Schmerzmittel oft verschrieben
Die Luzerner Polizei hat gemäss eigenen Angaben «immer wieder» mit Personen zu tun, welche Pregabalin besitzen «oder dieses konsumiert haben dürften». Regelmässig sei es jedoch ärztlich verschrieben, wie Polizeisprecher Yanik Probst schreibt. Laut Luzerner Polizei gibt es derzeit keine Hinweise auf einen zunehmenden Missbrauch von Pregabalin. Ein spürbarer Anstieg sei nicht feststellbar, Handlungsbedarf bestünde aktuell nicht.
Die Zuger Polizei stellt keinen Handel mit Pregabalin fest. Auch habe sie es in letzter Zeit nicht sichergestellt. Eine separate Statistik führen beide Polizeien nicht.
Pregabalin: In Nordafrika frei erhältlich
In der Schweiz wird das verschreibungspflichtige Angstmedikament unter dem Namen «Lyrica» verkauft.
Laut Berichten des «Tages-Anzeigers» und der «NZZ» ist Pregabalin in den Maghreb-Staaten teils ohne Rezept erhältlich. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, kämen viele betroffene Asylsuchende bereits in ihren Heimatländern oder während der Flucht mit Pregabalin in Kontakt. Auch werde das Schmerzmittel von Asylsuchenden aus nordafrikanischen Ländern teils genutzt, um traumatische Erlebnisse der Flucht zu bewältigen, wie eine belgische Studie belegt.
Laut den Sprechern der Kantone Luzern und Zug stammen die meisten betroffenen Personen hier aus nordafrikanischen Ländern.
Isabelle Dahinden schreibt über Menschen, Beziehungen und das Leben. Nach ihrem Studium in Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften schreibt sie seit Dezember 2017 als Gesellschaftsredaktorin für zentralplus. 2021 hat sie die MAZ-Diplomausbildung absolviert, seit August 2023 ist sie stellvertretende Redaktionsleiterin.