Das sagt die Luzerner Umweltpsychologin

Frauen sind umweltbewusster – weil es den Männern zu feminin ist?

Laut einer neuen Studie des Bundesamts für Statistik nehmen sich Frauen den Umweltschutz mehr zu Herzen als Männer. (Bild: Jordan Beltran/Unsplash)

Neue Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen: Frauen verhalten sich tendenziell umweltfreundlicher als Männer. Wir haben die Luzerner Umweltpsychologin Katharina Kossmann gefragt, weshalb das so ist.

Sind Frauen die besseren Umweltschützerinnen? Das könnte glauben, wer die neuen Zahlen des Bundesamts für Statistik genauer unter die Lupe nimmt.

Greta Thunberg zeigt Wirkung – doch bei Frauen scheinbar mehr als bei Männern. Es gibt mehr Frauen, die die Umweltbelastung als ein Problem sehen und es sind auch mehr Frauen, die der Umwelt zuliebe ihr Verhalten anpassen. Auch wenn die Unterschiede nicht exorbitant hoch sind, ziehen sie sich doch durch alle Bereiche hindurch:

Wir haben Katharina Kossmann, (Umwelt-)Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Tourismuswirtschaft der Hochschule Luzern, zu den Unterschieden der beiden Geschlechter befragt.

zentralplus: Immer wieder sehen wir in den Nachrichten Bilder von verheerenden Bränden und Naturkatastrophen. Weswegen handeln wir immer noch nicht umweltbewusst?

Katharina Kossmann: Viele Personen finden solche Bilder sehr schlimm. Jedoch gibt es mehrere Erklärungsansätze dafür: Einige Personen bräuchten mehr Wissen darüber, wie Umweltzerstörung und Verschmutzung und ihr Verhalten zusammenhängen. Wenn die Personen dann im Verlaufe der Zeit erfahren, wie ihr Verhalten mit der Umweltverschmutzung zusammenhängt, gibt es wiederum mannigfaltige Gründe, weshalb sie sich nicht umweltfreundlicher verhalten.

zentralplus: Welche denn?

Kossmann: Das kann das soziale Umfeld sein, der monetäre Aufwand oder fehlende Möglichkeiten, um beispielsweise seine Gegenstände reparieren zu lassen. Man spricht dabei von «behavior gap» oder Intentions-Verhaltenslücke. Auch sehr interessant ist das Phänomen NIMBY – ein Akronym für «not in my backyard». Viele Bürgerinnen und Bürger möchten beispielsweise gerne saubere Energie, aber die allerwenigsten wollen eine Windkraftanlage bei ihnen in der Nähe des Wohnortes.

«Jede Verhaltensveränderung bedeutet Stress, was wiederum Energie kostet – ein ewiger Teufelskreis.»

zentralplus: Dabei gibt es Kleinigkeiten im Alltag, die man selbst beeinflussen kann – etwa saisonal und regional einzukaufen oder an bestimmten Tagen in der Woche kein Fleisch zu essen. Weswegen tun das nicht alle?

Kossmann: Gute Frage, das frage ich mich leider auch häufig. Zum einen muss man wissen, was man schnell umsetzen kann. Zum anderen sind Personen «Gewohnheitstiere», die ungerne Veränderungen mögen. Jede Verhaltensveränderung bedeutet Stress, was wiederum Energie kostet – ein ewiger Teufelskreis, was ich auch von unseren Neujahrsvorsätzen her kenne.

zentralplus: Tendenziell finden mehr Frauen (65 % verglichen mit 56 % der Männer), dass die Umweltbelastung ein Problem für die Schweiz ist. Warum nehmen die Geschlechter die Umwelt so verschieden wahr?

Kossmann: Männer sind eher risikofreudig, streben nach dem Adrenalinkick und sind Sensation Seeker, suchen also das Abenteuer. Grundsätzlich fassen Männer vermutlich rationale Dinge wie Umweltbelastung weniger emotional und ängstlich auf als Frauen. Männer sind eher rational und fokussieren sich auf Fakten. Wenn es um die Entscheidung geht, den Bus oder das Auto zu nehmen, rechnen sie erst vor, welchen Nutzen das effektiv für die Umwelt hat. Wenn man nicht einsieht, dass eine Handlung im grossen Stil etwas bewirkt, lässt Mann es sein.

Katharina Kossmann, (Umwelt-)Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Tourismuswirtschaft der Hochschule Luzern. (Bild: zvg)

zentralplus: Weshalb sind Frauen scheinbar eher dazu bereit, Verhaltensweisen der Umwelt zuliebe umzukrempeln?

Kossmann: Aus Studien weiss man: Frauen sind tendenziell prosozialer als Männer. Prosozialität hängt wiederum mit Umweltschutz zusammen. Wer sich eher um andere kümmert und sozial verantwortlich ist, ist tendenziell eher bereit, sich umweltbewusst zu verhalten.

zentralplus: Weswegen sind Frauen denn prosozialer?

Kossmann: Am ehesten kann man dies evolutionistisch erklären. Frauen, einst die Sammlerinnen, sind es eher gewohnt, in Gruppen zu agieren. Nur so konnte ihr Leben und das Leben der Kinder gesichert werden. Dies ging nur, wenn man dementsprechend im Sozialgefüge kooperiert und eben prosozial gehandelt hat.

zentralplus: Wie nehmen Sie das in Ihrem Umfeld wahr: Sind Frauen umweltbewusster?

Kossmann: Ja, definitiv. Ich kenne viel mehr Frauen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren und zum Beispiel möglichst plastikfrei leben. Wenn ich mit Männern über Umweltthemen rede, muss ich viel vehementer für etwas einstehen und das Gegenüber mit Fakten überzeugen. Beispielsweise haben wir letztens in meinem Freundeskreis darüber gesprochen, wie viel CO2 man einsparen könnte, wenn man auf Dankes-E-Mails verzichtet. Eine Studie zeigte letztes Jahr: Würde jeder Einwohner Grossbritanniens pro Tag eine Dankes-E-Mail weniger schreiben, könnte man jährlich 16'000 Tonnen CO2 einsparen. Ein Kumpel konterte dann prompt, dass dies im Vergleich zur CO2-Emission eines Atomkraftwerks eine verschwindend kleine Zahl ist.

zentralplus: Eine amerikanische Verhaltensstudie aus dem letzten Jahr zeigt, dass heterosexuelle Männer eher auf Recyceln verzichten und lieber auf den Plastiksack statt den Mehrwegbeutel zurückgreifen, weil sie Angst haben, sonst als «schwul» zu gelten. Sind es Stereotypen und Geschlechterrollen, die dem Umweltschutz im Wege stehen?

«Ein grosser Bestandteil auf dem Nicht-Weg zum Umweltverhalten ist auch das, was unsere Freunde und Familie denken und machen.»

Kossmann: Das Experiment wurde seriös durchgeführt. Ich finde die Aussage der Männer jedoch persönlich fadenscheinig. Inwiefern soll die sexuelle Orientierung mit umweltbewusstem Verhalten zusammenhängen? Zudem müsste man weiter erforschen, ob homosexuelle Männer tatsächlich weniger zum Plastikbeutel greifen als es heterosexuelle Männer tun.

zentralplus: Laut der Studie können solche Stereotypen der Umwelt scheinbar aber im Wege stehen – weil die Angst vorherrscht, was das Gegenüber über einen denken könnte. Was halten Sie davon?

Kossmann: Ein grosser Bestandteil auf dem Nicht-Weg zum Umweltverhalten ist auch das, was unsere Freunde und Familie denken und machen. Man kann also mutig sein und ein neues umweltfreundliches Verhalten ausprobieren und darauf hoffen, dass die soziale Umwelt folgt. Oder man ist noch mutiger und zieht quasi sein Ding durch. Einige fallen aber auch in ältere Verhaltensmuster zurück.

zentralplus: Oder wie es Studienleiterin Janet Swim sagte: «Bestimmte Verhaltensweisen helfen uns nicht nur dabei, ein Ziel zu erreichen. Sie sagen auch etwas darüber aus, wer wir sind.»

Kossmann: Klar, wir haben viele Verhaltensweisen, die uns ausmachen und die uns als Person geprägt haben. Wiederum praktizieren wir andere Verhaltensweisen nur deshalb, weil es von uns erwartet wird. Dabei sollte man aufpassen, dass dies nicht zu häufig vorkommt und man sich «verbiegt». Sonst kann solch ein inkongruent gelebtes Leben – also das Leben nach Wunsch der anderen und nicht nach seinen eigenen Wünschen – im schlimmsten Fall zu einer psychischen Störung führen.

zentralplus: Müsste man grünem Verhalten einen männlichen Anstrich verpassen?

Kossmann: Leider gibt es keine Forschung darüber, wie man Männer mit Umweltkampagnen besser ansprechen könne. Am besten wird wohl die wissenschaftliche Herangehensweise sein. Und faktenbasiert über Umweltthemen aufzuklären. Beispielsweise mit der Idee des Nudging – einer Methode aus der Verhaltensökonomie. Nudging wird angewendet, wenn man Menschen von negativen Gewohnheiten wegbringen und sie für neue Verhaltensweisen begeistern möchte.

zentralplus: Nudging kam in den 90er-Jahren auf, als ein Manager des Flughafen Schiphol in Amsterdam die Treffsicherheit der Männer beim Pissoirbesuch erhöhen wollte. Dafür wurden Abbildungen von Fliegen in die Pissoire geklebt, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Wie könnte man den Nudging-Ansatz verwenden, um Menschen eher dazu zu bringen, sich umweltfreundlicher zu ernähren?

Kossmann: Indem man beispielsweise beim Buffet das Gemüse in den Vorder- und das Fleisch in den Hintergrund stellt. Das ist keine Manipulation, denn die Alternative steht immer noch griffbereit.

«Wenn der Mensch nicht freiwillig mitmachen möchte, verändern wir die Umwelt so, dass es einfacher gelingt, Verhaltensweisen anzupassen.»

zentralplus: Warum? Weil wir als Gewohnheitstiere schlicht zu bequem sind, aus eigenem Antrieb solche Verhaltensmuster anzupassen?

Kossmann: Ja. Letztens war ich in einem sehr grossen Supermarkt einkaufen, das war eine Katastrophe. Die Bioprodukte waren quer im ganzen Regal verteilt, das war nicht nur chaotisch, sondern auch mühsam. Die Grundidee sollte immer dieselbe sein: Wenn der Mensch nicht freiwillig mitmachen möchte, verändern wir die Umwelt so, dass es einfacher gelingt, Verhaltensweisen anzupassen. Das ist enorm wichtig.

zentralplus: Einen leidenschaftlichen Fleischesser wird diese Massnahme aber wohl kaum davon abhalten, zum Fleisch zu greifen. Oder nicht?

Kossmann: Wahrscheinlich eher nicht. Jedoch kann man, indem man grössere Mengen an vegetarischem Essen oder absolut schmackhaftes vegetarisches Essen anbietet – und damit meine ich um Himmelswillen kein Würstchen- oder Fleischersatz – auch Fleischesser zu der einen oder anderen fleischärmeren oder fleischlosen Mahlzeit verleiten. Ich selbst kenne es aus dem Freundeskreis. Ich koche gerne sehr variantenreich, mal orientalisch, mal asiatisch, mal gutbürgerlich und diese Abwechslung und Vielfalt wird, nebst meinen Kochkünsten, sehr geschätzt. Auch wenn sie fleischlos ist.

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