Frauen raubten Prostituierte auf dem Luzerner Strassenstrich aus
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Viel zu holen gab es nicht. Trotzdem haben zwei Frauen immer wieder Sexarbeiterinnen auf dem Strassenstrich überfallen. Eine von ihnen wurde nun vom Kriminalgericht verurteilt. Sie muss weder ins Gefängnis noch wird sie des Landes verwiesen.
Die Überfälle beginnen im August 2017. Ein rotes Auto biegt vom Seetalplatz herkommend in den Kreisel im Gebiet Ibach ein. Erst steigen zwei Männer aus. Dann zwei Frauen. Letztere laufen auf die Prostituierten zu, die am Strassenrand stehen. Eine der Herbeieilenden hält eine Pistole in der Hand. «Geld, oder ich schiesse», schreit sie die Sexarbeiterinnen an. «Mach, mach, mach!», brüllt die andere.
Die beiden Prostituierten kramen panisch ihr ganzes Bargeld aus den Taschen und werfen es den Räuberinnen vor die Füsse. Diese heben die paar Scheine auf – und ergreifen dann mit quietschenden Reifen die Flucht. Die Beute teilen sie mit den zwei Männern, die das Fluchtauto fahren.
Was passiert ist, macht sofort die Runde
Keine Woche später taucht das rote Auto wieder am Strassenstrich auf. Es ist kurz vor drei Uhr morgens, nur noch eine Sexarbeiterin ist vor Ort. Der Wagen dreht eine Runde. Als die Prostituierte ihn sieht, ruft sie sofort die Polizei. Sie weiss genau, was ihren Kolleginnen nur wenige Nächte zuvor passiert ist. Die Frauen halten zusammen.
Wieder rennen die zwei Frauen mit gezogener Pistole auf ihr Opfer zu. Die Prostituierte schreit, sie habe die Polizei angerufen. Da machen die Kriminellen kehrt und verschwinden in der Nacht.
Das Opfer wähnte sich in Sicherheit
Knapp einen Monat lang bleibt alles ruhig. Dann folgt der nächste Überfall. Dieses Mal kommen die Täterinnen nicht im Auto – dieses ist schon zu bekannt. Sie laufen einfach auf die Reusseggstrasse zu. Eine Sexarbeiterin, die dort steht, fragt die beiden, ob sie auch der Prostitution nachgehen.
«Ja», sagen sie. Sie laufen vorerst weiter, um ihr späteres Opfer in Sicherheit zu wiegen. Dann aber kehren sie plötzlich um und halten zwei Sexarbeiterinnen vor Ort eine Pistole an den Kopf. Sie rauben sie aus und springen dann ins Auto, welche hinter der Ecke steht, in dem ihre Komplizen schon auf sie warten.
Eine letzte Chance zur Bewährung
Der Serie von Raubzügen wird erst im August 2018 ein Ende gesetzt. Die Luzerner Poilzei verhaftet eine 19-jährige Brasilianerin. Wie sich herausstellt, hat sie die brutalen Überfälle zusammen mit ihrer WG-Kollegin begangen. Bereits in der ersten Vernehmung gibt sie alles zu.
Wer einen Raub begeht, riskiert eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren. Zudem handelt es sich um eine Anlasstat, die einen obligatorischen Landesverweis von mindestens fünf Jahren zur Folge hat. Vorliegend passiert beides nicht.
Staatsanwaltschaft und Verteidigung einigen sich darauf, dass eine bedingte Freiheitstrafe von zwei Jahren angemessen ist. Das heisst: Die Täterin bleibt auf freiem Fuss, wenn sie sich in den nächsten drei Jahren keine weiteren Delikte zuschulden kommen lässt.
Zwar zeugen die Taten von «Egoismus und Respektlosigkeit», schreibt die Staatsanwaltschaft in ihrem Urteilsvorschlag. Aber: Nach Angaben der Frau handelte es sich bei der Tatwaffe «nur» um eine Schreckschusspistole. Und: «Sie scheint ihre Taten zu bereuen.» Abgesehen von einer Vorstrafe wegen Beschimpfung habe die Frau vorher und nachher keine Straftaten begangen.
Schlechte Jobchancen im Heimatland
Auch auf den obligatorischen Landesverweis will die Staatsanwaltschaft verzichten. Die Frau ist zwar in Brasilien geboren und lebte dort, bis sie zehn Jahre alt war. Sie hat den Rest der obligatorischen Schulzeit dann aber in der Schweiz verbracht, hat hier seit vielen Jahren einen festen Freund und ein inniges Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrer Stiefschwester.
Da sie ihre Lehre abgebrochen hat, gesteht ihr die Staatsanwaltschaft zu, dass es für sie in Brasilien «schwierig wäre, wieder Fuss zu fassen» und einen Job zu finden. Zudem lebt in ihrem Heimatland nur noch ihr Vater, zu dem sie seit 12 Jahren keinen Kontakt mehr hat. Deshalb handelt es sich aus ihrer Sicht um einen Härtefall.
Dass die Opfer Geld bekommen, ist unwahrscheinlich
Das Kriminalgericht hat bei abgekürzten Verfahren wie dem vorliegenden nur drei Möglichkeiten: Entweder es genehmigt den «Deal» zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung, es ändert ihn nur leicht ab oder es weist den Fall zurück. Geschieht Letzteres, muss die Staatsanwaltschaft Anklage erheben und ein ordentliches Verfahren durchführen – was mithin Jahre dauern kann.
Im vorliegenden Fall winkt das Kriminalgericht den Vorschlag durch. Einzig eine von der Staatsanwaltschaft zusätzlich beantragte Busse von 1000 Franken streicht es aus dem Urteil. Den Opfern spricht die Einzelrichterin zwar Schadenersatz zu. Nur ist leider nicht bekannt, wo sich die Frauen heute aufhalten. Das Urteil ist rechtskräftig.
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