54-Jährige wegen Freiheitsberaubung angeklagt

Frau betrieb illegales Thai-Bordell mitten in Horwer Wohnquartier

In diesem unscheinbaren Haus in einem Horwer Wohnquartier sollen Sexarbeiterinnen festgehalten worden sein.

(Bild: Screenshot GoogleMaps/Bearbeitung bic)

Eine Schweizerin hat während eines Jahres in einer Wohnung in Horw ein illegales Bordell betrieben. Im Sexbetrieb sollen menschenunwürdige und ausbeuterische Zustände geherrscht haben. Am Mittwoch musste sich die Frau deshalb vor dem Kriminalgericht verantworten. Von Verfehlungen wollte sie aber nichts wissen.

Es ist ein ganz normales Haus in einem Horwer Wohnquartier. Doch hinter den Mauern sollen sich in einer Wohnung während acht Monaten im Jahr 2014 menschliche Dramen abgespielt haben.

Vier Frauen im Alter von 26 bis 36 Jahren aus Thailand mussten laut Staatsanwaltschaft im Bordell mit dem Namen «Bebe-Asia-Massage» unter menschenunwürdigen Umständen illegale Sexarbeit verrichten – und das angeblich bis zu 24 Stunden am Tag.

Drei Transsexuelle und eine Frau

Verantwortlich dafür soll eine heute 54-jährige Schweizerin mit thailändischen Wurzeln sein. In der Szene wird sie «Joy» genannt. Ob ihr Job aber auch den Angestellten Freude bereitete, lässt sich zumindest bezweifeln.

Für ihre Machenschaften musste sich die Bordellbetreiberin am Mittwoch vor dem Luzerner Kriminalgericht verantworten. Der Vorwurf: Förderung der Prostitution sowie Beeinträchtigung der individuellen Handlungsfreiheit und der sexuellen Selbstbestimmung. Der Prozess offenbarte tiefe Einblicke ins Thai-Rotlicht-Milieu.

Die vier betroffenen Sexarbeiterinnen – eine Frau und drei Transfrauen – kamen illegal in die Schweiz. Dafür haben sie sich in Thailand gefälschte Visa ausstellen lassen. Umgerechnet zwischen 3’300 und rund 25’000 Franken hatten sie dafür bezahlt und sich so massiv verschuldet. Die Schulden mussten sie in verschiedenen Bordellen in der ganzen Schweiz abarbeiten. In Horw waren sie jeweils während gut eines Monats tätig.

Transmenschen seien in der Thai-Rotlicht-Szene häufig anzutreffen, sagte der amtliche Verteidiger der Frau. «Weil es schwierig ist, auf dem Homo-Strich über die Runden zu kommen, haben sie sich bereits in Thailand einer Geschlechtsumwandlung unterzogen. Mit der Absicht, im Westen anzuschaffen.»

Im Prozess treten die Prostituierten als Zeuginnen auf, indem sie die beschriebenen Zustände entsprechend schilderten. Der Gerichtsverhandlung vom Mittwoch blieben sie fern, stellen aber Zivilforderungen in der Höhe von 19’000 Franken an die Angeklagte.

Hohe «Mieten» und unangenehme Freier

Die Preise für die Sexdienste ihrer Mitarbeiterinnen wurden von der beschuldigten Bordellbetreiberin in Absprache mit den Freiern festgelegt. 300 Franken verdienten die Prostituierten pro Stunde. Dafür mussten sie die mit den Kunden ausgehandelten Sexpraktiken ohne Widerspruch akzeptieren und durften auch ihnen unangenehme Freier nicht ablehnen.

Laut Staatsanwalt mussten die Sexarbeiterinnen bis zu 60 Prozent ihrer Einnahmen an die Bordellbetreiberin abgeben. Hinzu kamen Abgaben für Strom und Wasser von 10 Franken – pro Tag. Auch die Internetwerbung mussten die Sexarbeiter zu einem grossen Teil selber bezahlen, was sie 200 Franken im Monat kostete. 

«Die Frauen waren illegal in der Schweiz. Was hätte ich tun sollen? Sie auf der Strasse stehen lassen?»

Die Angeklagte

Trotz dieser hohen «Wohnkosten» hatten die Prostituierten keinerlei private Rückzugsmöglichkeiten und mussten meist im gleichen Bett schlafen, in welchem sie zuvor die Kunden bedient hatten. Nach ein paar Wochen wurden die Arbeiterinnen jedoch wieder abgeschoben. «Dies ist in der Szene normal», räumte der Staatsanwalt vor Gericht ein. Denn um den Freiern Abwechslung zu bieten, brauche es regelmässig «frisches Fleisch», wie man im Milieu sage.

Und weiter: Damit sich die Sexarbeiterinnen, die weder Deutsch noch Englisch sprachen, aber nicht einfach so aus dem Staub machen konnten, wurden ihnen die persönlichen Gegenstände abgenommen und weggeschlossen. Das Haus durften sie ausserdem nur in Begleitung ihrer Chefin verlassen. Damit sich die Prostituierten bei allfälligen Polizeikontrollen verstecken konnten, war laut Anklage ein geheimer, von aussen kaum sichtbarer Raum eingerichtet worden.

Hilflos und ausgeliefert

«Aufgrund ihrer finanziellen und rechtlichen Situation sind die Prostituierten von der Angeklagten Frau abhängig gewesen, womit diese Macht über sie ausüben konnte», schilderte der Staatsanwalt die Situation. Deshalb hätte die Bordellbetreiberin die Regeln in ihrem Etablissement zum eigenen Vorteil festlegen und durchsetzen können.

Solche Zustände seien in der Schweiz insbesondere im Thai-Rotlicht-Milieu Usus. «Neben die finanzielle Abhängigkeit treten in solchen Fällen meist auch kulturelle Aspekte», so der Staatsanwalt weiter. Die Bordelle würden meist von Thailänderinnen in fortgeschrittenem Alter geführt.

«Der grosse Respekt vor dem Alter und das daraus resultierende Verhalten ist in der Kultur tief verankert. Deshalb fällt es Betroffenen schwer, älteren Personen zu widersprechen. Man fügt sich halt einfach», sagte der Staatsanwalt.

Sie sieht sich als Wohltäterin

Die beschuldigte Bordellbetreiberin, die einst selbst als Prostituierte arbeitete, wollte sich allerdings keine kriminellen Machenschaften vorwerfen lassen. «Die Sexarbeiterinnen sind freiwillig zu mir gekommen, weil sie Geld verdienen wollten. Ich habe ihnen ein Obdach und Arbeit gegeben», versuchte sie das Gericht durch die Übersetzerin zu überzeugen. «Die Frauen waren illegal in der Schweiz. Was hätte ich tun sollen? Sie auf der Strasse stehen lassen?», fragte sie die Richterin.

«Die Strafe ist zu hoch und unfair.»

Die Angeklagte

Auch habe sie den Prostituierten viele Freiheiten gelassen. «Sie konnten selbst bestimmen, wenn sie frei haben wollten», so die 54-Jährige. Die Frauen hätten das Haus nur deshalb kaum verlassen, weil ihnen so Einnahmen entgangen wären. Während der Verhandlung zeigte die Beschuldigte kaum Regung. Dies ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass sie kaum Deutsch versteht.

Obwohl sie sich betreffend die Arbeitsverhältnisse und die Entlöhnung der Frauen immer in Widersprüche verstrickte, gab sie im Grundsatz zu, dass sich zumindest die Entschädigung wie geschildert ausgestaltet habe. Dies sei aber normal in der Szene.

Auch ist sie sich bewusst, dass sie die Frauen illegal beschäftigte. Trotzdem will sie die geforderte Strafe nicht akzeptieren. «Die Strafe ist zu hoch und unfair», beklagte sie die Beschuldigte, die zu einem grossen Teil von Sozialhilfe lebt. In früheren Jahren hat sie sich zudem einen Schuldenberg von gut 40’000 Franken angehäuft. Die Frau hat sich vor einigen Jahren von ihrem Schweizer Ehemann scheiden lassen.

«Paradiesische Zustände»

Von Ausbeutung wollte auch der Pflichtverteidiger der Frau nichts wissen. «Die Frauen kamen in vollem Bewusstsein darüber, wie es in der Szene zu und her geht, in die Schweiz.» Ausserdem hätten sie bereits in Thailand als Prostituierte gearbeitet und kamen nach Europa, weil es hier viel mehr zu verdienen gebe.

Im Vergleich zu Thailand würden in Schweizer Bordellen zudem fast paradiesische Zustände herrschen. «Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass sich die Frauen nun als Opfer darstellen», so seine Schlussfolgerung. 

Vorwürfe an die Behörden

In einem Punkt sei seine Mandantin indes schuldig zu sprechen, fand der Verteidiger. «Sie hat rechtswidrig gehandelt, indem sie den Frauen ohne Arbeitsbewilligung eine Beschäftigung angeboten hat.» Folglich sei eine Strafe von 180 Tagessätzen à 30 Franken auszusprechen.

Zum Abschluss der Verhandlung haderte die Bordellbetreiberin derweil mit den Behörden. «Sie sollen mehr Respekt zeigen und uns nicht voreilig als Zuhälterinnen verurteilen. Sie sollen sich zuerst ein Bild machen.» Zudem erwarte sie, dass die Behörden die Bordellbetreiber besser darüber informierten, was in der Schweiz zulässig ist. Und sollte sie zur Zahlung der Zivilforderungen verurteilt werden, werde sie von den vier Frauen ihrerseits 200 Franken pro Tag für das «Hotel» zurückfordern.

Die Anklage forderte eine bedingte Gefängnisstrafe von einem Jahr. Auf ein mündliches Urteil wurde verzichtet. Es wird schriftlich eröffnet. 

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