Luzern: Ausbildung für 15 Asylsuchende

Flüchtlinge pflegen alte Menschen

Flüchtlinge lernen, wie man in der Pflege die Mundhygiene handhabt. (Bild: zvg)

15 Flüchtlinge werden in einem Kurs auf den Einstieg in der Pflege vorbereitet. Damit will der Kanton zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits soll so dem drohenden Mangel an Pflegekräften begegnet werden und andererseits wird etwas gegen die hohe Arbeitslosigkeit von Flüchtlingen unternommen. Dies sei enorm wichtig, findet Regierunsgsrat Guido Graf, sonst drohe ein «sozialpolitisches Pulverfass».

Ende August haben 15 Flüchtlinge den Pilotlehrgang «Perspektive Pflege» gestartet. Dieser bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit, eine praxisbezogene Ausbildung im Pflegebereich zu absolvieren. Der Lehrgang dauert insgesamt 49 Wochen, inklusive zwei Praktika in einem Alters- und Pflegeheim. Nach Abschluss des Kurses sollen die Absolventen nahtlos in die Grundausbildung «Assistent/-in Gesundheit und Soziales (AGS)» übertreten können.
 
Das Projekt wurde am Donnerstag vorgestellt und eine erste Zwischenbilanz gezogen. Diese fällt für die Regierung positiv aus. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien wissbegierig, erkennen das Projekt als grosse Chance und seien durch die geregelten Strukturen sowie die neue Perspektive motiviert, ihr Engagement hochzuhalten, schreibt der Kanton. Die erste Bewährungsprobe wird das Praktikum in einem Alters- und Pflegeheim im Januar 2016 sein. Knackpunkt ist die Sprache: Damit die Teilnehmenden unsere Sprache und Kultur noch besser verstehen, werden derzeit kulturelle Patenschaften mit freiwilligen Schweizern gesucht.

«Es ist für uns auch eine zusätzliche Chance, dem drohenden Mangel an Pflegefachkräften zu begegnen.»

Marco Borsotti, Zentralschweizer Interessengemeinschaft Gesundheitsberufe

Arbeit statt Sozialhilfe

Das Projekt stösst im Pflegebereich auf Zustimmung: «Auch die Pflegebranche muss ihren Teil zur beruflichen Integration von Flüchtlingen beitragen. Es ist für uns auch eine zusätzliche Chance, dem drohenden Mangel an Pflegefachkräften zu begegnen», erklärt Marco Borsotti, Präsident der Zentralschweizer Interessengemeinschaft Gesundheitsberufe (ZIGG) das Engagement.

Aufgrund der hohen Schutzanerkennungsquote von 65 Prozent können seit 2014 drei von fünf Asylsuchenden längerfristig oder dauerhaft in der Schweiz bleiben. Die Zahl der Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen, die von wirtschaftlicher Sozialhilfe abhängig sind und für die der Kanton Luzern zuständig ist, ist seit Anfang 2014 um 900 Personen angestiegen. Ende September 2015 waren es insgesamt 2’255 Personen. Rund 1’500 davon sind im erwerbsfähigen Alter und aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung auch arbeitsfähig.

Der Druck wird immer grösser

Fünf Jahre nach Einreise in die Schweiz sind jedoch nur 30 Prozent der Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen erwerbstätig. Nach zehn Jahren sind es 60 Prozent. Angesichts der aktuellen Lage und des zu erwartenden weiteren Anstiegs der Anzahl von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen wird die Integration in den nächsten Jahren noch herausfordernder. Regierungsrat Guido Graf ist überzeugt: «Wenn wir die Integration nicht besser schaffen, sitzen wir bald auf einem sozialpolitischen Pulverfass.» Für ihn ist deshalb klar, dass es grössere und vor allem gemeinsame Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft braucht.
 
Hat der Kanton überhaupt die nötigen finanziellen Mittel, um dieses Projekt zu finanzieren? Immerhin steht das grösste Sparprogramm aller Zeiten vor der Türe. Ja, meint dazu Guido Graf. Der Pilotlehrgang «Perspektive Pflege» kostet 360’000 Franken und wird als Unterstützung für gemeinnützige und soziale Projekte (Lotteriegelderverordnung §14) aus Mitteln des kantonalen Lotteriefonds finanziert. Aus dem Pilotlehrgang können wichtige Erkenntnisse für eine zielgerichtete berufliche Integration von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen gewonnen werden, ist die Regierung überzeugt. Das dient einem zukünftig effizienteren Einsatz der zur Verfügung stehenden finanziellen Integrationsmittel. Graf ist deshalb überzeugt, dass dieses Geld gut eingesetzt ist.

Berührungsängste gegenüber Flüchtlingen abbauen

Das Gesundheits- und Sozialdepartement des Kantons Luzern führt das Projekt gemeinsam mit der Luzerner Niederlassung von ENAIP Schweiz, der Luzerner Altersheimleiterinnen und -leiter Konferenz (LAK CURAVIVA) sowie der Zentralschweizer Interessengemeinschaft Gesundheitsberufe (ZIGG) durch. ENAIP ist dabei für die schulischen Ausbildungsmodule (Deutsch im Beruf, Allgemeinbildung sowie individuelle Entwicklung) zuständig, aus den Reihen der LAK werden die Praktikumsplätze bereitgestellt. Die ZIGG übernimmt die theoretische und praktische Pflegeausbildung und stellt die Praktikumsbegleitung sicher.

Viele Pflegeheime tragen bereits eine grosse Ausbildungsverantwortung und bieten schon verschiedenste Praktikumsplätze an, zum Beispiel im Bereich der Arbeitslosenintegration oder Zivildiensteinsätze. LAK CURAVIVA-Präsident Roger Wicki zeigt sich erfreut, dass es trotzdem gelungen ist, genügend Alters- und Pflegeheime für die Mitwirkung an diesem Pilotlehrgang zu gewinnen. «Mit diesem Engagement ist es auch möglich, Berührungsängste zu Personen aus dem Flüchtlingsbereich bei Personal wie auch bei Bewohnern abzubauen», ist Wicki überzeugt.

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