Trotz Notstand

Flüchtlinge in Hotel oder Pflegeheim? Kanton Luzern winkt ab

Der Präsident der Horwer SVP, Hans Stampfli, wirft dem Kanton vor, dass dieser eher am Geld als an den Flüchtlingsunterkünften interessiert ist. (Bild: anstatthotel/zvg)

Viele Luzerner Gemeinden suchen händeringend nach Flüchtlingsunterkünften. Ist der Kanton zu wählerisch? Er verwarf das Angebot eines Horwer Hotels und eines Schötzer Pflegeheimes – was für Kritik sorgt.

Dutzende Luzerner Gemeinden müssen Ersatzabgaben leisten, weil sie nicht genügend Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung stellen (zentralplus berichtete). Besonders betroffen ist die Gemeinde Horw. Sie gehört zu den Höchstzahlerinnen. Stand Ende Dezember fehlen der Gemeinde 43 Unterkunftsplätze.

Dabei hätte es aus Sicht der Gemeinde Horw eine Lösung gegeben. In Appartements des Anstatthotel an der Kantonsstrasse hätten bis zu 60 Personen untergebracht werden sollen.

«Die Gemeinde Horw rief im Frühsommer 2022 auf der Website der Gemeinde nach Unterkünften für Flüchtlinge aus der Ukraine», erzählt der Geschäftsführer des Anstatthotel René Hegglin. Daraufhin hatten sich die Betreiber bei der Gemeinde gemeldet.

Laut der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen sind die Appartements als Flüchtlingsunterkunft ungeeignet. (Bild: anstatthotel)

SVP glaubt, dass Kanton grösseres Interesse an Ersatzabgabe hat

Doch der Kanton lehnte das Angebot ab, mehrere Stockwerke des Gebäudes für die Unterkunft von Flüchtlingen zur Verfügung zu nutzen. Zum Ärger der lokalen SVP. «Das Interesse an den Ersatzabgaben scheint (...) höher zu sein als an tatsächlichem Wohnraum zur temporären Unterbringung von Flüchtlingen», schreibt die Partei im «Blickpunkt Horw».

Der Präsident der lokalen SVP-Sektion Hans Stampfli sagt, dass die SVP die Bereitstellung von Unterkünften befürworte, um Strafzahlungen zu verhindern. Jedoch sei in der Gemeinde Horw die Schaffung von Flüchtlingsunterkünften «faktisch unmöglich». Dass der Kanton die Unterkunft im Anstatthotel abgelehnt hat, ist für die SVP unverständlich. «Die Flüchtlingsunterkunft im Anstatthotel wäre fast schon Luxus», findet Hans Stampfli.

Keine «angemessene Aufenthaltsgelegenheit» im Anstatthotel

Die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF) rechtfertigt sich und sagt, dass die Platzierung einer grösseren Gruppe Flüchtlinge ohne direkte Betreuung «aufgrund der gemachten Erfahrungen» nicht möglich sei. Geklärt wurde daher, ob im Anstatthotel eine Unterkunft als Zentrum geführt werden könne. «Aus organisatorischen Gründen ist es aber nicht möglich, einen Zentrumsbetrieb innerhalb eines aktiven Hotelbetriebes zu führen», so die Dienststelle weiter.

Ein weiterer Kritikpunkt am Anstatthotel: Die Unterkunft hätte den untergebrachten Personen keine «angemessene Aufenthaltsgelegenheit» ausserhalb ihrer Appartements ermöglicht, so die Dienststelle. Die Vorwürfe der SVP, wonach der Kanton eher Interesse an der Abgabe als an Unterkunftsplätzen habe, weist die DAF von sich. «Der Kanton profitiert von den Ersatzabgaben der Gemeinden nicht, da diese direkt an die Gemeinden anteilsmässig umverteilt werden, welche ihr Aufnahmesoll übererfüllt haben.»

Die Gemeinde Horw war mit dem Entscheid der Kantons gar nicht einverstanden. «Wir haben Rekurs eingelegt, konnten damit aber nicht bewirken», wird die Horwer Sozialvorsteherin Claudia Röösli in der «Luzerner Zeitung» zitiert. Geht die Sache deshalb vor Gericht? Nein. «Mit dem abschlägigen Entscheid des Kantons auf unser Angebot und den Rekurs ist die Angelegenheit zurzeit für uns erledigt», so Röösli.

Schötz: Potenzielle Flüchtlingsunterkunft wird abgerissen

Der Kanton hat schon mehrfach Unterkünfte abgelehnt, welche Gemeinden oder auch Private angeboten haben (zentralplus berichtete). Auch in Schötz sorgt dies für Ärger. Dort hat die Gemeinde vorgeschlagen, das alte Maurtiusheim ab März 2023 als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen. Derzeit wird es noch als Alters- und Pflegeheim gebraucht.

Die Gemeinde Schötz schlug vor, das alte Mauritiusheim als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen. Doch der Kanton lehnte ab. (Bild: Screenshot facebook.com/ Willisauer Bote)

Die Gemeinde Schötz hatte das Gebäude dem Kanton im April 2022 für die Unterbringung von Flüchtlingen angeboten, stiess damit aber auf taube Ohren.

Aufgrund der Unvorhersehbarkeit des Ukraine-Krieges und der damit verbunden Unsicherheit, ob der Bund den Schutzstatus S verlängern würde, habe sich der Kanton gegen die Unterkunft entschieden, so die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen auf Anfrage. «Entsprechend war dazumal noch unklar, ob man dann im März 2023 überhaupt Bedarf an der Liegenschaft gehabt hätte», so die Dienstelle weiter.

Das war eine massive Fehleinschätzung. Inzwischen hat der Kanton aufgrund der Flüchtlingswelle sogar den Notstand ausrufen müssen. Ausgerechnet ab März 2023 verschärft sich die Situation noch zusätzlich. Dann fallen im Kanton Luzern nämlich rund 600 Plätze von befristeten Zwischennutzungen weg (zentralplus berichtete).

Doch das Schicksal des alten Mauritiusheimes in Schötz ist bereits besiegelt: Anstelle Flüchtlinge unterzubringen, wird das Gebäude abgerissen.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit der Gemeinde Horw
  • Schriftlicher Austausch mit der Dienststelle für Asyl- und Flüchtlingswesen des Kantons
  • Schriftlicher Austausch mit René Hegglin, Geschäftsführer Anstatthotel
  • Telefonat mit Hans Stampfli, Präsident SVP Horw
  • Schriftlicher Austausch mit Regula Lötscher-Walthert, Gemeindepräsidentin Schötz
  • Interpellation von Hans Stampfli und deren Beantwortung
  • Webseite Anstatthotel
  • Januarausgabe des «Blickpunkt Horw»
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Ferox
    Ferox, 27.04.2023, 09:28 Uhr

    “Pro Tag werden in Afrika etwa 100.000 Neubürger in die Welt gesetzt, die demnächst als potentielle Flüchtlinge von dort abreisen könnten. «Schon heute sind mehr als 20 Millionen Menschen auf der Flucht vor den Auswirkungen des Klimawandels, mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge weltweit. Besonders betroffen sind unter anderem die Sahel Zone in Afrika.» (greenpeace.de) Da werden bald noch weit mehr Flüchtlingsunterkünfte erforderlich werden.”

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    • Profilfoto von Asylgründe
      Asylgründe, 27.04.2023, 10:40 Uhr

      Denken Sie wirklich, Europa schaut ewig zu, wie schlecht gebildete junge Männer aus Afrika unbegrenzt in die Sozialsysteme einwandern? Es wird nicht mehr allzu viel Druck geben, und die Grenzen werden dicht gemacht werden. Klimawandel und die Suche nach besseren Perspektiven sind keine Asylgründe.

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  • Profilfoto von M. Moser
    M. Moser, 06.02.2023, 01:41 Uhr

    Ich weiss nicht ob es eine direkte Folge der Direktiven des Herrn Graf ist.
    Zum Vergleich, Düsseldorf (D) quartiert die ukrainischen Flüchtlinge in einem Hotel der Hotelkette Mercure ein. Wo sich die Flüchtlinge wohler fühlen dürfte eigentlich in diesem Fall für jeden einleuchtend sein. Und der Wohlfühlfaktor ist an einem kleinen Ort zu finden, diese Leute die hier in der Schweiz Schutz suchen sind traumatisiert von den Ereignissen im Heimatland. Und ja ich habe in meiner Zeit als Zivilschützer in unterirdischen Zivilschutzanlagen geschlafen. Ich weiss also, dass das Leben in einem Bunker nicht unbedingt bequem ist. Was vor allem fehlt ist direktes Tageslicht. Als Übergang lassen sich solche Unterkünfte betreiben, aber nicht als ständige Unterbringung.

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  • Profilfoto von Quasimodo
    Quasimodo, 02.02.2023, 13:35 Uhr

    Die «angemessenen Aufenthaltsmöglichkeiten» können nur in den unterirdischen Zivilschutzanlagen angeboten werden. Die Ablehnung des alten Mauritiusheims in Schötz sowie des Anstatthotels in Horw als potentielle Asylunterkünfte durch das DAF hat System. Sinn und Zweck dieser ablehnenden Haltung ist das Ziel, den
    ukrainischen Flüchtlingen möglichst keinen Wohlfühlfaktor zu bieten.

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  • Profilfoto von estermap
    estermap, 02.02.2023, 08:50 Uhr

    Vielleicht sind ja die Mietzinsrichtlinien das Problem, die gemäss Sozialhilfehandbuch auch für die DAF gelten. In Dagmersellen lässt man unterirdisch hausen, in Schötz wird abgerissen. Das zeigt, zu was DAF fähig ist.

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