Während der Ferienzeit gehen besonders viele Beziehungen in die Brüche. Ein Luzerner Paartherapeut erklärt, warum das so ist und wie man dem entgegenwirken kann. So viel vorweg: Nicht nur Gemeinsamkeiten führen zum Ziel.
Reinhard Felix, Mitglied des Verbands der Zentralschweizer Psychotherapeuten (VPZ), führt seit 2006 eine Praxis für Einzel-, Paar- und Familientherapie in Sursee. Er und seine Berufskollegen stellen fest: In den Ferien gehen besonders viele Anfragen von Paaren ein, deren Beziehung in der Krise steckt.
zentral+: Reinhard Felix, ist es tatsächlich so, dass sich während der Ferien mehr Paare trennen als sonst?
Reinhard Felix: Jein. Oft erreichen Beziehungen bereits vor den Ferien eine gewisse Belastungsspitze – trotzdem «seuchen» Paare die gemeinsamen Ferien noch durch, wobei sich die Situation zuspitzt. Daher kommt es im Allgemeinen nach Ferien, sei dies im Sommer oder im Winter, vermehrt zu Trennungen.
zentral+: Warum kommt es gerade in Ferienzeiten zu mehr Beziehungskrisen?
Felix: In den Ferien erlebt man den Partner ausserhalb der gewohnten Tagesroutine. Es ist ein Unterschied, ob man sich einfach zuhause zum Essen sieht oder man plötzlich 24 Stunden aufeinander sitzt. Man hat zu wenig Distanz und es fehlt der Ausgleich. Oft merkt man erst dann, auf wen man sich da überhaupt eingelassen hat.
«Dann kommen Vorwürfe auf und man fragt sich, warum man überhaupt mit diesem ‹Idioten› zusammen ist.»
Reinhard Felix, Paartherapeut
zentral+: Wie zeigt sich das?
Felix: Das können Kleinigkeiten sein – etwa, wenn man sieht, dass der Partner im Hotel einen herablassenden Umgang mit dem Servicepersonal pflegt. Oder der eine auf eine Trekking-Tour will, während der andere lieber am Strand herumliegen und es geniessen will, endlich mal frei zu haben. Aus solchen Situationen können Konflikte entflammen, die, je nach dem wie gut man sich bereits kennt, bereits vorher latent vorhanden waren. Dann kommen Vorwürfe auf, wie «nie gehst du auf meine Bedürfnisse ein» und man fragt sich, warum man überhaupt mit diesem «Idioten» zusammen ist.
zentral+: Aber gerade langjährige Paare kennen sich doch gut genug …
Felix: Das mag sein. Doch letztlich sind Beziehungskrisen wie auch Trennungen darauf zurückzuführen, dass bestimmte Erwartungen eines Partners nicht erfüllt werden. Das ist nicht davon abhängig, wie gut man sich kennt, sondern viel mehr, ob die Partner in der Lage sind, ihre Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen auf eine sozialverträgliche Art und Weise zu kommunizieren.
zentral+: Also ist es auch falsch anzunehmen, dass junge Beziehungen stärker gefährdet sind?
Felix: Auf jeden Fall, das ist sehr unterschiedlich. Gerade junge Paare sind oft sehr stresstolerant. Dabei können die gemeinsamen Ferien ein Testballon sein. Man schaut, ob man zusammen passt – und zieht seine Konsequenzen daraus, wenn dem nicht so ist.
«In einer Beziehung muss immer wieder neu ausgehandelt werden, was geht und was nicht.»
Reinhard Felix
zentral+: Das heisst, sie trennen sich.
Felix: Auch das muss nicht sein. Viele warten sehr lange und hoffen, den Partner ändern zu können. Andere wiederum sagen sich vorschnell «auf zum Nächsten.» Das ist sehr individuell und von der Fähigkeit abhängig, Konflikte zu lösen. Nicht zuletzt ist auch die Lebenssituation entscheidend.
zentral+: Inwiefern?
Felix: Gerade wenn gemeinsame Kinder da sind, überlegt man sich zwei Mal, ob eine Trennung der einzig richtige Weg ist.
zentral+: Wie reagiere ich am besten, wenn ich in den Ferien eine Seite an meinem Partner entdecke, die mir ganz und gar nicht gefällt?
Felix: Das kommt ganz darauf an, was genau störend ist und ob die Eigenschaften veränderbar sind oder nicht. Schaut er anderen Frauen nach? Behandelt er die Kinder schlecht? Je nach dem muss man seinen Standpunkt konsequent vertreten.
zentral+: Kann man den Partner verändern?
Felix: Nein, Veränderungen sind schon bei sich selbst sehr schwierig – und funktionieren beim Partner erst recht nicht. Solche «Nacherziehungsprogramme» schaden einer Beziehung mehr, als sie ihr nützen.
zentral+: Dann heisst es also, sich mit den schlechten Angewohnheiten des Partners abfinden – oder ihn in den Wind schiessen.
Felix: Nein. In einer Beziehung muss immer wieder neu ausgehandelt werden, was geht und was nicht. Man muss Konflikte klären und Grenzen setzen. Wenn der Partner nicht bereit ist, sich darauf einzulassen, muss man sich fragen, ob diese Beziehung es dennoch wert ist, geführt zu werden.
«Auch in gemeinsamen Ferien sollte man hin und wieder ein bisschen Distanz haben und einfach das tun, worauf man Lust hat.»
Reinhard Felix
zentral+: Wie kann man dafür sorgen, dass die Ferien nicht zum Beziehung-Killer werden?
Felix: Auch dafür gibt es kein Pauschalrezept. Aber man könnte sich stattdessen überlegen, ob es nicht auch mal schön wäre, die Ferien getrennt zu verbringen. Für viele Paare ist das ein absolutes No-go. Dabei können getrennte Ferien die Beziehung beleben. Man kann sich austoben, das tun, was man will und kommt zufrieden nach Hause und hat was zu erzählen.
zentral+: Bei vielen kommt da bestimmt der Verdacht aufs Fremdgehen auf …
Felix: Der Umgang mit Sexualität sollte im Vorfeld geklärt werden; wie weit man gehen darf. Jedoch läuft es nicht immer aufs Fremdgehen hinaus, wenn man dem Partner Freiraum gibt. Das sehen leider viel zu wenige Paare: Freiraum ist wichtig – auch in gemeinsamen Ferien sollte man hin und wieder ein bisschen Distanz haben und einfach das tun, worauf man Lust hat.
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