Wie die Stadt Luzern die rüüdigen Tage feiert

Fasnächtliche Unruhestifter an der Bahnhofstrasse: Herrscht nun Ordnung?

Luzerner Fasnächtler am Güdismäntig auf der Bahnhofstrasse.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Die Bahnhofstrasse ist ein bunter Hotspot während der Fasnacht – in der Vergangenheit kam es dort wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen Gruppen. Mit der Interessengemeinschaft Bahnhofstrasse soll nun Ruhe einkehren, obwohl der Platz an der Fasnacht immer knapper wird.

Nur noch wenige Tage dauert es, bis die Stadt Luzern unter dem kollektiven Taumel der Fasnacht erzittert. Die Stadt rechnet wie jedes Jahr mit rund 150’000 bis 200’000 Besuchern. Die vielen Menschen auf engem Raum gepaart mit der bunten Vielfalt der Sujets, der Musik und den «heissen Getränken» geht oft aber nicht immer konfliktfrei über die Bühne.

Gerade an der Bahnhofstrasse gab es in der Vergangenheit Probleme, weil hier klassische «Guuggen» auf Ghettoblaster und Verstärker treffen oder aufwendige Kompositionen neben grauen Kaffeewagen stehen. Der eingefleischte Kulturfasnächtler Reto Küttel ist ein Wagenbauer der ersten Stunde. Seit Ende der 80er-Jahre zieht der Kulturfasnächtler durch die Luzerner Gassen, derzeit mit der Gruppe «Modranecht», welche die keltische Fasnacht zelebriert.

«Eng ist es inzwischen auf allen Plätzen. Auf der Bahnhofstrasse geht es derzeit noch.»

Reto Küttel, Präsident IG Bahnhofstrasse

Um das Treiben an der Bahnhofstrasse in geordnetere Bahnen zu lenken, gründete er vor einem Jahr die Interessengemeinschaft Bahnhofstrasse (IG Bahnhofstrasse). Eine solche IG gibt es bereits für den Kapell-, den Mühlen-, den Franziskaner- oder den Jesuitenplatz. Auch, um die Interessen der Gruppen gegenüber der Stadt und anderen Fasnächtlern zu bündeln (zentralplus berichtete).

Kollekte während der Fasnacht

Das Engagement von «Chöttu», wie sie ihn nennen, hat bereits im ersten Jahr Früchte getragen. «Ich ziehe eine sehr gute Bilanz, die Zusammenarbeit klappte. Es hat sich was getan an der Bahnhofstrasse.» Es sei dank der IG kaum zu Konflikten gekommen und die Versorgung der Fasnachtsgruppen mit Strom war sichergestellt. «Alle ziehen am gleichen Strick, trotz den vielen unterschiedlichen Charakteren und Menschen.»

Neu wird die IG Bahnhofstrasse eine Kollekte einrichten während der Fasnacht. Es sei kein Geheimnis, dass die Gruppen teilweise sehr viel Geld in das «Hobby» Fasnacht investieren für Wagenbau, Kleider und Masken. Da möchte man etwas zurückgeben. Bis 28. Februar sammeln die Mitglieder der IG intern Geld. Da es sich um eine grosse IG handelt, könne durchaus etwas Geld zusammenkommen, hofft Küttel.

An der Fasnacht selbst wird eine Sammelbox bei der kleinen Guuggerbühne an der Bahnhofstrasse installiert. Der gesammelte Batzen kommt laut Küttel der Stiftung «Luzerner helfen Luzernern» zugute, welche auch die Erträge aus dem Luzernerfest an gemeinnützige Institutionen ausschüttet. 

Die Stimmung an der Fasnacht sei im vergangenen Jahr von gegenseitigem Respekt und Anstand geprägt gewesen. Gestartet war man im Herbst 2016 mit rund 27 Mitgliedern, welche an der Bahnhofstrasse die Fasnacht feiern. Inzwischen sind bereits 41 Gruppen dabei, berichtet Küttel.

Organisationen sind Gewinn für beide Seiten

Wird da der Platz langsam knapp, gerade weil zunehmend neue Fasnachtsgruppen gegründet werden? «Eng ist es inzwischen auf allen Plätzen. Auf der Bahnhofstrasse nähern wir uns leider auch dem Limit», sagt Küttel. Eine kleine Pufferzone bestehe aber noch. Doch wie es in Zukunft aussieht, sei schwierig zu sagen. Er glaubt jedoch nicht, dass seine IG in Zukunft Wagen abweisen muss. Küttel ist überzeugt, dass sich das selbst regulieren wird. «Es hören auch immer wieder Gruppen auf.»

Ausserdem sei allen bewusst, dass die Plätze an ihre Kapazitätsgrenzen stossen würden und sich dementsprechend bei der Grösse ihrer Wagen zurückhielten. So wie Küttel selbst, der mit Modranecht nur mit einem Handkarren unterwegs sein wird in diesem Jahr.

Zur Auflockerung: Das virale Video der «Musegg-Geischter Lozärn» und der «Rontal Guugger Root» aus dem Jahr 2016 (zentralplus berichtete).

 

Der Urfasnächtler windet auch der Stadt Luzern einen Kranz, diese hätte sehr gute Arbeit geleistet während der Fasnacht 2017. Ohne die Zusammenarbeit mit der Stadt und den anderen Fasnachtsgruppen wäre die IG Bahnhofstrasse nicht realisierbar gewesen.

Verhaltenscodex während der Fasnacht

Das hört Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Entwicklungen, gerne. Wird er doch ansonsten eher gescholten von unzufriedenen Bürgern. Und spielt den Ball zurück: «Die IGs stellen eine Win-win-Situation dar, es findet eine für die Stadt und alle weiteren Involvierten sehr willkommene Selbstregulierung statt.»

Gemeinsam mit dem Luzerner Fasnachtskomitee (LFK), den Vereinigten und den Kulturfasnächtlern erstellte die Stadt einen Aufruf für ein respektvolles Miteinander. Dieser fordert zu Rücksicht auf, wenn Guggenmusigen oder Musikformationen eine Darbietung geben – dann soll die verstärkte Musik abgestellt werden. Auch ein Verzicht auf übermässigen Platzgebrauch, etwa in Form von Zelten oder Festbänken, sowie ein konsequentes Entsorgen von Müll sind Teil dieses Verhaltenscodex.

«Die Fasnacht ist kein rechtsfreier Raum.»

Peti Federer, Mediensprecher LFK

Das Thema Abfall beschäftigt während der Fasnacht. Wie im vergangenen Jahr setzt die Stadt wieder auf eigene Abfallgebinde. Die bekannten gelben «Dräksäck» haben ausgedient. Der Stadt ging es beim Entscheid darum, Geld zu sparen. Ist das gelungen im vergangenen Jahr? «Es konnten Drittkosten eingespart werden. Die direkten Vergleiche sind allerdings – bei ständig steigenden Abfallvolumen – schwierig», sagt Lütolf. Es habe sich bewährt, auf die eigenen Gebinde zu setzen.

«Kein rechtsfreier Raum»

Zusätzliche Spielregeln während der Fasnacht sind aus Sicht von Lütolf nicht notwendig: «Durch die Arbeit der IGs sind diesbezüglich gute Fortschritte erzielt worden.» Allerdings seien die unterschiedlichen Ansprüche von Gewerbetreibenden, Anwohnern, Fasnächtlern und Besuchenden eine ständige Herausforderung. Gerade beim Thema Lärm: «In den letzten Jahren sind vermehrt Messungen durchgeführt worden, die auch zu Interventionen der Luzerner Polizei Anlass gaben», sagt Lütolf.

Peti Federer, Medienchef des LFK, sieht eine positive Entwicklung. Früher hat die elektronische Musik bereits vor Beginn der Fritschitagwache von der Bahnhofstrasse in Richtung Altstadt gedonnert und Guuggemusigen übertönt. Heute werde der Saft abgedreht.

Auch die Stadt habe ein grosses Interesse, dass sich die Fasnachtsgruppen organisierten. Inzwischen sei eine Grundversorgung mit Strom sichergestellt, was den Verzicht auf lärmige Aggregate ermögliche. Mit der erstellten Wegleitung würden sicherlich der Dialog untereinander und der gegenseitige Respekt gefördert. In dieser Wegleitung sieht Federer überhaupt keine Beschneidung des fasnächtlichen Feierns. «Die Fasnacht ist kein rechtsfreier Raum. Es handelt sich um Bekenntnisse, die wir zu Papier bringen.»

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