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Die Luzerner Fasnachtszeitung «Knallfrosch» gibt zu reden. Der feministische Streik Luzern und Queer Office sagen, dass die Ausgabe vor Transphobie triefe. Ein Beitrag gibt besonders zu reden.
Sie hat's schon wieder getan: Spöttische Worte, «Satire» gegen die LGBTQ-Community. Das Luzerner Fasnachts-Satiremagazin «Knallfrosch» löst Jahr für Jahr Debatten darüber aus, wo die Grenzen der Satire liegen. Und inwiefern sie Minderheiten aufs Korn nehmen darf, die um Verständnis und Akzeptanz ringen.
Bereits vor drei Jahren hagelte es massive Kritik, nachdem im «Knallfrosch» schwulenfeindliche Aussagen abgedruckt wurden (zentralplus berichtete).
Nun nimmt das Fasnachtsmagazin der Luzerner Wey-Zunft Trans-Menschen ins Visier. So prangert auf Seite 13 ein Artikel mit dem Titel «Mann oder Frau? Oder doch April?». Darunter ist ein Bericht abgedruckt, der vom neuen Artikel im Zivilgesetzbuch handelt. Damit ist es Trans-Menschen seit Anfang Jahr möglich, ihr Geschlecht und ihren Namen einfach und unkompliziert mit einem Gang aufs Standesamt zu ändern (zentralplus berichtete).
Wer diesen neuen Gesetzesartikel anschaue, «der wähnt sich im falschen Film», heisst es im Bericht des «Knallfrosches». Die Änderung habe «bemerkenswerte Konsequenzen». «Ein Mann, der sich als Frau fühlt, muss keinen Militärdienst mehr leisten. Ausserdem kann er schon mit 64 Jahren die AHV beziehen.» Die «Absurdität» liesse sich auch am Sport festmachen. «Künftig ist es möglich, dass sich (anatomische) Männer an Frauenwettkämpfen beteiligen.»
Ganze Geschlechterdebatten seien künftig unnötig, findet der Autor: «Ist das Geschlecht nämlich wählbar wie die Geschmacksrichtung eines Joghurts, kann von Diskriminierung keine Rede mehr sein.»
Harsche Kritik am «Knallfrosch» lässt nicht auf sich warten
Für den Beitrag erntet der «Knallfrosch» nun Kritik. «Es ist ein uninformiertes, stumpfsinniges Gerede, welches vor Transphobie nur so trieft und genderbasierte Diskriminierung in der Schweiz konsequent herunterspielt», schreibt das feministische Streikkollektiv Luzern und Queer Office in einer gemeinsamen Stellungnahme, die sie am Wochenende verschickt haben. Der Autor habe wichtige Informationen ausser Acht gelassen, etwa dass das Parlament das Rentenalter von Frauen von 64 auf 65 Jahre erhöhen will.
«Dass man in der Schweiz ein Gesetz eingeführt hat, mithilfe dem man innert 15 Minuten das vorausgesetzte Geschlecht ändern kann, entbehrt jedem gesunden Menschenverstand.»
Thomas Renggli, «Weltwoche»-Journalist
Wie in einer Fussnote im «Knallfrosch»-Artikel zu entnehmen ist, ist der Artikel des Journalisten Thomas Renggli verfasst worden. Dieser hat den Beitrag für die «Weltwoche» geschrieben. Den Bericht habe die Wey-Zunft jedoch übernommen und «geklaut» ohne dessen Einverständnis, wie sie in der Fussnote schreibt.
Der Autor der Zeilen hat es durchaus ernst gemeint
Also rufen wir bei dem an, der die Zeilen verfasst hat. «Weltwoche»-Journalist Thomas Renggli reagiert erst überrascht, von dem Wirbel hat er noch nichts mitbekommen. Mit den Vorwürfen konfrontiert, sagt dieser: Den Inhalt des Berichts habe er «durchaus ernst gemeint – mit einem Augenzwinkern». Im Gespräch zeigt sich schnell, dass es mit diesem Augenzwinkern nicht weit her ist. Er kritisiert die Gesetzesänderung, die er «nach wie vor nicht ernst nehmen» könne. «Dass man in der Schweiz ein Gesetz eingeführt hat, mithilfe dem man innert 15 Minuten das vorausgesetzte Geschlecht ändern kann, entbehrt jedem gesunden Menschenverstand.»
Bei der Genderdebatte würden «die unterschiedlichsten Weltanschauungen aufeinanderprallen», so Renggli weiter. «Für mich ist klar: Das Geschlecht ist vorausgesetzt. Klar kann man das wechseln – aber da braucht es grössere Hürden.» Der frühere Weg, einen aufwändigen Gerichtsprozess nur für die Änderung eines Registereintrags auf sich zu nehmen, sei für ihn «absolut verhältnismässig». «Weil ganz so einfach, wie sich ein Joghurt zu kaufen, darf es ja nicht sein.»
Geschlechtseintrag ändern: Für Trans-Menschen ein kleiner, aber wichtiger Schritt
Für Trans-Menschen bringt der neue Gesetzesartikel eine tatsächliche Erleichterung. Das zeigt sich, wer mit und nicht über Trans-Menschen spricht. «Für mich zeigt es, dass meine Identität auch amtlich akzeptiert wird», sagte Franziska gegenüber zentralplus. Auch wenn es ein kleiner Schritt ist – für Franziska hat die Änderung einen unglaublich hohen emotionalen Stellenwert. So müssen sich Trans-Menschen beim Vorweisen der ID nicht immer erklären oder haben keine Probleme mehr beim Reisen am Zoll.
Missbräuche wie der eine Fall in Luzern – ein 60-Jähriger liess sich auf dem Zivilstandsamt zur Frau erklären, um ein Jahr früher zur AHV-Rente zu kommen – sind laut Bundesamt für Justiz sehr selten.
«Knallfrosch» äussert sich auch an anderen Stellen über die LGBT-Community
Der Beitrag des «Weltwoche»-Journalisten ist jedoch nicht die einzige Stelle, die Transidentität thematisiert. «Die ganze Ausgabe des «Knallfrosches» ist von Transphobie durchsetzt», so der feministische Streik Luzern und Queer Office.
So fragt der «Knallfrosch» spöttisch, ob man folgende Situation schon mal erlebt hatte. Und erzählt: «Sie warten als cis-heterosexueller weisser Mann auf den Bus, halten die Post in den Händen, öffnen einen Brief und bei der Anrede werden Sie aus Versehen mit «Frau» angesprochen. Es folgt der ultimative Schock. Sie sind übelst traumatisiert. Sie sind innerlich zerrüttet, ja sogar gespalten.»
«Es geht uns weder um Gender noch um Frauen, die wir mit den aktuellen Beiträgen angreifen wollen. Eigentlich wollen wir die Politiker dahinter angreifen.»
Till Rigert, Wey-Zunft Luzern
Auf der Website des «Knallfrosches» folgt ein ganzes «ABC des Genderwahns». Da schreibt der «Knallfrosch» von «angeblich diskriminierten Minderheiten». Und von einem Patriarchat, das es gar nicht gebe. Das sei eine «nicht existierende Einheit, die von Frauen als Sündenbock benutzt wird, wenn es keine andere Person gibt, die die Schuld trägt als sie selbst.»
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Wey-Zunft sieht's ganz anders
Wir kriegen Till Rigert, «Ober-Knallfrosch» und Mediensprecher der Wey-Zunft, inmitten des Fasnachtstrubels am Güdismontag ans Telefon. Er winkt auf die Kritik angesprochen ab und sagt: «Das Ganze ist doch nicht transphob. Solche Themen sind wichtig und die Menschen der LGBTQ-Community wollen gehört werden. Wir geben ihnen im Knallfrosch die Plattform.»
Darauf angesprochen, ob diese Plattform nicht mit falschem – eben transphobem Inhalt – gefüllt wird, erwidert Rigert: «Der Knallfrosch ist ein Satiremagazin und Satire darf ernste Themen auf eine lustige Art abarbeiten. Das tun wir, ohne dabei zu werten.» Er betont: «Es geht uns weder um Gender noch um Frauen oder Trans-Menschen, die wir mit den aktuellen Beiträgen angreifen wollen. Eigentlich wollen wir die Politiker dahinter angreifen – dass sie einer solchen Gesetzesbestimmung, innerhalb 15 Minuten das Geschlecht zu wechseln, zugestimmt haben.» Auf die Nachfrage, dass das paradox sei und damit ja sehr wohl Trans-Menschen angegriffen werden, erwidert Rigert, dass diese mitbetroffen seien, aber nicht im Fokus der Kritik stünden.
Der «Knallfrosch» sagte einst, er werde keine Minderheiten angreifen
Vor drei Jahren entschuldigte sich der «Knallfrosch» öffentlich, nachdem «Frau Dr. K. N. Allfrosch-Schenkel» in einem Abklatsch von Dr. Sommer-Fragen die Frage eines Mannes beantwortete, der «schwul, pervers und arbeitsscheu mit einem ziemlich aufdringlichen Frosch-Gequake» Gleichgesinnte suche. Keine Sorge, so der «Knallfrosch». Er könne im Neubad «den Frosch markieren. Die meisten Wände sind gefliest.»
«Satire ist ein wichtiges Mittel politischer Kritik. Sie darf aber kein Deckmantel für Inkompetenz, Transphobie und eine Geringschätzung von Diskriminierung aufgrund von Gender sein.»
Feministischer Streik und Queer Office
Nach einem Sturm der Kritik entschuldigte sich die Wey-Zunft damals. Man sei «übers Ziel hinausgeschossen». Künftig werde man vermehrt darauf achten, dass die Fasnachtszeitung nicht Minderheiten angreife.
Also alles leere Versprechungen? Rigert sagt, dass es eine Richtungsänderung gegeben habe in den letzten Jahren. «Wir machen Satire, die nicht mehr unter die Gürtellinie geht und die zum Nachdenken anregt.»
In den Augen des feministischen Streiks Luzern und Queer Office ist die Sache klar: «Satire ist ein wichtiges Mittel politischer Kritik. Sie darf aber kein Deckmantel für Inkompetenz, Transphobie und eine Geringschätzung von Diskriminierung aufgrund von Gender sein.»
- Gemeinsame Stellungnahme feministischer Streik Luzern und Queer Office
- Ausgabe des neuen «Knallfrosches»
- Telefonat mit Thomas Renggli, «Weltwoche»-Journalist
- Telefonat mit Till Rigert von der Wey Zunft
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