Immer weniger Familien leben im Kanton

Familienfreundlich? Wo es im Kanton Zug hapert

Was bezahlbare Wohnungen für junge Familien anbelangt, lässt der Kanton Zug die Familien im Regen stehen. (Bild: Andreas Busslinger)

Im Kanton Zug leben immer weniger Familien: So ist der Anteil an Familien in den Privathaushalten in den letzten Jahren auf 29 Prozent gesunken. Warum zügeln die Familien aus dem Kanton weg – und mausert sich Zug etwa zu einem Single-Kanton?

Dem Kanton Zug kommen die Familien abhanden: In den letzten Jahren hat sich der Anteil Familienhaushalte verringert. Derzeit leben in 29 Prozent aller Privathaushalte im Kanton Zug Familien mit Kindern bis zu 24 Jahren. Das sind 15'700 Familien. Am häufigsten handelt es sich dabei um verheiratete Paare mit Kindern.

Das zeigt ein Blick in den neuesten Sozialbericht des Kantons Zug. Doch woran liegt es, dass immer weniger Familien im Kanton Zug leben? Wir fragen nach beim Verein punkto Zug, der Anlaufstelle für Familien. «Man darf sich privilegiert schätzen, im Kanton Zug zu leben», schreibt Melitta Steiner auf Anfrage. Sie ist die Bereichsleiterin der Beratungen bei punkto Zug. Dieses Privileg könnten sich jedoch nicht alle leisten – insbesondere junge Familien nicht.

Bezahlbare Wohnungen und Kita-Plätze: Für Familien eine Knacknuss

Das spürt sie auch im Rahmen der Familienberatungen. Die Probleme sind bekannt: Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum und an subventionierten Kita-Plätzen mit qualifiziertem Personal. Das weiss Melitta Steiner von den Mütter- und Väterberaterinnen bei punkto. «Wohnungen sind rar und für mittlere Einkommen sehr schwierig zu finden», so Steiner. Sind die Kinder klein und die Eltern teilen sich Erwerbsarbeit und Betreuung auf, fällt zudem ein Teil des Einkommens weg. Das macht es für die jungen Familien nicht einfacher. Sie hört, dass die Kita-Plätze schnell vergeben und die Wartelisten lang sind.

«Jungen Familien fehlt oft ein Netzwerk, sie fühlen sich isoliert und sie wissen nicht, wo sie ungezwungen andere Eltern mit kleinen Kindern treffen können.»

Melitta Steiner, punkto Zug

Der Kanton hält im Sozialbericht fest, dass Alleinerziehende oder Paare mit Kindern die höchsten Wohnungsmieten berappen müssen. Denn je grösser der Haushalt, desto teurer sind im Durchschnitt die Mietkosten für die Wohnung. Allerdings zeigt sich auch, dass die Nettomietkosten bei Familien im Gegensatz zu Alleinwohnenden weniger stark zugenommen haben. Das führt der Kanton auf mögliche langjährige Mietverhältnisse zurück.

Jeder zehnte Zuger ist 2020 umgezogen

Interessant ist, dass jede zehnte Zugerin 2020 umgezogen ist. Davon haben 27 Prozent den Kanton gewechselt und 14 Prozent sind ins Ausland weggezogen – das sind mehr als im Schweizer Durchschnitt. Im Sozialbericht vermutet der Kanton, dass dies am knappen Wohnangebot beziehungsweise den hohen Mieten liegt.

«Junge Familien würden gerne ein Eigenheim erwerben. Das heute schon fast übliche Bieterverfahren lässt jungen Familien jedoch keine Chance.»

Anna Bieri, Mitte-Kantonsrätin

Auch die Elternberaterinnen bei punkto Zug kennen Familien, die weggezogen sind. «Jungen Familien fehlt oft ein Netzwerk, sie fühlen sich isoliert und sie wissen nicht, wo sie ungezwungen andere Eltern mit kleinen Kindern treffen können», schreibt Melitta Steiner. «So sehen sich junge Familien gezwungen, teilweise in angrenzende Kantone zu ziehen.»

Horrende Mietpreise – vertreiben sie die Familien?

Wie viele der Weggezogenen sind Familien? Und warum ziehen sie überhaupt weg? Daten dazu liegen keine vor. Die Medienabteilung der Fachstelle Statistik betont, dass dem Kanton nicht zwingend die Familien davonrennen. «Ein gesunkener Anteil kann entweder durch Abwanderung von Familien mit Kindern und/oder dem vermehrten Zuzug von Paaren ohne Kinder oder Alleinstehenden zustande kommen.»

Der Zuger SP-Kantonsrat Drin Alaj, der einen jungen Sohn hat, sowie die Mitte-Kantonsrätin und dreifache Mutter Anna Bieri führen dies sehr wohl auf «die horrenden Mietpreise» zurück. Anna Bieri schreibt: «In meinem Umfeld erlebe ich, dass junge Familien gerne ein Eigenheim erwerben würden. Das heute schon fast übliche Bieterverfahren lässt jungen Familien jedoch keine Chance. Sie ziehen in benachbarte Kantone.»

«Steuern und Miete gleichen sich in etwa aus, wie Vergleiche mit Bekannten aus meinem persönlichen Umfeld zeigen.»

Michael Riboni, SVP-Kantonsrat

Ein wenig anders sieht es SVP-Kantonsrat Michael Riboni. Er hat zwei Kinder und lebt in Baar. Er sagt zwar auch, dass das Mietzinsniveau sicher höher sei als etwa im Säuli- oder Freiamt. «Es gibt aber auch bei uns sehr faire Angebote und zudem immer mehr Wohnbaugenossenschaften», sagt er. Zudem verweist er darauf, dass Zug ein Tiefsteuerkanton ist. Viele Familien würden wenig Steuern bezahlen. «Steuern und Miete gleichen sich in etwa aus, wie Vergleiche mit Bekannten aus meinem persönlichen Umfeld zeigen.»

Haushalte schrumpfen im Kanton Zug

Blicken wir nochmals in den Sozialbericht. Mausert sich der Kanton Zug etwa zu einem Single-Kanton? Tatsächlich haben sich die Formen des Zusammenlebens in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Die Haushalte sind im Kanton Zug in den letzten Dekaden geschrumpft: Im Jahr 2020 sind Haushalte mit ein oder zwei Personen am häufigsten. Der Anteil der Alleinlebenden nimmt mit steigendem Alter zu.

Schweizweit liegt der Anteil Familienhaushalte laut Bundesamt für Statistik (Bfs) bei 29 Prozent – der Kanton Zug liegt somit im Schnitt. Am meisten Familien leben in den Kantonen Freiburg (35 Prozent) und Waadt (33 Prozent). Am wenigsten in den Kantonen Basel-Stadt (23 Prozent), Graubünden (26 Prozent) sowie Bern, Nidwalden und Schaffhausen (jeweils 27 Prozent).

Verwendete Quellen
  • Sozialbericht Kanton Zug 2022
  • Schriftlicher Austausch mit Melitta Steiner, Bereichsleiterin Beratung punkto Zug
  • Schriftlicher Austausch mit Jeannine Lütolf, Mediensprecherin der Direktion des Innern
  • Statistischer Bericht 2021 über die Familien in der Schweiz vom Bundesamt für Statistik
  • Schriftlicher Austausch mit Anna Bieri, Drin Alaj, Michael Riboni
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Meier Marco
    Meier Marco, 11.02.2023, 11:20 Uhr

    Ja genau. Ein reiches Umfeld muss def Herr haben. Unter 100’000.- Netto im Jahr lohnen sich die hohen Mieten nicht. Für eine Einzelperson, wohlgemerkt. Bei einer Familie sind eher 200’000,- Jahresgehalt die Grenze.

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  • Profilfoto von Simona
    Simona, 10.02.2023, 07:41 Uhr

    In der Stadt Zürich, am Zürisee oder in Meggen wohnen Familien bestimmt günstiger als in Zug… Wenn es immer weniger Familien haben soll, warum brauchts denn immer mehr Schulhäuser in und um Zug?

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    Beat, 10.02.2023, 07:03 Uhr

    Frau Bieri trifft den Nagel auf den Kopf. Wir, eine kleine Familie, beide Zuger, sparen seit Jahren auf ein kleines Eigenheim im Kanton Zug. Keine Chance, durch Covid stiegen die Preise nochmals massiv an. Ohne Erbe und als „Normalverdiener“ ist es im Kt. Zug beinahe unmöglich geworden, was sich auch in unserem Umfeld zeigt, welche auch ausser Kanton mussten um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Die Zuger verschwinden und ….

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