Achermann und Bussmann vor Kantonsgericht

Fall Malters: Nun stehen Polizeichefs wieder vor Gericht

Tritt altersbedingt zurück: Daniel Bussmann, Chef der Luzerner Kriminalpolizei (rechts), neben Kommandant Adi Achermann.

(Bild: les)

Bei einem missglückten Polizeieinsatz im März 2016 beging eine 65-Jährige Suizid. Deshalb mussten sich Polizeikommandant Adi Achermann und der Chef der Kriminalpolizei, Daniel Bussmann, wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten. Weil der Privatkläger den erstinstanzlichen Freispruch nicht akzeptiert, geht’s diesen Donnerstag vor dem Kantonsgericht weiter.

Der «Fall Malters» ist diesen Donnerstag einmal mehr ein Fall für die Richter. Der Privatkläger hat das erstinstanzliche Urteil ans Kantonsgericht weitergezogen.

Worum geht’s? Am 9. März 2016 spielte sich im luzernischen Malters ein Drama ab. Während 17 Stunden verschanzte sich eine 65-jährige Frau in ihrer Wohnung. Sie wehrte sich mit Waffengewalt gegen die Aushebung der Hanfanlage ihres Sohnes. Als die Polizei die Wohnung stürmte, nahm sich die Frau das Leben (zentralplus berichtete).

Psychologe riet von Eingriff ab

Der Sohn der Getöteten kritisierte daraufhin die Polizei scharf und warf ihr eine Mitschuld am Suizid seiner Mutter vor. Insbesondere gab die Rolle des Polizeipsychologen zu reden, der vor Ort vom Zugriff auf die psychisch angeschlagene Frau abriet. Der Kripo-Chef und Einsatzleiter entschied sich dennoch dazu, einzugreifen.

In diesem Haus zwischen Scheune und Turm spielte sich das Drama von Malters ab.

In diesem Haus zwischen Scheune und Turm spielte sich das Drama von Malters ab.

(Bild: azi)

 

Wegen des Einsatzes mussten sich der Kommandant der Luzerner Polizei, Adi Achermann, sowie der Chef der Kriminalpolizei, Daniel Bussmann, vor Gericht verantworten. Der ausserordentliche Staatsanwalt Christoph Rüedi hat gegen die beiden Beschuldigten wegen fahrlässiger Tötung Anklage beim Bezirksgericht Kriens erhoben. Dieses kam am 23. Juni 2017 zum Schluss, dass sich die Einsatzleitung damals im Rahmen ihres Handlungsspielraums bewegt habe und deshalb kein strafbares Verhalten vorliege. Achermann und Bussmann wurden erstinstanzlich freigesprochen (zentralplus berichtete).

Hätte man zuwarten können?

Der Privatkläger, der Sohn der Getöteten, akzeptierte das Urteil jedoch nicht. «Die Begründung des Gerichts, das Handeln der Polizei habe unter Berücksichtigung der Chancen und Risiken des Polizeieinsatzes im Rahmen des ihr zustehenden Handlungsspielraums gehandelt, ist nicht nachvollziehbar», teilte sein Anwalt Oskar Gysler im Oktober 2017 mit (zentralplus berichtete). 

Es sei den Beschuldigten bekannt gewesen, dass der Polizeieinsatz mit erheblichen Risiken für das Leben der Verstorbenen verbunden sei. Oskar Gysler verweist auf «mehrere nicht aussichtslose Handlungsalternativen», die bestanden hätten. Im Besonderen erwähnt wird ein Weiterverhandeln durch die Polizei, Weiterverhandlung unter Beizug einer Vertrauensperson wie beispielsweise des Sohnes oder des Rechtsanwalts, das Gewähren der geforderten Bedenkfrist. 

Oskar Gysler, der Anwalt des klagenden Sohnes, gibt den Medien vor dem Kantonsgericht Auskunft.

Oskar Gysler, der Anwalt des klagenden Sohnes, gibt den Medien vor dem Kantonsgericht Auskunft.

(Bild: giw)

In zeitlicher Hinsicht habe keine Dringlichkeit bestanden, weshalb der Privatkläger nach wie vor überzeugt ist, dass der Polizeieinsatz nicht verhältnismässig gewesen sei. Dabei verweist sein Anwalt auch auf einen Polizeieinsatz vom Juni 2017 im zürcherischen Uster, der nach 29 Stunden friedlich beendet werden konnte. Das zeige, dass «ein weiteres Zuwarten sehr wohl eine erfolgversprechende Handlungsalternative darstellt».

Der für diesen Fall eingesetzte Staatsanwalt Christoph Rüedi akzeptiert das Urteil des Bezirksgerichts. Die Erwägungen des Krienser Bezirksgerichts, das die beiden Verantwortlichen im Juni freisprach, würden ihm plausibel erscheinen (zentralplus berichtete).

Verteidiger gab Sohn Mitschuld an Suizid der Mutter

Interessant war auch die Argumentation von Kripo-Chef Bussmanns Verteidiger bei der erstinstanzlichen Verhandlung. Dieser nahm ganz klar den Sohn in den Fokus. Er sagte: «Ich kann nicht verstehen, wie der Kläger seine psychisch kranke Mutter in seiner Wohnung mit einer Hanfplantage und schwer bewaffnet auf sich alleine gestellt überliess.» Die Zürcher Polizei war ihm auf die Schliche gekommen, deshalb habe er damit rechnen müssen, dass eine Durchsuchung seiner Wohnung in Malters anstehen könnte. Die Vorfälle seien ihm anzulasten.

Dass man Täter und Opfer in diesem Fall nicht vermischen dürfe, war auch die Meinung bürgerlicher Politiker. Von einer Hetzjagd auf die Polizei war die Rede. Und die Angst wurde geäussert, dass die Polizei künftig in ähnlichen Fällen aus Angst vor juristischen Folgen auf einen Eingriff verzichten würde (zentralplus berichtete). Kritik an diesen Diskussionen äusserte der Staatsrechtler Markus Schefer. «Es ist für den Rechtsstaat elementar, dass erhärtete Verdachtsmomente auf strafbare Handlungen der Polizei gerichtlich geklärt werden», so sein Kommentar.

Diesen Donnerstagmorgen geht der Fall, welcher national für Schlagzeilen sorgte, vor dem Kantonsgericht in die zweite Runde. zentralplus wird mit einem Liveticker aus dem Gerichtssaal informieren.

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