ETH-Forscher: «5G-Antenne ist falsches Objekt der Gefahr»
Schnell, schneller, 5G. So gross das Potenzial in der Technologie, so harzig läuft der Bau der 5G-Antennen. Der Widerstand in der Bevölkerung ist nach wie vor gross. Auch in der Stadt Luzern, wo schon bald eine 7-Meter-Antenne am Alpenquai in die Höhe ragen soll. Ein ETH-Wissenschaftler räumt mit Vorurteilen auf.
Sei es beim zentralplus-Artikel lesen, Netflix-Serie streamen oder Foto der Enkelin der Oma whatsappen. Ist das Internet mal wieder langsam, flucht auch die Luzernerin gerne vor sich hin. Das Datenvolumen in der Schweiz wächst stetig. Die fünfte Generation des Mobilfunks, kurz 5G, soll diesem Bedürfnis Abhilfe verschaffen.
Doch noch nie wurde derart gegen die Mobilfunk-Technologie mobilisiert, wie bei 5G. In der Stadt Luzern kämpfen derzeit Bewohnerinnen des Tribschen-Quartiers gegen eine 7-Meter-Antenne der Swisscom (zentralplus berichtete). Sie berichten von Kopfschmerzen, sorgen sich um die sonst schon vielen Antennen auf kleinem Raum und um Strahlenwerte knapp unter dem Grenzwert.
In den letzten Monaten hatten besorgte Bürger in mehreren Luzerner und Zuger Gemeinden die Sistierung von Baugesuchen oder gar 5G-Moratorien erwirkt (zentralplus berichtete). Seit der Bund im Februar aber eine Vollzugshilfe geliefert hat, ziehen die Baugesuche wieder an. Umso dringlicher die Frage: Können 5G-Antennen unserer Gesundheit wirklich Schaden anrichten?
Das wurde bislang erforscht
ETH-Wissenschaftler Jürg Eberhard forscht im Rahmen der Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation zu möglichen Auswirkungen. Er stellt sogleich klar: «Es gibt keinen Beweis dafür, dass 5G-Strahlung völlig unbedenklich ist.» Zentral ist aus Eberhards Sicht aber der Konsens, der in der international stark betriebenen Forschung herrscht. «Halten wir uns an die international etablierten Grenzwerte, gehen wir davon aus, dass die Strahlung nicht schädlich ist.»
So unbefriedigend das auch klingen mag. Es handelt sich um eine Risikoabwägung, so der Wissenschaftler, und vergleicht es mit dem Autofahren. «Auch dort gibt es ein gewisses Risiko, dass man verunfallt und sich verletzt.» Nur sind die Mobilfunk-Strahlen unsichtbar, geruchslos, nicht greifbar. Entscheidend sind die Grenzwerte, die international abgestimmt sind. Um diese einordnen zu können, muss man zuerst wissen, inwiefern Strahlen überhaupt schaden könnten.
Wann tun Strahlen weh?
«Durch Mobilfunk-Strahlen kann sich der Körper aufwärmen. Das kann der ganze Körper sein, oder nur Teile der Haut. Kurzzeitig oder langfristig.» Wird der Körper über einen längeren Zeitraum überhitzt, kann das gravierende Folgen auf die Gesundheit haben. Häufig argumentieren 5G-Gegner mit dem Risiko von Krebs. «Dieser Zusammenhang kommt nicht von ungefähr», ordnet Eberhard ein. Übermässige Strahlung kann zu Krebs führen, doch sorgen eben die strikten Grenzwerte zur Vermeidung dessen, ist der Forscher überzeugt.
Eine Bewohnerin des Tribschen-Quartiers klagte bei zentralplus über Schlaflosigkeit sowie ein Kribbeln im Kopf. «Es gab viele Untersuchungen, beispielsweise, ob Wlan in der Wohnung den Schlaf beeinträchtigt. Aber ein kausaler Zusammenhang konnte nicht belegt werden», beruhigt Eberhard.
Die Forschungsstiftung vergleicht Ergebnisse aus Humanstudien mehrerer europäischer Expertengruppen (Namen oben im Grau abgekürzt):
Bedingung für die nicht schädliche Strahlung sind die international abgestützten Grenzwerte, die die Mobilfunk-Anbieter wie Swisscom oder Salt einhalten müssen. Diese beruhen auf einer zentralen Voraussetzung:
«Der Körper sollte sich nicht um mehr als ein Grad erwärmen.»
Zum daraus abgeleiteten Grenzwert wurde ein Sicherheitsfaktor 50 dazu gerechnet, und in der Schweiz zusätzlich Faktor 10. Heisst: In der Schweiz sind die Grenzwerte um das 10-fache strenger als in den meisten Nachbarländern.
Eberhard illustriert es an einem Bauprojekt. «Angenommen, Sie bauen ein Haus, berechnet der Architekt für den Bau 1 Million Franken. Da ich auf Nummer sicher gehen will, berechne ich 25 Prozent darauf, dann plane ich vorsichtshalber mit 1,25 Millionen Franken.» Genau so sei es mit dem Grenzwert. «Durch die gegenüber dem Beispiel massiv grösseren Sicherheitsfaktoren sind wir weit entfernt davon, dass die Strahlung gesundheitliche Folgen haben könnte.»
Antennen im Wohnquartier gar nicht so fehl am Platz
Grundsätzlich ist es gemäss ETH-Forscher Jürg Eberhard zentral zu wissen, woher der Grossteil der Strahlung kommt: «Antennen sind das falsche Objekt der Gefahr.» Vielmehr sind es die eigenen Handys, Tablets oder Notebooks, die den Grossteil ausmachen. Und somit der Mensch selber. «Der entscheidende Faktor ist, wie ich mein Handy benutze. Wenn ich mit diesem am Ohr telefoniere, bekomme ich den Grossteil der Strahlen vom Handy ab.»
Eberhard nennt es gar «kontraproduktiv», keine Antennen im Quartier haben zu wollen. Denn: «Je besser die Verbindung vom Handy zur Antenne, desto weniger strahlt es.» Zeigt die Anzeige oben am Bildschirmrand also nur wenige Strichlein an, ist die Bestrahlung durch das eigene Handy umso grösser.»
Kommt hinzu: «Obwohl es heute mehr Antennen und mehr Handynutzer gibt, hat die Umgebungsstrahlung nicht zugenommen. Das können wir anhand spezifischer Messgeräte nachweisen.» Stehen im Quartier mehrere 5G-Antennen auf engem Raum, müssen die Grenzwerte insgesamt trotzdem eingehalten werden. Es ist aber sogar möglich, dass die Strahlung abnimmt. Denn bei 5G handelt es sich meistens um adaptive Antennen, welche – im Vergleich zu 3G oder 4G – nicht mehr in alle Richtungen strahlen. Sondern nur dorthin, wo es eine Verbindung braucht.
«Dann werden die Menschen 5G wollen»
Schlussendlich kann ein Handynutzer also durchaus beeinflussen, wie viel Strahlung er abbekommt. «Die Strahlung nimmt mit dem Abstand ab, ich empfehle also Telefonieren mit Kopfhörern oder per Lautsprecher.» Ist der Empfang schlecht, empfiehlt der Forscher eher kurze Telefonate.
Damit die Sorgen vor 5G aber wirklich fallen, braucht es mehr handfeste Untersuchungen, ist sich auch Eberhard bewusst. Das Bundesamt für Umwelt zieht darum ein Monitoring auf, mit dem der Bevölkerung gezeigt werden kann, ob die Strahlenbelastung durch 5G jährlich zunimmt oder nicht. Erste Ergebnisse sind nicht vor 2023 zu erwarten.
Und nicht zuletzt hängt die Akzeptanz der Technologie auch vom Nutzen ab. «Noch kommen wir mit 4G gut zurecht. Aber irgendwann sind die 4G-Netze überlastet, die Bilder auf dem Handy beginnen zu ruckeln. Dann werden die Menschen 5G wollen.»