Verband zur Kritik an Luzerner Neubauprojekten

«Es geht bei Genossenschaftswohnungen nicht nur um tiefe Mietpreise»

Bietet mit dem Salzlager mehr als nur Wohnraum. Das Projekt «Salz&Pfeffer» der Eisenbahner Baugenossenschaft beim Eichwald.

Bei zwei Neubauprojekten von Luzerner Baugenossenschaften werden die Wohnungen deutlich teurer als angekündigt. Dies ist für den nationalen Verband der Wohnbaugenossenschaften aber nicht erstaunlich. Es herrsche in der Öffentlichkeit eine falsche Vorstellung von gemeinnützigem Wohnen.

In zwei Neubauprojekten von Luzerner Wohnbaugenossenschaften werden die Wohnungen um einiges teurer, als angekündigt wurde. Betroffen sind rund 90 Wohnungen. Etwa die Hälfte davon entfällt auf drei neue Wohnblöcke der sozialen Baugenossenschaft (SBL) an der Weinberglistrasse, die andere auf das Projekt «Salz & Pfeffer» der Eisenbahnerbaugenossenschaft (EBG) beim Eichwald (zentralplus berichtete).

Die Gründe für den deutlichen Preisaufschlag liegen gemäss den Verantwortlichen unter anderem in geologischen Herausforderungen oder in Vorgaben im Bereich Denkmalschutz und Verdichtung. Auch Bemühungen, so ökologisch wie möglich zu bauen, treiben die Mietpreise nach oben.

Fazit: Auch Genossenschaften können am Ende des Tages nicht günstiger bauen als profitorientierte Investorinnen. SBL-Präsident Markus Mächler sprach in diesem Zusammenhang von einer «verzerrten Wahrnehmung in der Öffentlichkeit», was preiswerte Wohnungen betrifft.

Unterstützung vom nationalen Verband

Diese Aussage ist doch einigermassen brisant, zumal die Stimmbevölkerung 2012 verlangte, dass bis 2037 in der Stadt Luzern 16 Prozent der Wohnungen gemeinnützig und daher erschwinglich sein müssen. Bei Rebecca Omoregie stösst sie jedoch kaum auf Erstaunen – sie teilt diese Einschätzung sogar. Sie ist Vizedirektorin des Verbandes Wohnbaugenossenschaften Schweiz, der als politisches Sprachrohr des genossenschaftlichen Wohnungsbaus auftritt und sich auf höchster Ebene für günstigen Wohnraum einsetzt. «Die Leute denken bei Wohnbaugenossenschaften primär an günstige Wohnungen. Da haben sie aber vielleicht falsche Vorstellungen, wenn es um Neubauten geht. Hier braucht es sicher mehr Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung.»

Es gelte aufzuzeigen, dass auch Genossenschaften «nicht zaubern können». Denn bauen koste für sie ebenso. Gerade weil sie eine langfristige, nachhaltige Entwicklung verfolgten und Wert auf eine gute bauliche und gestalterische und hohe ökologische Standards legten, so Omoregie.

«Darum sind ihre Neubauten am Anfang nicht ganz billig.» Da  sich die Mieten nach den tatsächlichen Baukosten berechnen, könne es durchaus vorkommen, dass die Mieten am Ende des Tages höher sind als erhofft beziehungsweise angekündigt. Auch Omoregie nennt Probleme mit dem Untergrund oder Anpassungen am Bauprogramm als mögliche Gründe. Neu sei dieses Phänomen allerdings nicht. 

Rebecca Omoregie ist Vizedirektorin des Verbandes der schweizerischen Wohnbaugenossenschaften. (Bild: zvg)

Langfristig der Spekulation entzogen

Die Realisierung von erschwinglichem Wohnraum muss laut Rebecca Omoregie langfristig betrachtet werden. «Da solche Wohnungen der Spekulation entzogen sind und Preissteigerungen des Marktes nicht mitmachen, werden sie mit den Jahren immer günstiger.» Das zeige sich bei vielen Genossenschaften, die sehr alte Wohnblöcke in ihrem Portfolio hätten und so meistens neben neuen, eher teuren auch günstige Wohnungen anbieten könnten.

«Viele Leute wollen nicht nur aus finanziellen Überlegungen in eine Genossenschaftswohnung, sondern wegen der Art zu leben.»

Omoregie betont weiter, dass beim gemeinnützigen Bauen nicht nur finanzielle Aspekte eine Rolle spielen. Der Verband hat zehn Leitsätze definiert, die zeigen, welche Ideen und Werte Wohnbaugenossenschaften verkörpern. Dazu gehören etwa eine attraktive Umgebungsgestaltung, die Gemeinschaft in den Siedlungen oder Sicherheit dank eines hohen Kündigungsschutzes. «Viele Leute merken erst was das Ganze drumherum bedeutet, wenn sie in einer genossenschaftlichen Überbauung wohnen», so Omoregie.

Soziale Durchmischung ist wichtig

Zudem müsse beachtet werden, dass es sich bei gemeinnützigen Wohnungen nicht um staatlich subventionierte Objekte handelt. «Man will bewusst eine soziale Durchmischung. Viele Leute wollen nämlich nicht nur aus finanziellen Überlegungen in eine Genossenschaftswohnung, sondern wegen dieser Art zu leben. Es geht also nicht nur um tiefe Mietpreise», sagt Omoregie.

Dieser Punkt gab auch in der Debatte um die eidgenössische Initiative «Mehr bezahlbarer Wohnraum» zu reden, über die im Februar 2020 abgestimmt wurde. Es wurde kritisiert, dass in gemeinnützigen Wohnungen immer auch Menschen leben würden, die sich eigentlich eine teurere Wohnung leisten könnten. Die Vorlage wurde mit einem Nein-Stimmenanteil von 57 Prozent abgelehnt.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 14.07.2021, 09:23 Uhr

    Bei vielen Wohnbaugenossenschaften beobachte ich leider eine ähnliche Entwicklung wie bei der SP: Von den guten und wichtigen Grundsätzen der Anfangszeit hat man sich langsam entfernt und ist von der Argumentation her wie auch bei den Ansprüchen still und leise durch die Institutionen marschiert. «Wir würden ja gerne, aber es geht halt einfach nicht» – Kapitulationserklärungen, die man dann mit teuren Jahresberichten und PR übertüncht. Dass es tatsächlich geht, beweisen immer wieder junge, kleine und sehr engagierte Genossenschaften, die sich neu gründen und mit sehr viel Arbeit ihre Siedlungen verwirklichen. Das ist aber Knochenarbeit und mit dem geruhsamen Schäfferle in einer verfetteten Institution nicht zu vergleichen.

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