Zuger leidet unter Long Covid

«Erst mit Zweitimpfung konnte ich wieder Sport treiben»

Viele Betroffene von Long Covid leiden an Erschöpfung. (Symbolbild) (Bild: Pexels)

Anfang des Jahres erkrankte Marco an Covid-19. Nach seiner Genesung litt er wochenlang an Langzeitfolgen wie Müdigkeit und Erschöpfung – bis zu seiner Zweitimpfung. Bis heute ist er verunsichert, ob er wieder zu alter Stärke zurückgefunden hat.  

Marco* ist Ende 30, von schlanker, sportlicher Statur und in einem grösseren Zuger Unternehmen tätig. Seinen richtigen Namen möchte er nicht im Onlinemagazin lesen. Er wolle die Krankheit hinter sich lassen und könne nur schwer einschätzen, welchen Eindruck seine Geschichte in seinem beruflichen Umfeld hinterlassen würde.

Anfangs Januar 2021 infizierte sich Marco mit dem Coronavirus. Im Spital war er nicht, aber es ging ihm schlecht. Den ganzen Monat sei er ausser Gefecht gesetzt gewesen, habe praktisch Tag und Nacht im Bett verbracht. Heute, fast neun Monate später, sagt er: «Ich habe das Gefühl, ich bin durch die Krankheit massiv gealtert und nicht mehr so vital wie vorher.»

Ausserdem werde er den Gedanken nicht los, immer noch nicht richtig riechen zu können. Die Zweitimpfung im Juni habe zwar eine deutliche Verbesserung der Leiden gebracht, die ihn seit seiner Erkrankung plagen würden. «So richtig gesund wie vorher fühle ich mich aber auch jetzt noch nicht.»

Es reichte für die Arbeit und sonst nichts

Kurz nach dem positiven PCR-Test arbeitete Marco vorerst im Homeoffice. Ihn hätten lediglich leichte Kopf- und Halsschmerzen geplagt und er sei davon ausgegangen, es habe ihn nur leicht erwischt. Am dritten Tag traf ihn das Virus wie aus dem Nichts. «Nach drei Stunden arbeiten lag ich nur flach. Ich konnte mich kaum mehr bewegen, war todmüde.» Dazu kamen Schmerzen im Rücken- und Nackenbereich und bald auch Geschmacks- und Geruchsverlust.

Nach der Quarantäne und vier Wochen im Bett habe er dem Homeoffice nochmals eine Chance gegeben. Sein Körper lief immer noch auf Sparflamme und sei schnell an seine Grenzen gestossen. Marco brauchte seine ganze Energie, um sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Um 19 Uhr war jeweils Lichterlöschen. «Am Abend konnte man mich für sozusagen nichts mehr gebrauchen», erinnert er sich. «Mein Leben bestand nach der eigentlichen Erkrankung aus Arbeiten und Schlafen.»

Langzeitsymptome wurden Teil des Alltags

Dann kam der Frühling. Die verschiedenen Symptome wurden schwächer, verschwanden aber nicht vollständig. Sie wurden Teil von Marcos Alltag. Die sonnigeren Tage mögen ihren Teil dazu beigetragen haben, dass er sich besser fühlte.

Vom Leben vor der Covid-Erkrankung war Marco zu jenem Zeitpunkt aber weit entfernt, wie er sagt. Nie habe er das Gefühl gehabt, es gehe ihm wirklich gut und er sei «über dem Berg». Alltägliche Verrichtungen wie der Einkauf seien ihm schwergefallen. Er habe sich ziemlich zurückgezogen und nur noch sporadisch am sozialen Leben teilgenommen.

Die Diagnose von Long Covid ist wegen diffuser und sehr unterschiedlicher Symptome schwierig. (Symbolbild) (Bild: Pixabay)

Richtig bewusst geworden, wie stark die Krankheit seinen Körper geschwächt hatte, ist Marco laut eigenen Aussagen aber erst im April, als die Fitnesscenter wieder öffneten. Sport sei schon immer ein wichtiger Bestandteil seines Lebens gewesen, sagt er. In seiner Jugend hatte er Fussball und Basketball im Verein gespielt und vor der Covid-Erkrankung waren mindestens drei Abende pro Woche für Krafttraining und Fitness reserviert. Danach seien auf ein Training zwei Tage totaler Erschöpfung und Antriebslosigkeit gefolgt; er habe sich erst langsam wieder an körperliche Anstrengungen gewöhnen müssen.

Verdacht auf Long Covid

Mitte Mai liess sich Marco die erste Covid-Impfung verabreichen. «Danach war ich mehrere Tage hundemüde und bin immer sehr früh zu Bett gegangen.» Erst nach diesem akuten Müdigkeitsschub habe er beschlossen, sich ärztlich durchchecken zu lassen. «Ich hatte einfach den Eindruck, dass irgendetwas mit mir nicht in Ordnung war.»

Seine Hausärztin habe rasch den Verdacht auf «Long Covid» geäussert. Einen eigentlichen Befund habe es aber nicht gegeben, wie Marco erzählt. Lungenfunktionstests und Blutbild hätten einzig einen Vitamin-D-Mangel, wie er in westlichen Gesellschaften nicht selten vorkommt, zu Tage gefördert. Die klinischen Untersuchungen hätten gezeigt, dass er gesund sei. «Trotzdem fühlte ich mich krank.»

«Alles war wie weg»

Zu den von seiner Ärztin empfohlenen weiteren Untersuchungen beim Kardiologen ist es nie gekommen. Kurz nach dem Check-up hatte Marco seinen zweiten Impftermin. Zwei bis drei Tage später sei er wie ausgewechselt gewesen, habe sich plötzlich wieder fit und kräftig gefühlt. «Von dem Zeitpunkt an konnte ich wieder trainieren, ohne danach zwei Tage lang in einen Dornröschenschlaf zu fallen.» Alles sei wie weg gewesen.

Warum es ihm nach wochenlangen Torturen plötzlich besser ging, sei ihm zu jenem Zeitpunkt nicht klar gewesen. Berichte über an Long Covid erkrankte Patienten, die nach der zweiten Impfung eine Symptomlinderung erfahren hätten, habe er erst später gelesen und sich darin wiedererkannt. Eigentlich habe er sogar Angst gehabt, dass sich sein Zustand verschlechtere. «Damals habe ich einfach eine deutliche Verbesserung gespürt und mir keine weiteren Gedanken gemacht.»

Gealtert, aber nie mehr der Alte geworden

Wenn man Marco heute fragt, wie es ihm geht, erhält man eine ambivalente Antwort: Er fühle sich gesund, könne aber nicht sagen, dass er zu hundert Prozent derjenige sei, der er vorher gewesen sei. «Ich habe das Gefühl, die ganze Krankheit hat mich zuiemlich kaputt gemacht.» Den Befund an einzelnen Symptomen festzumachen fällt ihm aber schwer. «Ich habe beispielsweise das Gefühl, dass eine einfache Erkältung mich heute mehr weghaut als früher.» Und seit seiner Covid-Erkrankung könne er nicht mehr ausschlafen. «Früher konnte ich problemlos ausschlafen und am Wochenende wurde es gerne auch mal fast Mittag. Jetzt bin ich morgens oft vor sechs Uhr wach, egal wie spät ich am Abend zuvor zu Bett gegangen bin.»

Auf mögliche psychische Gründe angesprochen, reagiert Marco gelassen. «Es ist mir bewusst, dass wir in einer speziellen Zeit leben und auch andere Einflüsse eine Rolle für meinen derzeitigen Zustand spielen könnten.» Er kennt die Diskussion um die vermeintliche Einbildung von Langzeitfolgen der Covid-Erkrankung.

An seine Grenzen gehen

Marco will herausfinden, wie es wirklich um seinen Gesundheitszustand steht. Deshalb hat er mit einem intensiven Aufbautraining begonnen, um wieder an seine Grenzen zu gehen. «Ich möchte schauen, was mein Körper noch mitmacht und ob ich wieder zur alten Form finden kann.» Ausserdem habe er von verschiedenen Möglichkeiten gehört, um seine Sinne zu stärken, etwa mithilfe eines Geruchstrainings. «Das überlege ich mir. Ich möchte herausfinden, ob eine Verbesserung möglich ist», sagt er – in der Hoffnung, seinen Normalzustand in einer alles andere als normalen Zeit wiederzuerlangen.

*Name der Redaktion bekannt

Hinweis: Lies morgen auf zentralplus, wie Dr. Phillip Kaiser vom Luzerner Kantonsspital Marcos Schilderungen einschätzt und was er zum Thema Long Covid und Zweitimpfungen sagt.

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1 Kommentar
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    MikeLeon, 11.09.2021, 11:05 Uhr

    Lieber Marco, danke, dass Sie Ihre Geschichte mit uns teilen. Sie zeigt eindrücklich auf, wie gnadenlos und unberechenbar, selbst bei jungen Menschen, eine Covid-Erkrankung verlaufen kann. Ich wünsche Ihnen auf Ihrem weiteren Genesungsweg viel Kraft und Geduld. Alles Gute.

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