Aktion in Luzern gegen Gewalt an Frauen

Erschütternd: Diese Frauen sprechen, ohne zu reden

Laut sein mit Stille: eine Aktion gegen Gewalt an Frauen. (Bild: ida)

Schwarzes Klebeband, stumme Proteste: In Luzern erinnern Frauen an ein Thema, das viele ignorieren. Der Kanton hat nun ein Massnahmenpaket gegen häusliche Gewalt verabschiedet.

«Das ganze Dorf wusste es. Niemand fragte nach.»

«Er sollte aufhören. Aber er wollte unbedingt Sex. Er hat meinen Kopf an die Wand geschlagen.»

«Er kontrollierte mich rund um die Uhr.»

«Ich hatte die linke Gesichtshälfte rot und einen blauen Kiefer. Ich habe das überschminkt.»

Pilatusstrasse in Luzern, nach 12 Uhr am Freitagmittag: Rund 20 Frauen stehen verteilt vor der Luzerner Kantonalbank. Ihre Münder sind mit schwarzem Klebeband verschlossen. Sie sind still, blicken den Passanten in die Augen, lassen die Worte für sich sprechen, die auf Schildern prangen, die sie um ihre Hälse tragen. Es sind Aussagen von Frauen, die Gewalt erlebt haben. Manche der Vorbeilaufenden blicken betroffen, andere irritiert, wiederum andere suchen das Gespräch mit den Frauen. Die meisten aber eilen vorbei, scheinen sich dem Unangenehmen nicht stellen zu wollen.

«Gewalt an Frauen ist keine Privatsache»

Doch diese Gewalt ist für viele Frauen Realität. Durch die Aktion von Perron F – einer feministischen Plattform in Luzern – wird sie sichtbar gemacht. Dafür setzen sich derzeit über 200 Organisationen schweizweit anlässlich der «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» ein.

Nicht nur gewaltbetroffene Frauen – und in vielen Fällen auch deren Kinder – sollen Gefühle wie Wut und Hilflosigkeit spüren, sondern auch wir, die Gesellschaft. «Damit uns klar wird, dass definitiv mehr getan werden muss», schreibt Perron F in einer Mitteilung. Gewalt an Frauen sei keine Privatsache, sondern ein strukturelles Problem.

Das zeigen die Zahlen des Eidgenössischen Büros für Gleichstellung: Alle zwei Wochen wird in der Schweiz eine Frau durch ihren Ehemann, Lebensgefährten, Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet. Jede Woche überlebt eine Frau einen solchen Tötungsversuch. Jeden Tag erleben 50 Frauen in der Schweiz häusliche Gewalt. Die Luzerner Polizei muss wegen häuslicher Gewalt mindestens einmal täglich ausrücken.

Hier findest du Hilfe

Du sorgst dich um jemanden oder benötigst selbst Hilfe? Zögere nicht, mit jemandem darüber zu sprechen. Wähle die Nummer 143 der Dargebotenen Hand. Kostenlos und rund um die Uhr hilft dir auch die Nummer 147 (Pro Juventute).

Gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder finden in Luzern Zuflucht im Frauenhaus, das auch eine 24-Stunden-Helpline betreibt über die Nummer 041 360 70 00. Hilfe kriegen gewaltbetroffene Frauen auch bei der Opferberatung Luzern. In einem Notfall immer die Polizei rufen (Rufnummer 117).

Kanton Luzern verabschiedet Massnahmenpaket gegen häusliche Gewalt

Der Kanton Luzern hat lange genug die Augen davor verschlossen. «Luzern macht das Minimum vom Minimum zum Schutz vor häuslicher Gewalt», sagte Ylfete Fanaj – damals SP-Kantonsrätin, heute Justiz- und Sicherheitsdirektorin – anlässlich des Frauenstreiks 2019 (zentralplus berichtete). So traf 2017 der kantonale Sparhammer auch die Koordinations- und Präventionsstelle Häusliche Gewalt – diese wurde auf 10 Prozent reduziert. SP-Politikerinnen setzten sich dafür ein, dass die «Mini-Stelle» wieder um 40 Prozent erhöht wird. 2021 wurde die Sparmassnahme wieder rückgängig gemacht. 2023 wurde zudem der runde Tisch reaktiviert.

Der Kanton hat nun diese Woche ein Massnahmenpaket gegen häusliche Gewalt beschlossen. «Der Aktions- und Massnahmenplan ist ein Meilenstein für unseren Kanton», lässt sich Ylfete Fanaj zitieren.

Die elf Massnahmen enthalten gemäss Medienmitteilung des Kantons Sensibilisierungskampagnen für die Bevölkerung sowie den Ausbau von Präventionsprogrammen für die Volksschule und die Sekundarstufe 2. Geplant ist zudem, dass die Arbeit mit gewaltausübenden Personen verstärkt wird und Fachpersonen aus Justiz, Polizei, Gesundheitswesen und Bildungsinstitutionen aus- und weitergebildet werden.

Die Massnahmen stützen sich auf die Istanbul-Konventionen, welche Bund, Kantone und Gemeinden verpflichtet, Massnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu ergreifen.

Täter im Visier

Die Feministinnen von Perron F fordern, dass die Täter in den Fokus genommen werden. Übergriffiges Verhalten müsse als solches benannt werden und die Täter damit konfrontiert werden.

«Denn die Täter, rund 95 Prozent Männer, sind meist keine unbekannten Monster, die in dunkeln Ecken lauern. Es sind Väter, Brüder, Söhne, Onkel, Freunde, Göttis, gute Kameraden an deinem Stammtisch vielleicht.»

Verwendete Quellen
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