Andreas Busslinger fotografiert von oben herab

Er knipst die Welt im Fluge

Insel Krk, Kroatien (Bild: Andreas Busslinger)

Ein Flug, auf dem er nicht fotografiert, ist für ihn ein verlorener Flug. Darum hat der Baarer Andreas Busslinger seinen Gleitschirm mit Kameras ausgerüstet. Sucht sich spektakuläre Orte auf der ganzen Welt, um seiner Leidenschaft zu frönen. Und hat damit Erfolg. So sehr, dass kürzlich ein grosser Buchverlag bei Busslinger angeklopft hat.

Andreas Busslinger fotografiert leidenschaftlich gern – nur, das tun auch Millionen andere Menschen. Was ihn jedoch von der Masse unterscheidet, ist, dass er die Welt aus der Vogelperspektive aufnimmt. Das hat sogar einen grossen Buchverlag hellhörig gemacht: Gerade erst ist Busslingers Buch zum weltweiten Gleitschirmfliegen erschienen. Aber wie muss man sich das Ganze praktisch vorstellen. Fotografieren und Gleitschirmfliegen, geht das überhaupt zusammen, ohne dass man sich grossen Risiken aussetzt? Und wie häufig kommt es vor, dass eine Kamera in die Tiefe saust? zentral+ hat den Baarer getroffen und ihn ausgequetscht.

zentral+: Herr Busslinger. Sie kombinieren seit Jahrzehnten zwei Leidenschaften. Das Fotografieren und Gleitschirmfliegen. Was kam zuerst?

Andreas Busslinger: Das ist eine gute Frage. Ich habe immer schon gerne fotografiert. Das kam also eigentlich vor dem Fliegen. Nur hatte ich damit erst Erfolg, als ich es mit dem Gleitschirmfliegen zu verbinden begann. Und das, obwohl ich bereits vorher gute Fotogeschichten gemacht hatte. Beides zusammen mache ich nun etwa seit 25 Jahren.

zentral+: Als Nichtfliegerin habe ich das Gefühl, man braucht alleine für das Fliegen schon viel Konzentration. Wie lässt sich das mit dem professionellen Fotografieren verbinden?

Busslinger: Ich bin da über viele Jahre hineingewachsen. So habe ich mir beispielsweise angewöhnt, dass ich mit einer Hand steuere. Das geht, indem ich beide Leinen in einer Hand halte. Das können sich auch andere Gleitschirmflieger teils nicht vorstellen. Ich war anfangs einer der Ersten, der das so gemacht hat, und habe viel getüftelt.

zentral+: Sie steuern also mit einer Hand und fotografieren mit der anderen?

Busslinger: Genau. Die Kamera hänge ich mir – ganz gewöhnlich – um den Hals. Ausserdem befestige ich gelegentlich am Schirm, also neben, über oder hinter mir eine weitere Kamera. Diese Kamerapositionen ermöglichen es, das Gefühl des Fliegens zu zeigen.

zentral+: Ich nehme an, diese Kameras sind nicht ganz leicht.

Busslinger: Das stimmt. Inklusive Gestell wiegen diese je etwa drei Kilo. Diese hängen an Spezialleinen oder sind mit Gummibändern am Schirm befestigt. Heute gibt es zwar die sehr leichten GoPros, die man überall hinhängen könnte, doch ein Profi merkt dabei den Qualitätsunterschied. Und weil ich oft für Magazine arbeite, steht es ausser Frage, mit weniger gutem Equipment zu fotografieren.

«Ich nehme die Kamera hervor, wenn andere sie weglegen.»

zentral+: Und wie oft hat die Kamera den Flug bisher nicht überlebt?

Busslinger: Das ist eine leidige Sache. Ich habe tatsächlich schon viel Fotomaterial zerstört. Das gehört auch ein wenig zum Risiko, denn ich nehme die Kamera hervor, wenn andere sie weglegen. Einmal ist das Objektiv kaputtgegangen wegen kleinerer Schläge, einmal hat sich eine Öse gelöst und die Kamera ist runtergefallen, einmal habe ich sie im Wasser versenkt. 

zentral+: Gerade erst ist das Buch «Gleitschirmfliegen weltweit» herausgekommen, bei dem Sie und zwei weitere Fotografen mitgewirkt haben. Welche Orte, an denen Sie geflogen sind, haben Ihnen am meisten Eindruck gemacht?

Busslinger: Ich war zweimal in Nepal, um zu fliegen. Das war sehr faszinierend, denn die Landschaften dort sind äusserst vielseitig. Mal ist man über wilden Flusstälern, mal fliegt man über Reisterrassen und dann wieder, etwa im Gebiet Mustang, fliegt man in wunderschönem Gebirge.

zentral+: Waren Sie da allein unterwegs?

Busslinger: Wir reisen immer als Team. Ich kenne verschiedene Piloten, die für mich als eine Art Fotomodell fliegen und so ermöglichen, meine Ideen umzusetzen. Sie übernehmen anspruchsvolle Aufgaben wie etwa einen Rückwärtssalto, im Jargon auch «Infinity Tumbling» genannt. Einige dieser Leute gehören zu den weltbesten Piloten.

zentral+: Und wie schafft man es, mit den weltbesten Gleitschirmfliegern zusammenzuarbeiten?

Busslinger: Die Szene ist ja nicht sehr gross, man kennt sich schnell. Das ist eine Win-win-Situation: Die Piloten freuen sich darüber, wenn sie gute Aufnahmen von sich bekommen, und ich freue mich darüber, dass ich mit ihnen diese Fotos machen kann.

zentral+: Ich kenne Gleitschirmpiloten, die fotografieren bewusst nicht, weil sie finden, es sei am schönsten, wenn sie ihren Flug nur in der Erinnerung abgespeichert haben.

Busslinger: Bei mir ist das ganz anders. Ich geniesse einen Flug noch mehr, wenn ich fotografieren kann. Plötzlich ändert sich das Wetter beispielsweise und es kommt zu einem Wow-Effekt. Durch die Fotografie wird meine Faszination fürs Fliegen nur grösser. Die gleiche Landschaft kann sich, je nach Situation, nach Licht, stark verändern.

zentral+: Die Technologien haben seit ihrer Anfangszeit nicht nur in der Fotografie einen riesigen Sprung gemacht. Auch bei der Gleitschirmtechnik ist viel gegangen. Wie gehen Sie mit diesen Veränderungen um?

Busslinger: Ich bin immer mit dem neusten Material unterwegs. Sowohl beim Fotografieren als auch beim Fliegen und nehme diese Entwicklungen als sehr positiv wahr. Anfänglich waren die Gleitschirmpiloten Alpinisten, irgendwann hat man begonnen, mit der Bahn nach oben zu fahren und herunterzufliegen.

«Das Runterlaufen kenne ich hingegen fast nicht mehr.»

Seit einigen Jahren gibt es Leichtbau-Schirme, die nur 5 bis 6 Kilo schwer sind. Damit kann ich problemlos Tausend Höhenmeter hinaufwandern. Das Runterlaufen kenne ich hingegen fast nicht mehr. Früher war es zudem beispielsweise undenkbar, auf dem Zugerberg zu starten, da er zu flach war. Mit den heutigen Technologien ist das gar kein Problem mehr.

zentral+: Sind die Flugkonditionen je nach Ort auf der Welt sehr unterschiedlich?

Busslinger: Es sind immer ähnliche Kriterien, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Es gibt gewisse Regeln im Wetterablauf. Diese gelten überall.

zentral+: Kommt es dennoch manchmal vor, dass Sie mitten in einen Wetterumschwung hineinfliegen?

Busslinger: Kaum. Heute, mit dem Internet, kann man sich gut vorbereiten. Früher kam es häufiger vor, dass plötzlich eine Gewitterfront auftauchte, von der man nichts geahnt hatte. Doch wenn man vorausschauend fliegt und ein waches Auge hat, kann man das Risiko minimieren.

zentral+: Würden Sie Gleitschirmfliegen als Extremsport bezeichnen?

Busslinger: Nein. Für mich ist das Gleitschirmfliegen eine Risikosportart, ähnlich dem Skitourenfahren. Man kann sich gut informieren über die Verhältnisse, die einen erwarten. Dennoch bleibt immer ein Restrisiko bestehen.

zentral+: In den letzten Jahren ist Basejumpen zu einem weltweiten, umstrittenen Trend geworden. Können Sie diese Sehnsucht nach dem Fliegen nachfühlen?

Busslinger: Ich denke, was ein Basejumper sucht, ist nicht das Gefühl des Fliegens, sondern das des freien Falls. Die Zeit, in der man wirklich fliegt, ist sehr kurz. So etwas würde ich nie machen, da die Sicherheitsmarge sehr gering ist. Wir Gleitschirmpiloten haben in der Luft stets einen offenen Schirm. Und falls dort einmal etwas schiefgeht, haben wir einen Notschirm dabei.

zentral+: Gibt es dennoch Momente, bei denen Ihnen mulmig wird?

Busslinger: Solche Situationen kann es immer geben, wenn man beispielsweise in Turbulenzen gerät. Dann muss man schauen, dass man möglichst schnell aus diesem Gebiet rauskommt. In diesen Momenten mache ich dann natürlich keine Fotos mehr, da ich mich voll und ganz aufs Fliegen konzentrieren muss.

zentral+: Wie geht Ihre Familie mit Ihrem intensiven Hobby um?

Busslinger: Sie sind damit einverstanden. Meine Frau ist früher selber auch geflogen und kennt diese Leidenschaft. Sie lässt mir auch den Raum, damit ich meine Reisen machen kann.

zentral+: Und nun ist im Bruckmann-Verlag ein Buch von Ihnen erschienen über das Gleitschirmfliegen in der ganzen Welt. Ein grosser Moment für Sie oder kaum der Rede wert?

Busslinger: Es ist immer schön, ein Buch herauszugeben. Besonders in einem so grossen Verlag wie Bruckmann. Es hat mich stolz gemacht, dass ich als erster Fotograf angefragt worden bin. Ich habe dann selber noch zwei Fotografen akquiriert, da ich alleine nicht genügend Orte auf der Welt besucht hatte.

«Es ist immer wieder faszinierend, vom Zugerberg zu starten und zu schauen, wie weit ich komme.»

zentral+: Haben Sie einen Lieblingsort zum Fliegen, an den Sie immer wieder mit Genuss zurückkehren?

Busslinger: Flüge in den Hochalpen sind fantastisch. Beispielsweise bei Disentis, das Gebirge rundherum wirkt von unten zwar nicht speziell, ist aber von oben her atemberaubend.

Ansonsten finde ich es immer wieder faszinierend, vom Zugerberg zu starten und zu schauen, wie weit ich komme. Überhaupt ist der Zugerberg einer meiner Lieblingsorte, weil das quasi meine Heimat ist und weil man von dort aus Flachlandflüge unternehmen kann.

zentral+: Und, wie weit sind Sie bis jetzt gekommen?

Busslinger: Ungefähr 40 Kilometer weit, fast bis an den Walensee.

 

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