Emanuel Ammon

Er ist das fotografische Gedächtnis Luzerns

Wenn eine Kamera allein nicht reicht: Der Luzerner Fotograf Emanuel Ammon an der Gansabhauet 2022 in Sursee. (Bild: Andreas Busslinger)

Seine Bilder gehen um die Welt, er selbst bleibt lieber im Hintergrund. Der Luzerner Fotograf Emanuel Ammon gewährt einen Blick hinter die Kulissen seines Archivs.

Bereits ein kurzer Blick in das Atelier im zweiten Stock des Kulturhauses Akku in Emmenbrücke lässt keinen Zweifel, was hier passiert. An der Decke hängen verschiedene Drohnen, in einem Regal bei der Tür stehen zahlreiche moderne und alte Foto- und Filmkameras. Weiter hinten sind massive Aktenschränke, Scanner und Mappen mit Fotonegativen. Das ist Emanuel Ammons (74) Reich – und das seines Sohnes Gabriels und Natalie Boo, die beide auch als Fotografen tätig sind. Hier, im Atelier und Verlag Aura, sind Jahrzehnte voller Geschichten fotografisch festgehalten. Geschichten aus Luzern – und der ganzen Welt.

Emanuel Ammon begleitet das Geschehen in Luzern und weit darüber hinaus seit über 50 Jahren mit seinen Kameras. Reportagen, Kulturanlässe, politische Veranstaltungen oder Sportanlässe – es gibt kaum relevante Ereignisse, die der gebürtige Stadtluzerner nicht bildlich festgehalten hätte. Da kommt einiges an Bildmaterial zusammen.

Ein Eisbär im Kanton Luzern

Spricht er über seine Bilder, spürt man die Liebe zu den Werken, den Menschen und der Geschichte dahinter. Zu nahezu allen Aufnahmen hat Ammon eine Anekdote zu erzählen. In einem digitalen Ordner hat er Bilder abgelegt, die er zu seinen Favoriten zählt. Nebst «grossen» Bildern mit wuchtigen, teils exotischen Sujets, sind es auch kleine, ruhige Momente. Ein Junge im Wallis, der mit seinen Ski auf einem kleinen Schneehügel sitzt. Ein Mann und zwei Frauen auf einem Velo in Kuba. Ammons Lieblingsbild: eine Frau, die in Rothenburg einen Eisbären spazieren führt, während ihm drei Buben folgen. «Das Bild hat es in die ‹New York Times› geschafft», erzählt Ammon stolz.

Eine Jahrhundertaufgabe

Wie viele Fotos Ammon in seinem Archiv hat, kann er selbst nur schätzen. Es dürften Hunderttausende sein. Die ältesten reichen zurück bis ins ausgehende 19. Jahrhundert. Ammon archiviert nicht nur sein eigenes Werk, sondern rettet auch Bilder von anderen Fototalenten, die sonst in Vergessenheit geraten oder – noch schlimmer – für immer verloren gehen würden. Darunter Werke des einstigen «Tagblatt»-Redaktors Hans Peter Jaeger, Karl Manz und Ammons einstigem Lehrmeister (und Lehrling seines Vaters) Hans Eggermann.

Sie alle zu archivieren, ist eine Jahrhundertaufgabe, aber eine, die Ammon am Herzen liegt. «Es gibt genug zu retten», sagt er. Die Aussicht, wie viele Fotos im Laufe der Geschichte verloren gegangen sind – und noch verloren gehen werden –, bereitet ihm Bauchschmerzen. «Die Leute sollten ihre Bilder archivieren», sagt er. Auch wenn die Bilder in ihren Augen kaum Wert hätten, für die Nachwelt seien das spannende Zeitdokumente.

Während manche Fotografen sich selbst als Künstler inszenieren, wählt Ammon einen anderen Ansatz. «Ich zwinge meinen Bildern keinen Stil auf», sagt der Mann mit den charakteristischen Locken und der Brille. «Ich sehe mich im Dienst der Geschehnisse, als Dokumentarfotograf.» Bescheiden und bodenständig. Erstaunlich für einen Mann, der schon Queen Elizabeth II., Tina Turner und den Komponisten Herbert von Karajan vor der Linse hatte und auf der ganzen Welt im Einsatz war.

Dass er im Luzerner Bewusstsein oft als lokaler «Fasnachtsfotograf» abgestempelt wird, wurmt ihn etwas. Sein Werk umfasst zahlreiche Reportagen – aus dem indischen Chandigarh, dem Krieg in Sarajewo, von einem Trip mit dem Tuareg durch Mali oder 2017 dem Burning Man Festival in der Wüste von Nevada.

Eine Familie in Bildern

«Das Faible für die Fotografie habe ich geerbt», sagt er. Dreht man die Uhr nämlich zwei Generationen zurück, landet man bei Emanuel Ammons Urgrossvater Carl Griot, einem renommierten Architekten, der in der Stadt Luzern mehrfach seine Spuren hinterlassen hat.

1901 baute er das erste Gebäude auf dem Europaplatz – ein Vorgänger des Kunst- und Kongresshauses – in Form einer mittelalterlichen Burg, die bis 1930 bestehen blieb. Griot war ebenso am Bau der Hauptpost Luzerns und dem Strandbad Weggis (1919) beteiligt. Auch Griot hat nach seinem Tod 1944 viele Fotografien seiner Bauten hinterlassen. Bilder, die Ammon heute gerettet und archiviert hat.

Kein Märchenschloss, sondern das Friedensmuseum in Luzern. Heute steht an dieser Stelle das KKL Luzern. (Bild: Stiftung Fotodok Kanton Luzern)

Es ist schliesslich Emanuels Vater Peter Ammon – der vergangenes Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hat –, der die Fotografie endgültig in die Familie bringt und internationale Bekanntheit erlangt. Obwohl bereits Aufnahmen aus Kindertagen Emanuel mit Fotokameras zeigen und er «schon in der Schule seine Lehrer mit Kameras genervt hat», stellten sich die Eltern erst gegen die Fotografie. Erfolglos.

Ammon im Dienst der Medien

Emanuel Ammon wird Ende der 1960er-Jahre an der Kunstgewerbeschule in der Rössligasse aufgenommen und macht danach die Lehre zum Fotografen. Noch während der Ausbildung verkauft er erste Aufnahmen an Zeitungen wie das «Vaterland», «Luzerner Tagblatt» und «Luzerner Neuste Nachrichten». Ammons Lohn: zwischen 15 und 20 Franken pro Bild.

Während den nächsten 50 Jahren lichtet Ammon unzählige Bilder für verschiedene Zeitungen ab und tut das bis heute – auch für zentralplus. Anerkennung kriegt er dafür auch von internationaler Seite. 1979 setzt er sich gegen 69’000 Fotografen durch und gewinnt den internationalen Nikon Photo Contest. Bis heute ist er der einzige Schweizer, der jemals den ersten Platz belegt hat.

Seine Agentur Aura gründete er mit befreundeten Fotografen 1992, um bei internationalen Magazinen einen Fuss in die Tür zu kriegen. «Wir wollten an ‹Geo› verkaufen», erinnert er sich. «Die arbeiteten aber nur mit Agenturen zusammen. Also haben wir Aura gegründet.» Nach einer Prise Hochstapelei seien die Aufträge praktisch sofort eingetrudelt. Zumindest bis Mitte der 90er-Jahre, als die amerikanische Bildagentur Getty das Licht der Welt erblickte. «Von dem Moment an war das Geschäft für uns praktisch tot.» Heute beziehen viele Medien und Magazine ihre Bilder online von Bildagenturen. Für Fotografinnen kein besonders lukratives Geschäft mehr.

Technologie ist sekundär

Obwohl die Technologie der Fotografie, der Bearbeitung und dem Verkauf schnell voranschreite, habe sich die Fotografie im Kern kaum geändert. «Als Fotograf muss ich immer noch raus, unter die Leute, ins Geschehen», sagt Ammon. «Ein Fotograf kann nicht von zu Hause aus arbeiten.»

«Ein Bild kann immer gut sein, egal mit welchem Gerät es gemacht wurde.»

Emanuel Ammon, Fotograf

Es gibt genügend Menschen in Ammons Alter, die den technologischen Fortschritt an sich vorbeiziehen lassen. Er selbst gehört nicht dazu. Getrieben von Neugier, experimentiert er gerne mit neuesten Kameras und mit künstlicher Intelligenz (KI) herum. «KI nimmt die Kreativität nicht weg, sie ist ein spannendes Werkzeug.» Die Technologie ist für ihn grundsätzlich nicht so relevant, weswegen er auch Handys in Schutz nehmen muss. «Ein Bild kann immer gut sein, egal mit welchem Gerät es gemacht wurde.»

Kein Beruf zum Reichwerden

Nebst seiner Tätigkeit als Fotograf und Archivar ist Ammon auch als Verleger von diversen Fotobüchern tätig. Teils Auftragsarbeiten, teils eigene Projekte. Bücher über die Geschichte des KKL Luzern beispielsweise, des Hotels Anker, des «Luzerner Tagblatt» und über das «Schweizer Bergleben um 1950», in dem er die Bilder seines Vaters zusammengetragen hat.

Aber reich werde man mit der Fotografie nicht, auch nicht mit den Büchern. Als Ammon Aufnahmen von Berufskollegen zeigt, schwingt eine gewisse Melancholie mit. Nicht nur, weil viele von ihnen bereits verstorben sind, sondern auch, weil manchen nicht der Erfolg beschieden ist, den sie seiner Meinung nach verdient hätten.

Ein Ratschlag an den Nachwuchs

Trotzdem steht Ammon weiterhin hinter der Fotografie, stellt sich in den Dienst der Dokumentation des Geschehens. Und hat auch einen guten Rat für Nachwuchsfotografen: «Wenn es dir alle ausreden wollen und du es trotzdem machen willst, hast du eine Chance.» Obwohl es kein Beruf sei, den man des Geldes wegen mache, sei es einer, der einem unendlich viel gebe. An Erlebnissen, Begegnungen und – nicht zuletzt – Bildern.

Obwohl er bis heute voller Energie ist und Enthusiasmus versprüht, treibt ihn der Gedanke nach einer Nachfolge um. Für das Atelier und den Verlag fände der 74-Jährige eine jüngere Nachfolge gut. Aber es bleibt noch Zeit. Ans Aufhören denkt er nämlich nicht. Noch gibt es weitere Buchprojekte zu realisieren. Aktuell eines über die Geschichte der Luzerner Pfadi, bei der er selbst Mitglied war. Und ein spezielles Sujet schwebt ihm als ehemaliger Hausfotograf des Luzerner Theaters besonders vor: «Ich will das neue Luzerner Theater noch vor die Kamera kriegen.»

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Emanuel Ammon
  • Website Fotoarchiv Aura
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