So lebt’s sich in der Neubad-WG

Ein Terrassen-Paradies über dem Pool

Die Neubad-Fassade, künstlerisch aufgewertet.

(Bild: jwy)

Das Neubad hat sich mittlerweile zu einem Aushängeschild der Stadt Luzern entwickelt. Doch während die meisten Luzerner in Bistro, Pool und Keller ein- und ausgehen, leben drei Luzerner im obersten Stock in einer Wohnung, mit der man durchaus «bluffen» kann.

Ja, ganz oben in diesem riesigen Block aus Glas und Beton, da wohnt jemand. Das haben wir jedenfalls gehört. Ziemlich viele Menschen scheinen auch schon dort oben gewesen zu sein – überdurchschnittlich viele, für nur eine Wohnung. «Epische» WG-Partys sollen stattgefunden haben – in der Neubad-WG. Und die wollen wir uns mal genauer anschauen.

Wir suchen den Eingang erst auf der falschen Seite. Nicht an der Bireggstrasse, sondern bei der Feuerwehr geht es rein und das Treppenhaus hoch – am «Kein Durchgang»-Schild vorbei – bis hoch unters Dach, wo an der nicht funktionstüchtigen Klingel keine Namen stehen.

Wir klopfen also an und nach wenigen Sekunden öffnet uns Sibylle Peter die Tür. Die 29-jährige Grafikerin lebt bereits seit mehr als drei Jahren über der bekanntesten Luzerner Zwischennutzung und lädt uns gleich zu Sirup und Knabberzeug ein.

Die kleine Küche der WG.

Die kleine Küche der WG.

(Bild: jav)

Hell überm Hallenbad

Als das Hallenbad 2013 zur Zwischennutzung wurde, zog das Ehepaar aus, welches die ursprüngliche Hauswartswohnung bewohnt und den Hallenbad-Shop geführt hatte.

Heute leben in der Wohnung drei Personen. Eine vierte würde reinpassen, doch das vierte Schlafzimmer, welches von der ersten Neubad-WG mit einer improvisierten Wand dazugewonnen wurde, ist äusserst klein und von der Terrasse her vom Boden bis zur Decke einsehbar.

«Da lande ich halt manchmal in Trainer und Socken zwischen den Partygängern.»
Sibylle Peter

Das kleine Zimmer ist nicht der einzige Raum, der mit einer ganzen Glaswand ausgestattet ist – die Wohnung ist aussergewöhnlich hell und grosszügig geschnitten, auch wenn der Grundriss seltsam langgezogen ist.

Im Wohnzimmer wird gearbeitet, musiziert und gegessen.

Im Wohnzimmer wird gearbeitet, musiziert und gegessen.

(Bild: jav)

4 Zimmer? 5 Zimmer? 3 Terrassen!

Wie gross die ehemalige Hauswartswohnung genau ist, lässt sich nicht wirklich sagen. Kein Grundriss, keine Quadratmeterzahl, nicht mal die Wohnungsgrösse ist festgeschrieben. Als 4-Zimmer-Wohnung würde sie wohl ausgeschrieben, schätzt Sibylle Peter, während sie uns durch die Räume führt. Vielleicht auch als 4½- Zimmer-Wohnung – denn zum Durchgangszimmer kommen noch zwei geräumige Reduits und ein grosser, verwinkelter Flur dazu.

Das wirklich Besondere an der Wohnung ist jedoch die Aussenfläche. Ganze drei Terrassen gehören dazu. Finden Veranstaltungen im Pool statt, bei welchen die alte Rutschbahn beleuchtet wird, hat die WG auf zwei der Terrassen und in der Küche ebenfalls etwas davon.

Auch die Konzerte im Bistro gibt’s mit dazu, denn durch den Liftschacht lässt sich die Musik perfekt mithören. Und ja, das heisst, dass der Lift direkt in die Wohnung fährt: «Ziemlich schick, ich weiss», sagt Sibylle Peter lachend.

Der Lift fährt direkt in die Wohnung.

Der Lift fährt direkt in die Wohnung.

(Bild: jav)

Eine Wohnung zum Aufschneiden

Gewaschen wird – eigentlich ganz gewöhnlich – im Keller. Doch im Neubad liegt die Waschküche damit gleich neben dem neuen Klub. «Da lande ich dann halt manchmal in Trainer und Socken zwischen den Partygängern», erzählt Peter lachend.

Wenn es darum geht, wo sie wohne, führe sie immer und immer wieder dieselbe Unterhaltung, erzählt Sibylle Peter lachend. Und die gehe so: «Du wohnst beim Neubad? – Nein, im Neubad. – Dort hat es Wohnungen? – Eine Wohnung. – Da habt ihr bestimmt eine Terrasse? – Drei Terrassen … Und auf der kleinsten steht der Ping-Pong-Tisch.»

«Es braucht viel Lust und Motivation, denn fertig wird man hier niemals werden.»
Silvan Heggli

Man kann also durchaus mit der Wohnung bluffen. Das gibt auch Mitbewohner Silvan Heggli zu, der gerade nach Hause kommt und sich erst mal einen Kaffee gönnt. Der 30-jährige segelnde Kaffeemaschinenbauer, der seine Bikes und sein Gleitschirmmaterial auf den drei Terrassen stehen hat, wohnt noch nicht lange in der WG.

Die Dritte im Bunde, Christine Breitschmid (31), ist gerade in einem Sprachaufenthalt in Valencia.

Silvan Heggli und Sibylle Peter auf einer ihrer Dachterrassen.

Silvan Heggli und Sibylle Peter auf einer ihrer Dachterrassen.

(Bild: jav)

Das Haus

Das Hallenbad «Biregg» wurde 1967/68 von Lis und Adolf Amman-Stebler erbaut. Im Innern befand sich ein berühmtes Wandbild von Hans Erni mit dem Titel «Poseidon», welches vielen Besuchern noch gut in Erinnerung ist. 2012 wurde das in die Jahre gekommene Hallenbad geschlossen, gebadet wird seither im Neubad auf der Allmend.

Die Ausschreibung der Stadt für die befristete Zwischennutzung gewann 2012 der Verein Neubad, welcher 2013 den Betrieb aufnahm. Das «Neubad» hat sich innerhalb von nur vier Jahren zu einem sozialen und kulturellen Treffpunkt in Luzern entwickelt.

Anfänglich bis 2017 geplant, sieht es derzeit so aus, als würde die Zwischennutzung bis mindestens im Jahr 2020 bestehen bleiben.

Man muss wirklich wollen

Die drei Mitbewohner kannten sich schon eine Weile vor dem kürzlichen Einzug von Breitschmid und Heggli. Alle drei sind leidenschaftliche Wanderer, Biker und Skitouren-Fahrer. Eine äusserst aktive Truppe. Doch das ist in dieser Wohnung praktisch ein Muss. Kreativität und Aktivismus sind gefragt.

Die Wohnung ist in die Jahre gekommen und man weiss, dass das Gebäude nicht mehr ewig stehen wird (siehe Box). Das bedeutet aber auch: Fast alles ist erlaubt. Malen, bohren, Wände reinziehen, etwas anbauen. «Hier ist eigentlich alles möglich, aber man muss auch wollen. Es braucht viel Lust und Motivation, denn fertig wird man hier niemals werden», betont Heggli und Peter ergänzt: «Ja, die Wohnung ist alt, aber der spezielle Grundriss, die Terrassen und das ganze Drumherum geben ihr auch einen ganz eigenen Charme.»

Sibylle Peter kann gleich ihr ganz eigenes Hobby «zu Hause» pflegen: das Imkern. Auch gegärtnert wird oben auf dem Neubad fleissig – ohne Schnecken ein rechter Luxus. Im Moment sieht man davon noch wenig, doch die Setzlinge sind bereits eingepflanzt.

Der Blick vom Dach auf die eine Terrasse.

Der Blick vom Dach auf die eine Terrasse.

(Bild: jav)

Bass im Keller, Blumenwiese auf dem Dach

Und nicht nur auf den Terrassen, auch auf dem grosen Flachdach, welches durch eine uralte Leiter zugänglich ist, blühen im Sommer die Blumen.

«Ich hoffe sehr, dass es die nächsten Jahre so weitergeht.»
Sibylle Peter

Gleichzeitig hört man, wenn’s im Keller richtig basst, wenn Konzerte im Bistro gespielt werden oder der Pool voll mit Leuten ist. Und so ganz ohne Nachbarn kann die WG hier auch mitten in der Nacht die Musik aufdrehen, Klavier spielen oder irgendwas werken. «Es ist die perfekte Mischung zwischen Natur und Stadt», betonen die Mitbewohner.

Ein kreativer «Ämtliplan».

Ein kreativer «Ämtliplan».

(Bild: jav)

Seit Anfang mit dabei

Seit sie eingezogen sei, habe sich im Neubad extrem viel verändert, so Peter. «Am Anfang waren kaum Leute an der Bar. Doch seit der Krise vorletzten Winter ‹räblets›.» Heute müsse sie beim Nach-Hause-Kommen schauen, dass sie nicht über Kinder stolpere oder vor lauter Hallo-Sagen überhaupt nach oben komme. «Es ist toll, diese eindrückliche Veränderung so nahe mitbekommen zu haben. Und ich hoffe sehr, dass es die nächsten Jahre so weitergeht.»

Wie lange noch, das bleibt offen. Doch solange sich die Zwischennutzung hält, wird wohl auch die WG bestehen bleiben. «Natürlich wissen wir, dass es sich um eine Zwischennutzung handelt, aber wir leben hier im Moment mit dem Gefühl wie in jeder anderen Wohnung auch. Wir sind hier im Neubad zu Hause.»

Die Aussicht kann sich sehen lassen.

Die Aussicht kann sich sehen lassen.

(Bild: jav)

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