Eine gar gschpürige Reportage

Ein Selbstversuch an Zuger Kraftorten endet mit Kopfschmerzen

Auch die Verenakapelle über Zug soll ein Kraftort sein. Unser Fazit: Schön ist es hier jedenfalls.

Für einmal wird’s gschpürig bei zentralplus. Erdenergien gilt es zu fühlen, Kräfte wahrzunehmen. Auf zu den Zuger Kraftorten. Denn wir wollen wissen, was dahintersteckt. Und kehren mit Kopfschmerzen zurück.

Alle haben Ferien. Hängen auf Hawaii rum, in Lappland, Montreal. Nur der eigene Urlaub ist in weiter Ferne.

Was man braucht. Mehr Power. Kraft. Wenns doch nur Tankstellen gäb, wo man die eigenen Batterien wieder auffüllen kann. Ein Kraftort, jetzt!

Tatsächlich. Macht man sich im Netz schlau, trifft man – zumeist auf Webseiten aus den frühen Nullerjahren und mit Word-Art-Titeln versehen – auf verschiedene Orte im Kanton Zug, welche ausserordentlich starke Erdstrahlungen ausstrahlen sollen.

Zu messen seien diese, so besagt etwa die Forschungsstelle für Kraftorte, in Bovis-Einheiten (siehe Box).

Bovis-Einheiten und Radiästhesie
Als Bovis-Einheiten wird in der Radiästhesie die Stärke einer Energie angegeben. Üblicherweise wird diese mittels Wünschelrute oder Pendel gemessen. Diese Messmethoden sind umstritten und wissenschaftlich nicht belegt. Auch die Radiästhesie, also die Lehre von angeblichen Strahlenwirkungen auf Organismen, wird den Pseudowissenschaften zugeordnet.

Die Religionswissenschafterin Andrea Fischbacher ist die Leiterin dieser Forschungstelle. Sie erklärt uns, was es mit sogenannten Kraftorten auf sich hat. «Ein Kraftort ist ein Ort, der eine höhere Erdstrahlenintensität aufweist als die umliegenden Plätze. Und das im positiven Sinne.» Denn das sei bei weitem nicht immer der Fall. «Ereignisse bleiben an Orten hängen. Wenn man geübt ist, kann man es auch am Wuchs der Pflanzen ablesen, ob ein Ort verträglich ist oder nicht. Sowohl positive als auch negative Schwingungen kann mann spüren, wenn man die nötige Feinfühligkeit besitzt», so Fischbacher.

Keine Wünschelrute, kein Pendel, einfach nur fühlen

Dann schickt sie uns an verschiedene Orte. Ohne Pendel, ohne Wünschelrute. Wir sollen einfach hingehen. Spüren, was passiere. Auf der Abklapperliste: Die Weinrebenkapelle in Hünenberg. Die Kirche St. Verena in Risch. Die Verenakapelle oberhalb Zugs.

Die Aussicht von der Weinrebenkapelle lässt sich sehen. (Bild: wia)

Also auf nach Hünenberg. Auf der Anhöhe, auf der das Dorf Hünenberg selber liegt, liegt, umgeben von Aprikosenbäumen und Weinreben, die danach benannte Kapelle aus dem Jahr 1771. Gebaut wurde sie an einer aussichtsreichen Stelle, an der ein Holzkreuz wenige Jahre zuvor vom Blitz getroffen worden war. 

Ruhig ist es hier. Bis auf zwei Teenager in Trainerhosen, einer von ihnen am Telefon. Er beklagt sich über die viel zu teuren Seeed-Tickets. Ein kurzer Blick von der Aussichtsplattform in Richtung Reuss, bevor wir in der Hoffnung auf Ruhe ins Innere der Kapelle fliehen. Die Sicht: fantastisch. Wenn man das Flachland mag. Kulturland, Wald und Höfe wechseln sich ab. Absolute Idylle.

Endlich Ruhe

In der Kirche – man hört den Telefonierenden trotz geschlossener Tür – sitzt ein Ehepaar. Andrea Fischbacher hat empfohlen, sich vor den Altar zu stellen. Da sei die Kraft am besten spürbar. Das Paar geht, der Altarraum ruft.

Beim Altar vorne sei die Kraft besonders gut zu spüren. (Bild: wia)

Die Atmosphäre im Innenraum der Kapelle ist angenehm. Es ist hell und riecht nach Kerzenwachs und Weihrauch. Das Gefühl durchaus positiv. Handkehrum: Fühlt sich eine leere Kirche nicht immer gut an? Das Gefühl von Ruhe nach einem hektischen Tag. Zeit, zur Ruhe zu kommen.

Vielleicht aber verhindern auch einfach die lauten Seeed-Fans draussen das ultimative Kräfteerlebnis.

Alles wird ganz schwer

Weiter geht’s zur Kirche St. Verena in Risch. Auch diese liegt an einem schönen Ort, über dem Zugersee mit Blick auf die grüne Weide und die angelegten Boote. Um die Kirche herum liegen Gräber, ein grosser Nadelbaum steht auf dem Kirchenplatz. Diesen steuern wir an, setzen uns auf die Bank davor. Ein kalter Schauer läuft uns den Rücken herunter. Wegen der plötzlichen Kälte vermutlich. Oder? Und dann kommt die Schwere. Müdigkeit holt uns ein, das Bedürfnis, gleich hier und jetzt einzuschlafen.

Die Kirche St. Verena in Risch ist ebenfalls ein Kraftort. Besonders unter dem grossen Baum.

Die rationale Erklärung dafür: Der Tag geht bald zu Ende, der Alltagsdruck nimmt ab. Das Hirn hat nun die Gelegenheit, einen Gang runterzuschalten. Einschlafen ist keine Alternative. Nicht zuletzt, weil es plötzlich zu regnen beginnt. Raus aus der wohligen Schwere, weg von der Bank. Ja, auch hier ist das Gefühl ein gutes. Doch: Ist das Gefühl nicht immer gut, wenn man unter einem grossen, alten Baum sitzt?

In der Kirche selber ist es still. So still, dass man das Blut in den Ohren rauschen hört. Und friedlich. Durchaus ein Ort, wo man gern zur Ruhe kommt.

Die Aussicht von der Kirche St.Verena. Absolut annehmbar. (Bild: wia)

Haben wir die Nebenwirkungen abbekommen?

Die Fahrt im Auto zurück ist entspannt. Gleichzeitig setzen Kopfschmerzen ein. Die nicht sehr vertrauenswürdige Website zum Thema Kraftorte hatte uns zuvor davor gewarnt, dass gewisse Menschen mit «Unwohlsein wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Herzrasen» auf Kraftorte reagieren.

Kraftorte bei Kirchen: Kein Zufall
Es sei häufig so, dass an Kraftorten christliche Symbole oder Gebäude stünden, erklärt Andrea Fischbacher von der Forschungsstelle für Kraftorte. «Diese Orte wurden zwar auch kultisch von Vorgängern der Christen genutzt. Doch haben letztere diese Plätze mit ihrer Religion besetzt, etwa indem sie dort Kirchen gebaut haben. Das ist letztlich eine rein gesellschaftspolitische Angelegenheit», erklärt die Religionswissenschafterin.

Ein Zeichen der Erde, der Kräfte und der Energien? Da wäre eine Wunderheilung, etwa ein nicht mehr schmerzender Fussknöchel, deutlich sympathischer gewesen.

Den dritten Ort sparen wir uns darum für den kommenden Morgen auf.

Das Wasser ganz weich? Jedenfalls gut

Der Kopf brummt auch am nächsten Tag etwas, als wir das Auto die mäandrierende Strecke in Richtung Zugerberg hinauffahren. Die Verenakapelle liegt über dem Zuger Rötel und ist eine äusserst beliebte Hochzeitskapelle. Kein Wunder, finden wir, als wir uns umschauen. Die Kapelle ist umgeben von Wiesen. Gleich nebenan weiden Kühe, dahinter reicht die Aussicht bis hinunter ins Tal, nach Baar und ins Säuliamt.

Ob sich Paare, die hier geheiratet haben, seltener scheiden lassen? (Bild: wia)

Der Auftrag: Aus dem gegenüberliegenden Brunnen trinken. Es handelt sich gemäss Andrea Fischbacher um Heilwasser und sei ganz weich. Ob es weich ist, kann nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden. Gut ist es auf jeden Fall. Hier, beim Brunnen vor dem Bruderhaus, verweilen wir einen Moment, auch hier ist es sehr friedlich.

Immer wieder riecht es nach Fuchs. Er schlich wohl vor nicht allzu langer Zeit durch die Wiese.

Ein Skeptiker kreuzt auf

Weg vom Gebimmel der Kuhglocken, dem Plätschern des Wassers. In der Kapelle ist es hell. Sie ist unerwartet hoch. Man bekommt Lust zu singen. Doch schon nähern sich Menschen, eine Gruppe älterer Leute tritt herein, ein Herr erklärt den Mitreisenden laut, wie diese Kapelle entstanden ist und was es mit dieser Verena auf sich hat. Als wir ihn fragen, ob er sich auskenne, verneint er. Er habe bloss gelesen, was vorne auf der Tafel steht. Auf die Aussage, dass es sich hierbei um einen Kraftort handle, guckt er skeptisch.

Aus diesem Brunnen soll man trinken. Es handle sich um Heilwasser. (Bild: wia)

«Wir Menschen machen etwas zu einem Kraftort. Mehr steckt nicht dahinter. Das passiert alles hier oben», sagt er, und tippt sich an die Stirn. Eine ältere Frau antwortet, dass sie durchaus glaube, dass es Orte mit einer grösseren Energie gäbe. Sie wird nicht gehört.

Weg von der Privattour, noch ein letzter Schluck vom Heilwasser. Doch, doch, auch dieser Ort fühlt sich gut an. Wobei. Fühlt es sich nicht immer gut an, umgeben von Wiesen und Kühen zu sein und eine solche Aussicht vor sich zu haben?

Kurze Zeit später ist das Kopfweh weg. Wars der Kaffee oder doch das heilende Wasser?

Die Aussicht bei der Verenakapelle ist gut. Die Kühe scheinen glücklich. (Bild: wia)
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