Am Abend der offenen Tür wurden Gäste unter anderem mit ukrainischen Speisen der Bewohnerinnen beglückt. (Bild: wia)
Die Asylunterkunft Maria vom Berg in Menzingen wurde Mitte Dezember in Betrieb genommen. Am Dienstagabend konnten Interessierte die Anlage besichtigen. Die Besucher wurden von einem regelrechten Festessen überrascht.
Die Asylunterkunft im Haus Maria vom Berg in Menzingen war umstritten. Im vergangenen Herbst lancierte die SVP eine Petition gegen die Pläne des Kantons (zentralplus berichtete). Rund 800 Personen sollen diese gemäss SVP unterschrieben haben. Tatsächlich spürte man bei vorgängigen öffentlichen Anlässen rund um die neue Asylunterkunft bei Teilen der Bevölkerung eine grosse Skepsis. Insbesondere fürchteten diese um die Sicherheit der Einwohner und der Schülerinnen, die gleich nebenan das Gymnasium besuchen. Allem Widerstand zum Trotz wurde die Unterkunft, die 100 Asylbewerbern während zwei Jahren ein Obdach bieten wird, am 11. Dezember eröffnet.
Nun, rund einen Monat später, sind 99 der Plätze belegt. Dies vor allem durch Personen, die davor in der Durchgangsstation im ehemaligen Kantonsspital Zug untergebracht waren. Damit sich die Bevölkerung ein Bild des Hauses Maria vom Berg machen konnte, das bis vergangenen Sommer den Schwestern vom Heiligen Kreuz als Pflegeheim diente, luden die Behörden zu einem Abend der offenen Tür.
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Kaum war diese offen, wurde sogleich klar, dass die Zeiten des Altersheims vorbei sind. Im grossen Haus duftete es nach orientalischen Gewürzen, in den Gängen wimmelte es nicht nur von Besucherinnen, sondern auch von Kindern, jungen Frauen und Herren, die sich mit dampfenden Kochtöpfen in Richtung Aula begaben.
Von Eritrea bis Syrien
In kleinen Gruppen wurden die Gäste durch die Gänge des grossen Gebäudes geschleust, in denen die Asylsuchenden eine vorläufige Bleibe gefunden haben. Es sind Menschen aus der Ukraine, Afghanistan, Syrien, Türkei, Iran, Irak, Kolumbien, Argentinien, Georgien, Eritrea, Kamerun und Guinea, die hier aktuell leben. Darunter 2 Säuglinge, 2 Kindergartenkinder, 7 Kleinkinder, 9 Schüler, 3 Jugendliche, 57 Erwachsene und 8 Senioren. Dass also vorwiegend Familien in Menzingen Einzug hielten, vermochte einige der Besucherinnen sichtlich zu beruhigen.
Die Tour durchs Haus führte zunächst durch die grosse Küche, in der die Bewohner ihre Mahlzeiten selbst kochen. Weiter gings zum Spielzimmer, in dem insbesondere Vorschulkinder beschäftigt werden können. Ältere Schüler besuchen den normalen Schulunterricht.
Ob denn auch unbegleitete Jugendliche unter den Bewohnern seien, fragte eine ängstlich wirkende Dame. Der Angestellte der Sozialen Dienste Asyl, der den Rundgang leitete, verneinte dies. Diese bedürfen einer besonderen Betreuung (zentralplus berichtete).
Dass die neue Asylunterkunft nach wie vor gemischte Gefühle auslöst, war auch an diesem Abend offensichtlich: «Werden hier auch Drogen konsumiert?» «Lernen denn die Bewohner gar kein Deutsch?» «Bei so vielen Leuten gibt es sicher auch viele Konflikte, oder?»
Sicherheitsfirma kann bisher nur Positives vermelden
Die bisherigen Erfahrungen der beauftragten Sicherheitsfirma BSD dürften die Ängste etwas lindern. Der Geschäftsführer Reto Blesinger äusserte sich wie folgt dazu: «Bis jetzt hatten wir praktisch nur mit der Bevölkerung zu tun, die mit Fragen an uns gelangte.» Und weiter: «Gerade eben ist ein Mann auf mich zugekommen, den ich bereits kannte, da er anfänglich grosse Bedenken hatte. Ich habe ihn gefragt, ob er seit der Eröffnung des Asylzentrums etwas Negatives bemerkt habe. Seine Antwort war Nein. Das ist für mich das schönste Kompliment.»
Blesinger gibt dennoch zu bedenken: «Das wird sich vermutlich noch ändern. Wenn die Temperaturen steigen, werden sich mehr Bewohner der Unterkunft draussen aufhalten. Doch habe ich nicht das Gefühl, dass wir bei diesen Menschen mit Alkoholexzessen rechnen müssen.»
Neben den ängstlichen Gästen gab es am Dienstagabend jedoch auch andere. Neugierige oder aber solche, die das Haus Maria vom Berg aus eigener Erfahrung kennen. Darunter auch einige Nonnen, die selbst früher in diesen Räumen lebten. «Oh ja, diese Treppen bin ich viele Male hoch- und wieder runtergelaufen», stellte etwa eine ältere Ordensschwester sachlich fest, während sie sich am Handlauf festhielt, um die nächste Etage zu erklimmen. Sie nickt in Richtung der Fenster und sagt: «Und hier haben wir immer wieder gelästert, wenn die Fenster nicht sauber waren.»
Willkommen in der Schweiz, im Land der Waschpläne
Neben zwei blitzblanken Waschküchen mit typisch schweizerischem Waschplan gibt es im Gebäude auch Lernzimmer, in denen sich die Bewohner zurückziehen können, sowie einen grossen Esssaal. «Wir möchten, dass die Mahlzeiten hier eingenommen werden, in der Gemeinschaft. Es geht dabei auch darum, eine Atmosphäre und einen gewissen Zusammenhalt zu schaffen.»
Gerade entsteht weiter ein Nähzimmer. «Drei der Bewohnerinnen sind gelernte Schneiderinnen. Hier haben sie die Gelegenheit, ihrer Tätigkeit nachzugehen», erklärte der Kantonsangestellte. Auch eine Turnhalle existiert, in die sich mehrere Kinder an diesem Abend zum Fussballspielen zurückzogen. Durchaus verständlich, wimmelte es im Haus doch nur so von fremden Gesichtern.
Weiter gings die Treppen hinauf, wo die Besuchenden die Möglichkeit hatten, einen Blick in zwei der Schlafräume zu werfen. In der Unterkunft Maria vom Berg versuchen die Verantwortlichen, Familien jeweils in einem Zimmer unterzubringen. Ist diese gross, werden die einzelnen Betten durch Kajütenbetten ersetzt. «Da hinten war früher mein Zimmer», sagte eine andere Schwester und wies in eine Ecke, während sie sehr zielstrebig durch das Gebäude ging, das einst ihr Zuhause war.
Von wegen Apero
Eine ganz besondere Atmosphäre erwartete die Gäste im letzten der Räume. Im Musiksaal offerierten die Bewohner der Asylunterkunft den Besucherinnen einen Apero, der sich als gewaltige Untertreibung entpuppte. Afghanische Reisgerichte und Süssigkeiten, ukrainisches Teiggebäck, gefüllte Pfannkuchen und Schokoladendesserts mit kleinen Glücksnachrichten, kurdische Kräpfchen und Fleischpasteten sowie georgische Köstlichkeiten wurden mit viel Stolz von ihren entsprechenden Landsleuten präsentiert.
Die Gäste liessen sich nicht zweimal bitten und genossen die liebevoll zubereiteten Speisen mit Wonne. Dabei entstanden immer wieder Gespräche, man setzte sich zusammen an einen Tisch und unterhielt sich. Auf Deutsch oder mit Händen und Füssen.
Auf die Frage, ob sie gern hier lebe, äusserte sich eine junge kurdische Frau in sehr gutem Deutsch wie folgt: «Ich habe zuvor mit meiner Familie im alten Kantonsspital gewohnt und bin nun sehr glücklich, hier zu sein. Es ist hier für mich sehr viel angenehmer, weil es kaum alleinstehende Männer gibt, die unangenehm werden können.»
Die 21-Jährige flüchtete vor zwei Jahren mit ihrer Familie aus der Türkei und hofft darauf, in der Schweiz eine gute Ausbildung machen zu können. «Ich würde sehr gern Finanzwirtschaft studieren. Doch dafür muss mein Deutsch noch besser werden.» Ihre 17-jährige Schwester hingegen würde gern das KV absolvieren. «Mit dem N-Ausweis ist es jedoch sehr schwierig, eine Lehrstelle zu bekommen», äussert sich die Jugendliche. Sie müssen wohl abwarten, bis ein definitiver Asylentscheid gefällt wird.
Journalistin und langjährige Autorin bei zentralplus. Schreibt über politische Querelen, aufregende Bauprojekte und gesellschaftlich Bewegendes. Am liebsten jedoch schreibt sie über Menschen. Und natürlich Hunde.