«Regenbogenfamilie» aus Ruswil

«Eigentlich sind wir ziemlich bünzlig»

Prisca, Andrea und ihre Tochter Malea (v.l.) beim gemeinsamen Zubereiten des Mittagessens. (Bild: jav)

Prisca und Andrea sind schon ihr halbes Leben ein Paar. Vor kurzem haben die beiden Luzernerinnen nun auch eine Familie gegründet – eine Familie mit zwei Müttern und einer Tochter. Bei einem Besuch in Ruswil erzählen die beiden, wie sie zu ihrer Tochter kamen und wie sie als gleichgeschlechtliches Elternpaar im ländlichen Luzern zurecht kommen.

Das gehe doch gar nicht. «Das ist gar nicht möglich.» Das könne nicht sein. So hatten ihre Schüler auf die Nachricht reagiert, als sie erfuhren, dass ihre Lehrerin Prisca ein Kind erwarte. Denn die Schüler von Prisca und ihrer Partnerin Andrea wissen Bescheid, dass ihre Lehrerinnen lesbisch sind.

Andreas Mutter habe sich sehr gefreut, erzählen die beiden Frauen. «Als ich ihr damals von mir und Prisca erzählte, war ihre grösste Sorge, dass ich nun niemals Kinder haben würde. Sie weiss, dass ich immer Mutter werden wollte.» Doch sie habe ihrer Mutter schon damals gesagt, es gäbe dann bestimmt eine Möglichkeit. Die 35-Jährige lächelt und schaut rüber zu ihrer Tochter Malea, die an ihrer Spielküche hantiert. Malea ist jetzt 20 Monate alt.

Wir sitzen im warmen Wohnzimmer der neu ausgebauten Dachwohnung eines Bauernhauses. Prisca ist hier aufgewachsen. Es gibt Kaffee und Spitzbuben, draussen liegt Schnee und vom Fenster aus sieht man auf den kleinen See neben dem Haus. Die Stimmung ist locker, es wird viel gescherzt und gelacht. Schnell merkt man, dass diese, auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Familie doch viel normaler ist, als so einige mit gewöhnlichen Familienkonstellationen.

Wer soll der Vater sein?

Kennengelernt haben sich ihre beiden Mütter, Andrea und Prisca, im Lehrerseminar in Hitzkirch. Seit 1998 sind sie ein Paar. «Ein halbes Leben», lacht Andrea. 2002 sind die beiden Frauen dann zusammengezogen und leben seit 2011 in einer eingetragenen Partnerschaft. Dass sie Kinder haben wollten, war nicht von Beginn an klar. «Auf einer gemeinsamen Australienreise haben wir begonnen, uns ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen», erzählt Prisca. Sie hätten daraufhin viele Informationen gesammelt und alle Möglichkeiten besprochen.

«Sollten wir sagen: Wir wollen ein Kind von dir?»
Prisca Müller

Für Familie und Freunde war es keine Überraschung, als Prisca dann schwanger war. «Wir sind offen mit unserem Wunsch umgegangen und haben unsere Pläne auch mit unseren Freunden geteilt.» Doch wie kamen sie überhaupt zum Vater? Es sei eigentlich fast nur ein schwuler Mann in Frage gekommen, erklärt Andrea. Ein Mann, der sich ein Kind wünscht, aber unter normalen Umständen keines bekommen könnte.

Zuerst hätten sie im Netz nach einem Kandidaten gesucht, einige Nachrichten hin und her geschrieben, aber es habe sich nie richtig angefühlt. Zu einem gewissen Zeitpunkt seien jedesmal Zweifel entstanden. Schliesslich kamen sie auf einen ehemaligen Arbeitskollegen von Andrea zu sprechen. «Aber was soll man tun? Sollten wir einfach hingehen und sagen: Wir wollen ein Kind von dir?», sagt Prisca. Die beiden lachen.

Rechtliche Problematik

Schliesslich seien sie mit ihrem Wunschkandidaten doch ins Gespräch gekommen und hätten in vielen Gesprächen die Grundlage geschaffen, um eine Familie zu gründen. Beide Frauen arbeiten nun in einem 60-Prozent-Pensum als Primarlehrerinnen. Minimum einen Tag pro Woche kümmert sich der Vater um Malea und einen halben Tag die Grossmutter, die im selben Haus wohnt.

Offiziell sind nun der leibliche Vater und Prisca, die leibliche Mutter, in der Geburtsurkunde von Malea als Eltern eingetragen. Mit einem befreundeten Anwalt haben die drei jedoch abgeklärt, welche Vereinbarungen zu treffen sind, damit Andrea sich weiterhin um Malea kümmern könnte, falls Prisca etwas passieren sollte. Diese Vereinbarung ist zwar nicht rechtsgültig, zeigt jedoch den Willen aller Beteiligten.

Da Maleas Vater die Vaterschaft anerkannt hat, wird für Andrea die Stiefkindadoption nie ein Thema sein. Trotzdem fände sie wichtig, das diese sobald wie möglich auch für Paare in eingetragenen Partnerschaften offenstehe (zentral+ berichtet).

Sie haben bisher fünf Treffen für Regenbogenfamilien in Sursee organisiert. Bisher jedoch nur mit weiblichen Teilnehmern. «Männerpaare mit Kindern kennen wir persönlich noch keine.» Für sie beide sei der Austausch mit anderen Regenbogenfamilien eine grosse Bereicherung. Und Malea erlebe dort, dass auch andere Kinder mit zwei Müttern oder Vätern aufwachsen.

Mami und Mama

Malea bringt Kaffee von der Spielküche an den Tisch. Mit Knoblauch für den Gast und Cervelat als Zugabe im Becher für Mama. «Ich bin Mama und Andrea ist Mami», erklärt Prisca. Die 37-Jährige ergänzt: «Doch Malea kann bisher nur Mama sagen.» Sie hätten jedoch vor kurzem herausgefunden, dass Malea zu Prisca «Mama» tiefer sagt, und zu Andrea ein paar Töne höher.

Maleas Lieblingsthema momentan sei, wer ein Mann und wer eine Frau sei. Die Mütter starten ein kleines Spiel: «Was ist Mami? Frau. Was ist Mama? Frau. Was ist Papi? Mann. Was ist Grosspapi? Frau.» Gelächter am Tisch. 

«Wir schauen, dass Malea ein starkes Mädchen wird.»
Prisca Müller

Malea war das erste Grosskind in Andreas Familie, mittlerweile ist das zweite da – Andreas Schwester hat eine Tochter bekommen. Für ihre Eltern seien beide Grosskinder gleich wichtig, auch wenn zwischen ihnen und Malea keine eigentliche Verwandtschaft bestehe. «Es passiert schon ab und zu, dass vergessen wird, dass Andrea und Malea nicht blutsverwandt sind», sagt Prisca. So werde Andrea auch mal gefragt, ob Malea die vielen Haare oder auch die Augenfarbe wohl von ihr geerbt habe.

Regenbogenfamilie im Kaff

«Wir leisten schon auch einiges an Aufklärungsarbeit. Auch an den Schulen, an welchen wir arbeiten. Nur schon dadurch, dass wir offen alle Fragen beantworten», so Prisca. Die kleine Familie ist vor knapp einem Jahr von Sursee nach Ruswil gezogen. Ist es nicht schwierig in einem ländlichen Gebiet als lesbisches Paar mit Kind? «Natürlich ist es ländlich, aber die Leute sind sehr offen», erklärt Andrea. Man dürfe sich auch nicht zu viele Gedanken machen — gerade was zum Beispiel Hänseleien in der Schule angehen. «Kinder finden etwas zum Auslachen, wenn sie wollen: Ob Malea schliesslich die falsche Nase oder zwei Mütter hat, wäre dann wohl egal», findet Prisca und ergänzt: «Wir schauen, dass Malea ein starkes Mädchen wird.»

«Ausserdem versuchen wir im Dorf als Familie sichtbar zu sein», erzählt Prisca. Wenn Malea in die Spielgruppe komme, würden sie dadurch auch schon viele Eltern und Kinder kennen. «Ich denke, solange wir selbstverständlich damit umgehen, tun das auch die anderen Leute.» Und sie hätten ja als Paar und als Familie grundsätzlich dieselben Probleme wie alle anderen normalen Familien. «Eigentlich sind wir ziemlich bünzlig», lacht Andrea.

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