Stadt hat Projekt gestartet

Drogensexarbeit: Braucht Luzern einen weiteren Strich?

Sorgt sich um die Situation von Suchtbetroffenen, die punktuell anschaffen: Sozialarbeiterin Olivia Allemann von der Gassenarbeit Luzern. (Bild: ida)

Es gibt Menschen, die Sex gegen Geld anbieten, um sich davon Drogen zu kaufen. Auch in Luzern. Doch die momentane Situation ist für Betroffene nicht ungefährlich, warnt eine Gassenarbeiterin. Auch die Stadt hat das Problem erkannt.

Mit dem Strassenstrich im Luzerner Ibach ist niemand wirklich so zufrieden. Immer wieder wird bemängelt: Der Strassenstrich ist zu abgelegen – und deswegen für Sexarbeiter zu gefährlich (zentralplus berichtete).

Menschen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten, um sich mit dem Geld Drogen zu beschaffen, suchen Orte auf, die noch ungeschützter sind als der Strassenstrich Ibach. Dabei ist es ein Fakt: «Für einige sucht- und armutsbetroffene Menschen ist es eine Realität, dass sie punktuell einer Sexarbeit nachgehen, um sich den Konsum gewisser Substanzen finanzieren zu können.» Das erklärt Olivia Allemann. Sie ist Sozialarbeiterin beim Verein kirchliche Gassenarbeit.

Der Weg zu den Drogen muss nahe sein

Warum suchen Betroffene andere Orte auf? Zum einen, weil der Strassenstrich zu abgelegen sei und man auch nicht mit dem öV dahin komme, führt Allemann aus. Das setze voraus, dass man Geld für ein Taxi habe, was beim Klientel der Gassenarbeit nicht realistisch sei.

«Betroffene bieten sexuelle Dienstleistungen eher an versteckten Orten an. Wie im Bereich Kreuzstutz, wo es an sozialer Kontrolle fehlt. Das ist sehr gefährlich.»

Olivia Allemann, Gassenarbeit Luzern

«Zudem ist es weit weg von der Szene – wer anschafft, um sich damit Substanzen zu beschaffen, der oder die will das Geld auch schnell dafür einsetzen. Und das ist in der Stadt nun mal der Fall. Deswegen bieten sie sexuelle Dienstleistungen eher an versteckten Orten an. Wie im Bereich Kreuzstutz, wo es an sozialer Kontrolle fehlt.» Und sie fügt an: «Das ist sehr gefährlich.»

Sexarbeit findet im Versteckten statt

Dass sich Sexarbeiterinnen immer einem gewissen Risiko aussetzen, ist klar. Sex gegen Geld ist ein Geschäft, dass nicht in der Öffentlichkeit stattfindet. Sondern in Seitengassen, auf einem abgelegenen Parkplatz, im Versteckten. Steigen Sexarbeiter in ein Auto ein, dann sitzen sie logischerweise nicht selbst am Steuer und haben keine Kontrolle darüber, wohin es geht.

«Als Gassenarbeiterin weiss ich von Männern, die zu ihren Kunden nach Hause gehen», erzählt Allemann. «Wenn sie dann natürlich in einer fremden Wohnung stehen, deren Schlüssel sie nicht haben, sind sie effektiv einem Risiko ausgeliefert.» Schon mehrere gefährliche Situationen seien an die Gassenarbeit herangetragen worden.

Gassenarbeit Luzern rückt Situation schon länger in den Fokus

Das Thema Sexarbeit und Sucht beschäftigt die Gassenarbeiterinnen in Luzern seit längerer Zeit. Dies vor allem, seit vor einigen Jahren ein gewalttätiger Freier mehrere Frauen misshandelt und eine Klientin der Gassenarbeit zusammengeschlagen hat. Damals involvierte man auch die Polizei.

Die Gassenarbeit Luzern richtet sich aktuell auch mithilfe eines Plakats an Sexarbeiter auf der Gasse, um sie für die Gefahren zu sensibilisieren. Damit machen sie unter anderem auf die Safer-Sex-Regeln aufmerksam – und dass die Betriebe der Gassenarbeit auch gratis Kondome abgeben. Dass man sich selber schützen solle – und beispielsweise auch eine anonyme Freierwarnung in der Gassechuchi machen könne. Ein Angebot, das bis anhin nicht genutzt wurde, wie Allemann sagt. Daraus lässt sich ihrer Meinung nach aber nicht schliessen, dass die momentane Situation ungefährlich sei.

«Unseres Klientel geht zum einen nicht regelmässig der Sexarbeit nach – sondern nur dann, wenn es notwendig ist.» Das heisst, dass sie nicht wie Menschen, die der Sexarbeit beruflich nachgehen, den Verdienst für Fixkosten wie Miete und Krankenkasse benötigen – sondern wirklich für Drogen. «Sie stehen deshalb nochmals unter einem ganz anderen Druck – nämlich dem Beschaffungs- und Suchtdruck – und wollen vermutlich ihre Quellen nicht verlieren.»

Und auch die Stadt nimmt sich dem Thema an

Auch die Stadt Luzern hat das Problem erkannt. Im letzten Sicherheitsbericht aus dem Jahr 2019 war die Situation von anschaffenden Drogenabhängigen ein Thema. Darin steht, dass im Bereich Kreuzstutz einige wenige Sexarbeiterinnen der «Drogensexarbeit» nachgehen. Gemäss dem städtischen Reglement über die Strassenprostitution liegt dieses Gebiet innerhalb der Sperrzone. Deswegen kontrolliert die Polizei Sexarbeiterinnen und Freier regelmässig.

«Die Stadt weiss relativ wenig über die Situation der Beschaffungsprostitution (Drogenprostitution).»

Christian Wandeler, Sicherheitsmanager

Hielten sich diese nicht an das Reglement, melde die Polizei dies der Stadt. Diese erhebe dann Anzeige. «Da sich drogenkonsumierende Sexarbeitende aufgrund ihrer Notlage durch Verzeigungen und Bussen nicht abschrecken lassen, sie aber im Gebiet Ibach von den Strassensexarbeitenden nicht geduldet werden, haben Verzeigungen kaum Einfluss auf die Situation», heisst es im Sicherheitsbericht.

Deswegen hat die Stadt als Massnahme festgehalten: Sie will ein Projekt anstossen «für die Unterstützung von drogenabhängigen Sexarbeitenden». Dies in Zusammenarbeit mit dem Verein kirchliche Gassenarbeit und dem Verein Lisa, der sich in Luzern für die Interessen von Sexarbeitenden einsetzt.

Das Projekt steht (noch) am Anfang

Das Projekt steht noch am Anfang, sagt Sicherheitsmanager Christian Wandeler auf Anfrage. Die Stadt hat die Hochschule Luzern mit einer Studie beauftragt. Aktuell würden HSLU-Studentinnen Interviews mit betroffenen Personen und mit beteiligten Organisationen wie der SIP und der Gassenchuchi durchführen. Daraus wollen sie die Massnahmen ableiten.

«Die Stadt weiss relativ wenig über die Situation der Beschaffungsprostitution (Drogenprostitution) und hofft, durch das Projekt einen genaueren Einblick zu erhalten», so Wandeler weiter.

Allemann zeigt sich erleichtert, dass die Stadt hinschaut. «Es ist extrem wichtig, dass es für Suchtbetroffene einen Ort gibt, an dem sie legal und unter einem bestimmten Mass an sozialer Kontrolle ihre sexuellen Dienstleistungen anbieten können.»

Die Ergebnisse der HSLU sollten Anfang des nächsten Jahres vorliegen. Damit erhofft sich die Stadt auch Antworten darauf, ob sie vermehrt ein Augenmerk auf anschaffende Suchtbetroffene richten muss.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von MatMe
    MatMe, 31.07.2022, 11:26 Uhr

    Ach, neue Erkenntnisse? Es wird nun schon seit Jahrzehnten darüber diskutiert und Lösungen sind noch immer nicht in Sicht. Die Politik, auch die Linken, sind sich nicht einig, was der richtige Ansatz wäre. Deshalb bleibt’s wohl ein Status Quo.

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  • Profilfoto von Paul Ottiger
    Paul Ottiger, 31.07.2022, 07:42 Uhr

    Die Frauen werden durch die Drogensucht in die Prostitution gezwungen. Die Kirche und der Staat wissen nichts besseres als den Frauen quasi «ein Bett hinzustellen» damit sie es ein bisschen bequemer haben. Die Freier die dies ausnützten und sich schnell einen Blowjop für einen 5er holen danken. Damit ist nur das Gewissen der Allgemeinheit beruhigt aber sicher nicht den Frauen geholfen. Diese «Hilfe» ist zuhälterei.

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  • Profilfoto von Anita Gehrig
    Anita Gehrig, 29.07.2022, 22:18 Uhr

    Es nützt nichts, es wird zuviel geholfen.

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