Zentralschweizer Wander-App im Test

Dreidimensional auf Wanderschaft

Mit gezücktem Handy auf Wanderschaft: Eine neue 3D-App unterstützt unterwegs die Orientierung – zumindest solange die Batterie des Smartphones reicht. (Bild: Fabian Duss)

Eine 3D-App unterstützt neuerdings Wanderer in der Zentralschweiz. Das Smartphone ersetzt Karte, Kompass und GPS und sorgt für perfekte Orientierung, sagen die Hersteller. zentral+ hat die App getestet und wanderte dazu vom Eigenthal aufs Tomlishorn.

«Besser planen und mehr erleben», versprechen die 3D Outdoor Guides und liefern eine App, die «dein Smartphone in ein vollwertiges GPS-Gerät mit integriertem Wanderführer» verwandelt. Im Juli hat das Münchner Unternehmen sein Angebot für die Schweiz um sieben 3D-Karten erweitert, darunter eine für die Region Vierwaldstättersee. Pilatus, Rigi, Zugerberg, Mythen, Stanserhorn und weitere Zentralschweizer Berge lassen sich damit bewandern. Für einfache Strecken sind bereits Routen erfasst. Doch was taugt die App tatsächlich?

Lange Route mit hoher Auflösung

«Das Erlebnis», so die Outdoor Guides, «beginnt bereits bei der Tourenplanung». So auch unser Test. Vom Eigenthal soll es über den Heitertannliweg aufs Klimsenhorn, von dort auf dem Alten Tomliweg aufs Tomlishorn und über den Widderfeld zur Oberalp und zurück ins Eigenthal gehen. Eine eher lange Tour auf unterschiedlichen Wegen, durch Wald, steile Hänge und stotzige Felswände. Mit zwei Fingern drehe ich mir auf dem Iphone4 den Pilatus zurecht, zoome näher heran, um genau zu sehen, wo ich vom Heitertannliweg hinüber zum Chastelendossen abzweigen muss. Während ich mir die Tour im Detail ansehe, lädt die App die höchste Kartenauflösung in den Speicher, was mir unterwegs entgegenkommen soll.

Mit aufgeladenem Smartphone, belegten Sandwiches und gefülltem Wasserbeutel im Gepäck fahre ich ins Eigenthal. Für alle Fälle sind auch mein antiker Nokia-Knochen und die 25’000er-Karte im Rucksack, die Uhr mit integriertem Kompass und Höhenmesser am Handgelenk. «Position found», meldet die App, als ich um 6.40 Uhr im Eigenthalerhof aus dem Postauto steige. Die Aufzeichnung meines Tracks beginnt, ich marschiere los. Auf dem Weg begegne ich der Schweizer Armee, frühstückenden Schafen und einem Reh. Am Pilatus hängen ein paar orientierungslose Wolkenfetzen, die sich bald auflösen.

Keine Ortung im Wald

Um 7 Uhr erreiche ich den Chräigütsch. Dieser Meinung ist auch die 3D-App. Auf dem Bildschirm erkenne ich, dass es geradeaus weiter auf den Höchberg geht. Unterwegs teste ich, ob mich die App auch im dichten Wald findet. Das tut sie, doch finde ich den gelben Punkt auf dem Bildschirm inmitten der Bäume nicht. Nicht von ungefähr raten die App-Entwickler, in Ortschaften oder im Wald auf die 2D-Karte zu wechseln. Um 7.48 Uhr erreiche ich die Lauelenegg. In einer Stunde und vier Minuten habe ich 4,26 Kilometer zurückgelegt, bin 466 Meter auf- und 138 Meter abgestiegen.

Was mich an diesem schönen Sommermorgen aber mehr interessiert als all diese Zahlen ist die schöne Umgebung – und wo es weitergeht. Die App lokalisiert mich zwar, doch auf der 3D-Karte sehe ich den zurückgelegten Weg statt den bevorstehenden Aufstieg zum Pilatus. Ein Phänomen, das auch von GPS-Geräten bekannt ist: Bleibt man stehen, kann die richtige Perspektive nicht berechnet werden. Es liegt deshalb an mir, der Karte die korrekte Ausrichtung zu geben. Für mich kein Problem, doch wie steht es um jene Wanderer, an deren Orientierungsschwierigkeiten sich die 3D-App unter anderem richtet? Und was ist bei schlechter Sicht?

Pause mit Steinböcken bei halbem Akkustand

Nun geht es auf dem Heitertannliweg stotzig in die Höhe. Ich konzentriere mich lieber auf den Weg, als auf den Smartphone-Bildschirm. Nachdem ich am Wegesrand zwei Steinböcke gegrüsst und das Klimsenhorn bestiegen habe, gönne ich mir bei der Klimsenkapelle das Znüni. Mehr als die Hälfte des Aufstiegs zum Tomlishorn liegt hinter mir, doch ob es auch das Smartphone bis auf den höchsten Gipfel der Pilatuskette schafft? Obschon ich die Energiespartipps der Hersteller beherzigt habe, ist der Akkustand bereits auf die Hälfte geschrumpft.

Um 9.30 Uhr stehe ich auf dem Chastelendossen und lasse mich orten. Ich bin seit knapp drei Stunden unterwegs. Zum Tomlishorn fehlen noch 250 Höhenmeter. «Low battery», meldet das Smartphone – und der Bildschirm wird schwarz. Damit stirbt auch die Möglichkeit, bei einem Unfall die Rega anzurufen. Bald erreiche ich auf dem Alten Tomliweg das Tomlishorn, kurz darauf den Widderfeld.

Aufzeichnung bleibt verloren

Im Abstieg vom Widderfeld gelingt es mir, das Gerät neu zu starten. Die App findet mich auf der Karte, doch die Aufzeichnung des Tracks zwischen Chastelendossen und Widderfeld fehlt. Länger fummle ich nicht herum, denn bereits werde ich an den dürftigen Batteriestand erinnert. Auf dem Rückweg ins Eigenthal bleibt das Smartphone im Rucksack, zeichnet aber meinen Abstieg auf. Zu Hause lade ich mir den 3D RealityMaps Viewer herunter und schaue mir die Tour nochmals auf dem Laptop an. Auf der 3D-Karte über die Gipfel zu schweben und sich die Berge aus allen möglichen Perspektiven anzusehen hat etwas Faszinierendes. Man könnte Stunden damit verbringen.

Fazit: Brauchbares Hilfsmittel, aber mehr nicht

Nach einigen weiteren, kürzeren Tests steht mein Fazit fest. Die App überzeugt grafisch und mag als gutes Hilfsmittel dienen, mehr aber nicht. Outdoor Guides-Mediensprecherin Iris Haberkorn stellt primär die Vorzüge der App gegenüber herkömmlichen GPS-Geräten in den Vordergrund. «Mittels WLAN können Sie sich auch im Urlaub beliebige Karten dazukaufen», fügt sie an und sagt, die 3D-Karten eigneten sich für eine besonders sichere Planung, weil steiles Gelände, Schwierigkeiten oder nicht eingezeichnete Wege auf diese Weise beurteilt werden können.

Die Hersteller schreiben zudem, dass sich damit objektive Gefahren wie steinschlag- oder lawinengefährdete Bereiche besser erkennen liessen. Das klingt schön und gut, ist im konkreten Fall aber oft komplexer. Um etwa die Lawinengefahr beurteilen zu können, benötigt man Angaben zur Hangsteilheit. Und die liest man immer noch am besten aus herkömmlichen 2D-Skitourenkarten. Um Schwierigkeiten wie etwa den ausgesetzten Alten Tomliweg genau einschätzen zu können, bräuchte es wiederum eine Detailansicht, die auch die dreidimensionale Karte nicht bieten kann. Mit Fotos ergänzte Berichte auf einschlägigen Bergsportportalen oder in der Community der 3D Outdoor Guides sind dazu deutlich hilfreicher.

Display oder reale Bergwelt

Die Entwickler raten zudem, Tracks in die Karte zu laden, damit auf Gletschern grössere Spaltenzonen gemieden werden können. Es mag zwar durchaus sinnvoll sein, auf einer Hochtour den erfolgreichen Hinweg durch das Spaltenlabyrinth für einen allfälligen Rückweg bei schlechter Sicht zu speichern. Wie bei GPS auch ist aber höchste Vorsicht geboten, was die Verwendung fremder Tracks anbelangt: Je nach Jahreszeit und Ausaperung ändert sich die optimale Route durch spaltenreiche Gletscher.

An meiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber elektronischen Hilfsmitteln in den Bergen ändert die 3D-App wenig. Kommt es hart auf hart, zähle ich lieber auf Höhenmesser, Kompass und Karte – und vor allem auf Bauchgefühl und Erfahrung. Ein GPS oder eine entsprechende App kämen höchstens als Notfallgeräte zur Standortbestimmung im Nebel infrage. Unterwegs ständig einem Track nachzulaufen, schmälert das Erlebnis. Dafür nehme ich gerne in Kauf, mal einen Augenblick länger nach dem geeigneten Zustieg auf einen Grat zu suchen. Das bereichert den Erfahrungsschatz und gehört im Bergsport ebenso dazu wie die Schulung des Orientierungssinns.

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