25 Tage Nepal: Was eine Biker-Gruppe alles erlebte

Drei Zuger bezwingen 5’000er-Pass im Himalaya – mit dem Mountainbike

Gruppenfoto auf dem Thorong-La-Pass (v.l.n.r.): Adrian Fischer, Bibek Lama, Pascal Langenegger, Stefan Odermatt, Thomas Staub, Sangya Sherpa, Martin Annen, Roman Agostini, Mingma Sherpa und Samuel Bänziger.

(Bild: Pascal Langenegger)

Tausende Höhenmeter – vieles davon jenseits von 3’000 Metern über Meer: Das ist der berühmte Annapurna-Circuit in Nepal. Zu Fuss können ihn viele bezwingen. Doch wie sieht es mit dem Mountainbike aus? Während zwei Wochen wagte ein Zentralschweizer Septett dieses Abenteuer, darunter drei Zuger.

Was macht eine Mountainbike- und Downhill-Truppe, die praktisch sämtliche Bike-Parks schon abgeklappert hat – nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Skandinavien, Madeira oder Kanada?

Sie absolviert den Annapurna-Circuit in Nepal! Zu diesem Schluss kam eine siebenköpfige Gruppe, darunter drei Zuger. Einer davon ist der Blickensdorfer Adrian «Adi» Fischer. Er sagt: «Mich hat Nepal schon immer gereizt.»

Und Roman «Stini» Agostini aus Brunnen ergänzt: «Die ganze Truppe ist dadurch zusammengekommen, dass wir auch in der Vergangenheit schon zusammen Bike-Ferien gemacht haben. Als wir die Idee einer Nepal-Tour in der Gruppe vorgeschlagen haben, waren alle sofort begeistert davon.»

Viel zu organisieren gab es nicht

Dass sich das Septett für Nepal für eine Mountainbike-Tour entschieden hat, ist keineswegs dem Zufall geschuldet. Denn mehrere Jahre zuvor hatten sie in der Schweiz einen Nepalesen kennengelernt, der in seiner Heimat zusammen mit seinem Vater ein Trekking-Unternehmen betreibt.

«Es geht ständig extrem steil rauf und runter – ‹nepali flat›.»

Adrian Fischer, Downhiller und Mountainbiker aus Baar

«Sein Ziel ist es, für die Firma auch ein Bike-Business aufzuziehen – und wir waren seine Testgruppe», erzählt Fischer. Entsprechend war bereits im Vorfeld fast alles eingefädelt für die Tour. «Nach jahrelangem Hin- und Herschreiben mit unserem nepalesischen Kollegen haben wir im März den Flug gebucht. Viel mehr mussten wir nicht organisieren», so Fischer.

So sah die Strasse auf den ersten Kilometern aus.

So sah die Strasse auf den ersten Kilometern aus.

(Bild: Pascal Langenegger)

Bis auf 5’400 Meter über Meer mit dem Velo

Seit ein paar Wochen sind sie wieder zu Hause, zurück im Alltag. Insgesamt 25 Tage waren sie unterwegs mit Start und Ziel in der Hauptstadt Kathmandu. Höchster Punkt war der Thorong-La-Pass auf 5’416 Metern über Meer.

Fischer erläutert die Route, die sie absolviert haben: «Die ersten zwei Tage machten wir von Kathmandu aus einige Velotouren, um uns zu akklimatisieren. Dann fuhren wir mit dem Bus zum Start des Annapurna-Circuits in Besisahar. Den Circuit haben wir nicht ganz bis Pokhara gemacht, denn die letzten Kilometer haben wir mit dem Bus zurückgelegt.» Zu diesem Zeitpunkt waren sie bereits gut zwei Wochen unterwegs.

Vorzeitiges Ende für Nepalesen

In Pokhara, rund 200 Kilometer westlich von Kathmandu, seien ein paar Tage Relaxen angesagt gewesen, bevor es weiterging. Nicht jedoch für den nepalesichen Kollegen. Der brach sich kurz vor Ende der Tour bei einem Sturz den Ellenbogen.

Tagesrückblick bei Tee.

Tagesrückblick bei Tee.

(Bild: Pascal Langenegger)

Der zweite Teil der Tour startete in Muktinath im Distrikt Mustang. Der Wallfahrtsort auf 3’790 Meter ist sowohl ein hinduistisches als auch buddhistisches Heiligtum. Nach weiteren Pässen und total über 10’000 Höhenmetern führte der Weg via Marpha, Tatopani und Beni schlussendlich wieder in die Millionenstadt Kathmandu.

Geradeaus gibt es nicht

«Nur auf die Tour bezogen haben wir 367 Kilometer abgespult», rechnet Fischer vor. «Auf der Tour sind wir in 17 Tagen 15 Tage Velo gefahren ­– plus zwei Pausentage. An einem der Pausentage durften wir einer Klostereinweihung beiwohnen», erzählt der 36-Jährige. «Aber auch dort haben wir gleich wieder rund 300 Höhenmeter gemacht. Das Kloster kann natürlich nicht in der Stadt sein – nein, es ist irgendwo auf einem Berg.» (lacht)

«Kathmandu war im Vergleich von Ankunft und Abreise eine andere Stadt.»

Pascal Langenegger, Downhiller und Mountainbiker aus Schwyz

Obwohl der Annapurna-Rundweg primär ein Wander-Trail ist, kann man dort fast überall mit dem Velo fahren – theoretisch. «Es geht ständig extrem steil rauf und runter – ‹nepali flat›, wie man sagt», so Fischer. Da diese Jahreszeit das Ende der Monsunzeit signalisiert, seien zu Beginn die zahlreichen Erdrutsche ein Problem gewesen.

Ein Kathmandu – zwei Städte

Am Anfang sei es extrem nass gewesen – entsprechend mühsam seien sie vorwärtsgekommen, so Fischer. Für die Autos gab es gar kein Durchkommen. «In der Schweiz würde man solche Wege und Strassen sofort schliessen», ist sich der technische Leiter in einem Altersheim sicher. Dort hingegen bilde man mit dem Bagger einfach wieder eine Schneise.

Dass sie für die Herbstsaison theoretisch noch etwas zu früh dran waren, hatte jedoch auch seine Vorteile. «Kathmandu war im Vergleich von Ankunft und Abreise eine andere Stadt. Bei der Rückkehr war die Stadt voll von Touristen», sagt Pascal Langenegger.

Fortuna war auf ihrer Seite

Obwohl zu Beginn noch nicht wirklich Saison war, sei der Wettergott auf ihrer Seite gewesen. «Auf der Tour hat es nie geregnet. Nur in Kathmandu und am Schluss in Pokhara», sagt Adrian Fischer. Und Agostini fügt hinzu: «In der Höhe war das Wetter traumhaft. Meist waren wir sogar mit kurzen Hosen unterwegs. Dazu reichte eine Windjacke.»

Martin Annen und Adrian Fischer liegen sich in den Armen.

Martin Annen und Adrian Fischer liegen sich in den Armen.

(Bild: Pascal Langenegger)

Das Glück war ihnen auch in anderer Hinsicht hold. Denn obwohl sie zahlreiche Ersatzteile für die Velos dabei hatten, gab es abgesehen von zwei Platten keinen Materialschaden zu beklagen.

Die Tour sei technisch nicht überdurchschnittlich anspruchsvoll gewesen. «Grosse Absätze mit Wurzeln und grossen Steinen gab es eigentlich nicht. Dafür abschüssige Kieshänge, welche tricky waren. Da siehst du schon alt aus, wenn du runterfällst», betont Roman Agostini. Und Pascal Langenegger pflichtet ihm bei: «Der Weg selbst war nicht so krass. Aber links und rechts war schlicht nichts.»

Ungewissheit im Vorfeld

Davon liessen sie sich genauso wenig aus dem Konzept bringen wie von der Höhe. Grundsätzlich hätten diese alle sehr gut weggesteckt, so Fischer. «Im Vorfeld wusste keiner, ob wir es alle über den Thorong-La-Pass schaffen. Egal, wie gut man sich darauf vorbereitet.»

«Jeder hat die Höhe anders aufgenommen und je nachdem einen schlechten Tag oder eine schlechte Nacht eingezogen.»

Roman Agostini, Downhiller und Mountainbiker aus Brunnen

«Jeder hat die Höhe anders aufgenommen und je nachdem einen schlechten Tag oder eine schlechte Nacht eingezogen» ergänzt Agostini. «Die Höhe machte sich mit Kopfschmerzen und Übelkeit bemerkbar. Aber am nächsten Morgen war meistens alles wieder alles tipptopp», erzählt der technische Zeichner.

Apropos Nacht. Übernachtet haben sie in sogenannten Tea-Houses, vergleichbar mit einfacheren SAC-Hütten. Dort habe ihr eigener Koch, der auch gleich Chef unter den Trägern gewesen sei, jeweils den Köchen auf die Finger geschaut und darauf geachtet, dass das Essen frisch war.

Marihuana, so weit das Auge reicht

Mit Erfolg: «Wir hatten nie Probleme mit dem Essen. Bis wir über den Thorong La waren, hatten wir uns praktisch ausschliesslich vegetarisch ernährt», so Fischer. Vor allem das nepalesische Nationalgericht Dal Bhat mit Reis, Linsensuppe und Gemüse fand oft den Weg in die Mägen der Biker. «Der Guide hat uns davor gewarnt, Fleisch zu essen», erinnert sich Agostini. «Bei den Metzgereien schaut man besser nicht allzu genau hin. Dort hängt das Fleisch bei 30 Grad den ganzen Tag draussen», so Fischer.

«Es ist alles voller Ganja-Pflanzen.»

Adrian Fischer

Doch draussen an der Sonne trifft man nicht nur Fleisch an, sondern auch eine ganz bestimmte Pflanze. «Es ist alles voller Ganja-Pflanzen», erzählt Adrian Fischer. «Ich habe das Gefühl, es wächst dort wie Unkraut. Sie essen es, sie trinken es, sie rauchen es. Aber es wächst auch wild. Und es interessiert niemanden – auch nicht die Polizei», so der Baarer lachend.

Sich gegenseitig gepusht

Leistungssteigernde Mittel hatte die Zentralschweizer Truppe nicht nötig. «Ich habe bald realisiert, dass wir alle konditionell parat sind. Wir haben uns auch das erste Mal auf Veloferien vorbereitet. Ich beispielsweise habe seit dem Winter darauf hingearbeitet», sagt Fischer. Es sei vielmehr eine mentale Sache gewesen. Deswegen habe die positive Gruppendynamik, die geherrscht habe, so gut getan. Man habe sich gegenseitig motiviert, den nächsten Gipfel auch noch zu erklimmen.

Trotzdem sei es laut Agostini so gewesen, dass jeder an gewissen Tagen am Anschlag war. «Der Spassfaktor war teilweise bereits nicht mehr da, bevor wir im Ziel waren. Wenn es nötig war, ist man abgestiegen und gelaufen.»

Aus einer halben Stunde werden über zwei

Fischer verweist in diesem Zusammenhang auf die Länge und Intensität der Tour. «Wir sind neun Tage am Stück raufgefahren. Man wusste also, man darf sich nicht an einem Tag voll verausgaben. Einmal hatten wir eine wirklich krasse Tagestour», erinnert er sich. Dabei habe auch der Guide nicht ideal kommuniziert.

So sah der Aufstieg vor dem Tilicho Base Camp aus.

So sah der Aufstieg vor dem Tilicho Base Camp aus.

(Bild: Pascal Langenegger)

«Wir waren bereits Stunden unterwegs und haben ihn gefragt, wie lange es noch daure. In einer halben Stunde seien wir dort, sagte er. Zwei Stunden später haben wir ihn dann nochmals gefragt: ‹Hey, wie lange dauert es jetzt noch?› Mit uns kann man das vielleicht machen, aber bei einer weniger fitten Gruppe geht das nicht.»

Eine ganze Filmausrüstung dabei

Adi Fischer hebt in diesem Zusammenhang die Leistung von Pascal Langenegger besonders hervor, da dieser noch das ganze Filmequipment bei sich hatte. Langenegger ist neben Zimmermann freischaffender Kameramann und Fotograf. «Ich hatte eine Spiegelreflexkamera und eine komplette Filmausrüstung dabei.» Einiges Material habe er dann aber während der Tagestouren den Trägern mitgegeben.

«Geld wäre in diesem Land also da. Bloss weiss niemand, wo das hingeht.»

Adrian Fischer

Beim ganzen Abenteuer und den positiven Erinnerungen, die haften bleiben, geben sich die Jungs auch nachdenklich. Rund 4’000 bis 4’500 Franken kostete die Reise pro Person. Durch ihren Status als Testgruppe genossen sie einen Vorzugspreis. Doch das ist nur eine Seite der Medaille.

Wohin geht das Geld?

«Es ist krass, dass man überall Eintritt bezahlen muss», sagt Fischer. Ein Altstadtbesuch kostet pro Person 40 Franken. Laut Agostini kosten die Gebiete des Lower und Upper Mustang beispielsweise 500 Franken, wen man rein will. Auch für den Annapurna-Circuit muss man das Portemonnaie zücken. «Geld wäre in diesem Land also da. Bloss weiss niemand, wo das hingeht», sinniert Fischer.

Eine wohlverdiente Pause beim Tilichosee.

Eine wohlverdiente Pause beim Tilichosee.

(Bild: Pascal Langenegger)

«Nepal ist eines der ärmsten Länder. Das durchschnittliche Jahreseinkommen beträgt 300 Franken. Die Menschen sind zwar arm, aber ihre Grundbedürfnisse sind gedeckt. Sie wissen, was sie am nächsten Tag zu essen haben», so Fischer weiter.

Stellt sich abschliessend nur noch die Frage, ob die passionierten Biker für nächstes Jahr bereits die nächste Tour geplant haben. Fischer dazu: «Ich möchte nächstes Jahr auf jeden Fall wieder etwas machen.» Roman Agostini pflichtet ihm bei. «Irgendwas wird sicher wieder passieren. Und wenn es ‹nur› ein Schweiz- oder Europa-Trip ist.» Um dann lachend hinzuzufügen: «Aber zuerst müssen wir jetzt ein bisschen arbeiten.»

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