Technologie steht bereit, aber Anwendungen fehlen

Dolfi wird digital: Zuger Stadtpräsident setzt auf Blockchain

Mit der digitalen ID schafft Zug via App einen neuen Zugang zu den elektronischen Behördendienstleistungen.

(Bild: jwy)

Der Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller geht mit gutem Beispiel voran und beantragt am Mittwoch für sich selber eine digitale Identität. Noch unklar ist, was er damit anfangen kann.

Für Aufsehen in den Medien sorgte die Stadt Zug 2016 mit der Ankündigung, als erstes Gemeinwesen in der Schweiz Zahlungen in Bitcoin zu akzeptieren.

Ein ebenso gelungener Marketinggag war im Juli diesen Jahres die Ansage, für alle Einwohner eine digitale Identität anzubieten. Einfach ausgedrückt: ein Datensatz, der bestätigt, dass bestimmte Handlungen auf dem Netz von einem wirklichen Menschen ausgeführt werden.

Wegweisend beim jüngsten Coup ist, dass der Datensatz mit dem Blockchain Ethereum fälschungssicher verschlüsselt und auf vielen Rechnern gespeichert wird – und so beste Werbung für das Crypto Valley Zug macht, mit dem die Stadt zukunftsfähige Technologieunternehmungen in die Zentralschweiz locken will.

Wenige nutzen den Bitcoin-Service

Eine andere Frage ist freilich, ob diese Angebote in einer kleinen Stadt wie Zug von der lokalen Bevölkerung überhaupt nachgefragt werden. Denn Dienstleistungen mit Bitcoin bezahlt, haben binnen eines guten Jahres erst 40 Kunden (darunter zentralplus).

«Wesentlich ist die Signalwirkung.»

Dolfi Müller, Zuger Stadtpräsident

«Mit der digitalen ID legt sich die Stadtregierung die Latte höher», sagte Stapi Dolfi Müller am Mittwoch bei der Lancierung des neuen Angebots vor den Medien. Die Idee einer digitalen Gratis-ID soll mehr Leute erreichen, und man möchte damit auch wirklich sinnvolle Angebote für die Bevölkerung bereitstellen.

Verwahrt wird die ID auf dem Handy

Auch wenn sich Müller nicht festlegen will, mit wie vielen Interessenten die Stadtregierung rechnet, und auch wenn es noch keine konkrete Verwendungsmöglichkeit für die digitale ID gibt: «Wesentlich ist die Signalwirkung», so Müller.

Setzt sich für die Blockchain-Technologie ein: Zugs Stadtpräsident Dolfi Müller.

Setzt sich für die Blockchain-Technologie ein: Zugs Stadtpräsident Dolfi Müller.

(Bild: mam)

Er demonstriert deswegen gleich öffentlich, wie man eine solche ID beantragt: Man sucht auf dem Handy (im Play- oder App-Store) nach einer App namens uPort, installiert sie und beantragt gleichzeitig auf der Website der Stadt Zug eine ID. Anschliessend geht man auf der Einwohnerkontrolle vorbei und weist sich mit einem amtlichen Dokument aus. Da mit Mélanie Schenker die Leiterin der Einwohnerkontrolle anwesend ist, hält Müller ihr seine Identitätskarte im Kreditkartenformat vor die Nase.

Mit Handy-App Velos und Bücher ausleihen

Dann könnte es mit der amtlich verbrieften digitalen Identität theoretisch losgehen. «Wir haben uns gefragt, ob wir nicht erst die Angebote für die ID bereitstellen sollten», sagt Daniel Truttmann, der Leiter der städtischen Informatik. «Aber irgendwo müssen wir schliesslich anfangen.»

Wie die digitale ID funktioniert

Die digitale ID befindet sich auf dem Mobiltelefon des Benutzers in einer App des Zuger Unternehmens Consensys-uPort – biometrisch oder durch einen PIN gesichert. In dieser App wird die digitale ID nach dem Registrierungsprozess abgespeichert, es ist gewissermassen ein digitales Schliessfach. Die eigentliche ID liegt auf einer Ethereum-Blockchain, einer Art dezentrale Datenbank. Die App erstellt in der Blockchain eine eindeutige und unveränderbare Kryptoadresse. Dieser Teil stammt von der Zürcher Firma Ti&m. Beglaubigt werden die Kryptoadressen über ein Zertifizierungsportal von der Einwohnerkontrolle der Stadt Zug.

Also geht’s erst jetzt an die Entwicklung eines sinnvollen Angebots für die Bevölkerung. Alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung sind aufgefordert, daran mitzuarbeiten, sagt Truttmann. Als Anwendungen, die man schon konkret im Auge hat, sind laut Dolfi Müller der digital abgesicherte Veloverleih, die Bezahlfunktionen für Parkhäuser oder der Einsatz der App fürs Bücherausleihen vorgesehen. Statt mit dem Bibliotheksausweis kann man das Ganze auch übers Handy abwickeln.

Ausgeben kann der Stadtrat für die Entwicklung dieser Angebote 250’000 Franken. Soviel hat das Zuger Stadtparlament bewilligt. Die digitale ID hingegen hat die Stadt bisher kaum etwas gekostet. Die Vorleistungen seien von den beteiligten Unternehmen und dem Institut für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern erbracht worden, wird versichert.

Möglichkeiten der Stadt sind begrenzt

Auch Baubewilligungen oder Steuererklärungen soll man dereinst mit der digitalen ID autorisieren können. Hier steht der Stadt noch im Wege, dass die gesetzgeberische Kompetenz bei Bund und Kanton liegt. Auch für den ganzen Bereich des E-Voting, den man in Zug am liebsten über Blockchain abwickeln möchte, ist Bundesbern zuständig.

Aber mit der digitalen ID geht’s der Stadt Zug ja vorab um die «Signalwirkung», wie Müller sagt. Es ist ein offensichtliches Glaubensbekenntnis an die Blockchain-Technologie, in deren Potenzial die Stadtregierung unbedingtes Vertrauen hat.

Beglaubigen eine digitale Identität: Nico Meier von der Entwicklerfirma Ti&m (links), Mélanie Schenker von der Einwohnerkontrolle Zug und Stapi Dolfi Müller.

Beglaubigen eine digitale Identität: Nico Meier von der Entwicklerfirma Ti&m (links), Mélanie Schenker von der Einwohnerkontrolle Zug und Stapi Dolfi Müller.

(Bild: mam)

«Jeder sein eigener Datenschutzbeauftragter»

Und es geht auch um ein Anliegen der Menschenfreundlichkeit. Mit der Blockchain-Technologie wird laut Dolfi Müller «jeder sein eigener Datenschutzbeauftragter». Die Blockchain-Technologie ermöglicht es, nur Teile der digitalen Identität freizugeben, wie Nico Meier von der Entwicklerfirma Ti&M erklärt.

Wenn beispielsweise für eine Dienstleistung nur das Mindestalter, nicht aber der Name des Kunden relevant ist, dann liefere die Blockchain nur diese Angaben. So behält der User die Souveränität über seine Daten und ist für Big Data weniger ausrechenbar.

Technisch ist vieles möglich

Als Garant für die Wahrhaftigkeit der Angaben tritt die Stadt Zug auf. Technisch sei es jetzt schon möglich, die ID im Verkehr mit ausländischen Banken oder anderen digitalen Leistungsanbietern einzusetzen, sagt Mathias Bucher, Blockchain-Spezialist und Dozent an der Hochschule Luzern, welcher den technischen Teil des ID-Projekts koordiniert. Die Frage sei einfach, ob das Gegenüber die Stadt Zug als vertrauenswürdige Zertifizierungsstelle wahrnehme und anerkenne.

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