Diese historischen Wasserwerke sollen stillgelegt werden
Noch immer ist das alte Kraftwerk unterhalb der Lorzentobelbrücken in Betrieb. Doch nicht mehr lange. (Bild: wia)
Seit über hundert Jahren wird im Lorzentobel bei Baar Strom produziert. Die Kraftwerke sind jedoch derart in die Jahre gekommen, dass die WWZ nun einen Neubau plant. Was mit den historischen Gebäuden passiert, ist noch nicht klar.
Derzeit stehen im Lorzentobel zwei Wasserkraftwerke. Ein Weiteres steht in der Nähe der Spinnerei Baar. Auch wenn insbesondere die beiden Kraftwerke im Tobel eher nostalgisch anmuten, werden diese nach wie vor von der WWZ betrieben.
Die Werke stehen direkt am Velo- und Wanderweg zwischen Baar und Schmittli. Besonders die Zentrale 1 (KWZ 1) ist imposant. Sie besteht aus einer Schalt- und Trafostation, einem Turbinen- und Maschinenhaus sowie einem hübschen Magazingebäude mit Walmdach. Daneben gibt es vereinzelte Neubauten, darunter auch ein Wohnhaus. Die alte und die neue Lorzentobelbrücke sind von hier aus gut sichtbar. Auch sind mehrere Stellen am Hang erkennbar, wo sich das Tobel in den vergangenen Jahren verselbstständigt hat: Erdrutsche sind hier keine Seltenheit.
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Manch ein Spaziergänger auf Wohnungssuche dürfte mit Wehmut aufs Turbinenhaus blicken, das aus dem Jahr 1891 stammt. Denn das Gebäude, in dem dereinst auch gelebt wurde, verfügt über eine riesige Dachterrasse und ist auch sonst hübsch anzusehen. Hier ist man so «ab vom Schuss», dass sich höchstens Wildtiere über ausgelassene Partys stören würden. Einzig der Weg zur nächsten Migros ist etwas weit.
Schützenswerte Gebäude im Lorzentobel
Die drei genannten Gebäude werden vom Amt für Denkmalpflege allesamt als schützenswert eingestuft. Die Begründung gemäss Inventarblatt: «Das Kraftwerk im Lorzentobel markiert den Beginn der grossflächigen Elektrifizierung in Baar und Zug. Die baulichen Anlagen aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert sind noch authentisch erhalten und bedeutende Zeugen der Industrialisierung. Das Turbinen- und Maschinenhaus ist ein technisches Denkmal von historischer Bedeutung, da dessen älteste Turbine aus dem Jahr 1916 stammt.»
Mittelfristig sollen die Turbinen im besagten Haus jedoch stillstehen. Die WWZ AG plant ein neues Wasserkraftwerk, welches sowohl die Zentrale 1 als auch die etwas flussaufwärts gelegene Zentrale 2 ersetzen soll. Der Grund: Im Rahmen der Zustandsanalyse habe die WWZ an diversen Anlageteilen der beiden oberen Kraftwerke Sanierungsbedarf festgestellt. Ein Neubau habe sich indes als Bestvariante entpuppt.
WWZ erhofft sich zehn Prozent mehr Strom
Projektiert ist ein neues Turbinengebäude mit komplett neuer Ausstattung und neuen Komponenten. Abgerissen werden soll indes die Fassung der Zentrale 1 sowie die an den schützenswerten Trafoturm angebaute Lagerhalle. Die Nettoproduktion des projektierten Kraktwerks Lorzentobel beträgt gemäss Kanton Zug rund 14,920 Gigawattstunden im Jahr.
Die WWZ-Medienverantwortliche Manuela Steffen schreibt auf Anfrage: «Wir erwarten eine Steigerung der Produktion von zehn Prozent. Damit können wir insgesamt über 3000 Haushalte mit Strom versorgen. Der grosse Vorteil von Wasserstrom aus dem Lorzentobel ist, dass wir im Sommer- und Winterhalbjahr gleich viel Strom produzieren können.»
Ob Bestandesbauten abgerissen werden, ist noch nicht klar
In den ursprünglichen Plänen der WWZ war geplant, dass das Lagergebäude neben dem Trafoturm abgerissen wird. Ob das tatsächlich geschieht, sei mittlerweile jedoch unklar. Steffen dazu: «Bedingt durch die weiteren Projektschritte prüfen wir nochmals, ob wir das Gebäude abreissen wollen. Bis wir uns definitiv entscheiden können, haben wir projektbedingt weitere Abklärungen zu treffen.»
Denkmalpflegerisch stehe dem Abriss jedenfalls nichts im Weg: Das Lagerhaus mit Jahrgang 1962 sei vom Amt für Denkmalschutz als nicht schützenswert befunden worden, heisst es seitens der WWZ.
Anders ist bei den explizit schützenswerten Häusern wie dem Turbinenhaus. «Ein Unterschutzstellungsverfahren wurde bereits ausgelöst. Ob und mit welchen Konsequenzen für mögliche Renovierungsschritte, wissen wir noch nicht», so die Kommunikationsverantwortliche.
Und was passiert mit dem oberen Kraftwerk (KWZ 2), wenn dieses nicht mehr in Betrieb ist? Wird es abgerissen oder etwa erhalten und umgenutzt? Dazu die WWZ: «Diese Fragen stellen sich tatsächlich. Wir können uns allerdings erst dann damit befassen, wenn wir die Ergebnisse des Unterschutzstellungsverfahrens kennen.»
Das Kraftwerk 2, das ungefähr zweieinhalb Kilometer von der Zentrale entfernt liegt, weist übrigens eine interessante Geschichte auf. Dieses wurde von der Untermühle in Zug realisiert und versorgte diese mit Strom. Damit wurde sie zur zweiten vollautomatische betriebenen Handelsmühle der Schweiz. Im Jahr 1930 kaufte die WWZ das Kraftwerk 2. Dies, nachdem die Untermühle stillgelegt worden war.
WWZ möchte 2027 mit dem Bau beginnen
Die Baueingabe für das neue Kraftwerk ist 2026 geplant, der Baubeginn sei per 2027 vorgesehen. «Das Projekt muss allerdings noch auf Gemeinde- und Kantonsebene sowie auf Bundesebene mehrere Bewilligungsprozesse durchlaufen.» So etwa bedingt der Bau gemäss Beurteilung des Kanton Zug einen Eintrag im kantonalen Richtplan, weil das Vorhaben gewichtige Auswirkungen auf Raum und Umwelt habe und vielfältige Interessen tangiert würden. Der Vorschlag zur Richtplananpassung liegt derzeit öffentlich beim Kanton auf.
Wie viel Zeit die Verfahren auf den verschiedenen Ebenen beanspruchen, könne WWZ heute nicht abschätzen. «Wir unternehmen jedoch alles, um den Zeitplan einzuhalten.»
Das sagt der Verein Industriepfad Lorze zu den Plänen
Ulrich Straub ist der Präsident des Vereins Industriepfad Lorze. Er äussert sich auf Anfrage von zentralplus wie folgt: «Wir sind natürlich daran interessiert, dass die Geschichte sichtbar bleibt. Und doch bleibt die Welt nicht stehen, sondern entwickelt sich.» Dass die Wasserwerke Zug ihre Kraftwerke besser ausnützen und modernisieren wollen, empfindet Straub als sinnvollen Schritt. «In der heutigen Zeit sollte man alle Möglichkeiten nutzen, um Strom zu produzieren.»
Dass durch den Neubau eines Kraftwerks historische Bausubstanz verloren gehen könnte, befürchtet Straub nicht. «Relevante alte Bauten sollten, wenn es irgendwie geht, erhalten bleiben. Doch das wird im Kanton Zug in der Regel auch gemacht.» Er vertraut diesbezüglich auf die Arbeit der Zuger Denkmalpflege.
Journalistin und langjährige Autorin bei zentralplus. Schreibt über politische Querelen, aufregende Bauprojekte und gesellschaftlich Bewegendes. Am liebsten jedoch schreibt sie über Menschen. Und natürlich Hunde.