Viel zu lange Kapellbrücke und «hirnrissige Angestellte»

Die schrägsten Google-Bewertungen aus Luzern

Wo es Touristen hat, wimmelt es in der Regel auch von Google-Bewertungen. Aber auch Luzerner selbst rezensieren die hiesigen Institution mit Wonne. Und diese kommen nicht nur gut weg. (Bild: Emmanuel Amon/Aura // Montage)

Ein bewährtes Mittel, Dampf abzulassen, ist, sich mit einer Google-Bewertung über eine Institution zu beklagen. Diese Möglichkeit wird in Luzern rege genutzt, was nicht selten in herrlichen Stilblüten und literarischen Ergüssen endet.

Sie wären gerne Touristenführerin, Gastro-Kritiker, Architekturexpertin oder Ordnungshüter geworden, haben es aber irgendwie nicht hingekriegt? Die in der Realität geplatzten Träume lassen sich heutzutage dennoch ausleben. Zumindest in virtuellen Gefilden. Sei es als fesche Kriegerin in World of Warcraft oder, ganz niederschwellig, mit dem Verfassen von Google-Bewertungen. Letzteres gar mit dem genugtuenden Effekt, von möglicherweise Tausenden Menschen ernst- oder zumindest wahrgenommen zu werden.

Scrollt man sich durch die Untiefen der Google-Rezensionen aus dem Raum Luzern, findet man immer wieder sonderbare Exemplare. Das ist kein Wunder, kann man doch vom öffentlichen Klo übers Krematorium bis hin zum Gefängnis so ziemlich alles bewerten. Auch wenn die Rezensionen nicht immer sonderlich nützlich sind, so sind sie dafür oft umso lustiger.

Hallo Herr Kommissar? Bitte einmal A-Post nach Oberhasli

So scheinen etwa beim Luzerner Polizeiposten nicht alle Luzerner glücklich geworden zu sein. So schrieb M. J. vor drei Jahren ganz empört: «Unglaublich unfreundliche Angestellte. Nie mehr wieder. Liebe Post, überlegen Sie sich bitte vorher, was für hirnrissige Angestellte Sie beschäftigen.»

Möglich, dass der Grund, weshalb sein Paket nicht entgegengenommen wurde, nichts mit der Unfähigkeit der Mitarbeiter zu tun hatte. Sondern schlicht damit, dass die Polizisten das Päckli höchstens nach Drogen und Bomben durchsucht hätten, dann aber im Fundbüro verstauben lassen hätten.

Von uns gibt’s vier Sterne dafür, dass er die «Post-Mitarbeiter» zwar siezt, jedoch im gleichen Satz von «hirnrissigen Angestellten» spricht.

Wenn wir schon bei der Polizei sind, werfen wir gleich einen Blick in die Justizvollzugsanstalt Grosshof in Kriens, welche ganz grossartige Rezensionen erhält.

Der Knast: Tolle Bleibe für «Spontanentschlossene»

Drei Sterne vergibt der Google-Nutzer R. «für Zentralschweizer Verhältnisse eher fragwürdiger Service. Mässig freundliche Bedienung am Empfangsschalter, dafür 24 Stunden Check-In. Die Duschen waren sehr sauber, mussten aber von den Gästen selber gereinigt werden. […] Die Rechnung und Bezahlung war super verwirrend, dafür das Check-out angenehm spät.» Zum Schluss schreibt R.: «Der Zimmerservice war zwar für meine Verhältnisse eher unfreundlich, trotzdem würde ich diese Lokalität für Spontanentschlossene und Menschen mit knappem Budget empfehlen.»

Klarer Fall: Von uns gibt’s für diesen literarischen Erguss fünf Sterne.

Auch Fabians Kritik lässt sich sehen. Er erteilt fünf Punkte und schreibt: «Bester Escape Room, den ich jemals gemacht habe. Alles sehr realistisch und es sind sogar live Leute angestellt.»

Wir erheben zwar leise Plagiatsvorwürfe, vergeben aber dennoch 4 Sterne.

Ein ganz besonderes, wenn auch ziemlich ausführliches Goodie zum Armee-Ausbildungszentrum in Luzern gibt es übrigens hier zu lesen. So viel sei gespoilert: Das wundervolle Wort «Schmerznesskur» kommt vor.

Bloss keinen Schritt machen!

Auch wenn wir es in den letzten 23 Monaten vergessen haben mögen: Luzern ist eine Touristenstadt. Wer wären wir denn, wenn wir nicht auch unsere wertesten Attraktionen in Augenschein nähmen?

«Die Sicht wurde von einigen Bäumen verdeckt.»

Darum setzen wir uns in die kleine blau-weisse Eisenbahn, welche träge Stadttouristen an die Hotspots führt. So mitunter zum Luzerner Löwen, der da in Stein gemeisselt liegt und stirbt. Das Löwendenkmal erhält von der Masse zwar grossen Zuspruch und viele Sternchen. Nicht jedoch von N. P. Er vergibt nur gerade einen Stern, obwohl es sich um eine «schöne Arbeit» handle. Aber? «Die Sicht wurde von einigen Bäumen verdeckt. Ich fuhr mit dem Zug herum und konnte nur ein wenig vom Kopf sehen.»

Es ist davon auszugehen, dass auch der Pilatus eine schlechte Bewertung von N. P. erhalten hat, falls dieser bei schlechtem Wetter in Luzern war.

Von zentralplus erhält N. P. jedenfalls kein Mitleid, sondern einen einzigen Stern und den Tipp, die Stadt das nächste Mal zu Fuss zu erkunden.

So wie es nämlich auch der Google-Nutzer Flakeless tat. Er hat sich – natürlich – die Kapellbrücke vorgeknöpft. Um dann folgendes Verdikt zu ziehen:

Wir wüssten gerne, wie das Urteil entstanden ist. Hat der Mensch die Reise über den (nicht wahnsinnig breiten) Fluss tatsächlich vollendet? Hat er es bis in die Hälfte geschafft, und ist dann wieder umgekehrt? Oder hat er vom Ufer aus bereits gemerkt, dass das nix wird, das Handy gezückt, und der Brücke in seiner Empörung einen Stern verliehen? Nieder mit der Kapellbrücke! Nimm das, du hölzernes Stück Geschichte!

Flakeless erhält von uns drei Sternli. Das ausgesprochene Talent zum Tunnelblick finden wir beeindruckend. Zwei Sterne enthalten wir ihm vor, weil er vergessen hat zu beanstanden, dass am Anfang und Ende der Brücke auch Treppenstufen zu überwinden sind.

Zu Fuss machen wir uns nach dem Marathonlauf über die Brücke auf zur Jesuitenkirche, die so mancher Besucher auf Google mit Ah! und Oh! respektive fünf Sternchen kommentiert. Nicht so M. D. Von ihm gibt’s läppische zwei Sterne. «Zu viel Gold usw., statt den Mittelstand zu unterstützen.»

Wir wollen mal nicht so sein und unterstützen M. D. mit fünf goldenen, mitleidigen Sternen für seine etwas kurzgegriffene Schlussfolgerung.

Kein Fan der Box, dafür von Theater

Zwar offenbar Fan vom ganzen Gold (nieder mit dem Mittelstand!), aber dafür kein Fan von moderner Architektur ist F. O. Ein Sternli gibt’s von ihm. Und eine Menge Theater: «Mich nimmt Wunder, welcher Vollpfosten so eine Holzbox bei einer so historischen Kirche baut. Sicher eine Person mit Studium aus der Migros Klubschule! Das versaut ein schönes Bild der ganzen Kirche.» Ein Blick in seine 91 Rezensionen zeigt: Das Wort Vollpfosten verwendet er gern. Hässig ist er oft.

F. O. bekommt von uns für seinen erbitterten Kampf gegen das Neue: Ein Pferdegespann, zehn Kilo Kartoffeln und eine Schreibmaschine für hässige Leserbriefe. Dazu einen schwarz-weissen Stern.

Verwendete Quellen
  • Google Maps
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 18.02.2022, 09:33 Uhr

    Nette Satire.

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