Die Neuseeländer nennen sie «the mushroom guys»
Die Zuger Theres und Hannes Krummenacher wanderten vor 26 Jahren nach Neuseeland aus. Fernab von zu Hause finden sie zwischen Hügeln und Wäldern ein neues Leben und lassen eine alte Liebe aufleben: das Sammeln von Pilzen.
Wir schreiben das Jahr 1989. Es ist ein besonderes Jahr für Theres und Hannes Krummenacher. Ursprünglich zu dritt gestartet, kamen sie zu viert von ihrer 9-monatigen Weltreise zurück. Die zweitälteste Tochter erblickte in Neuseeland das Licht der Welt.
Kurz danach kehrte die nun vierköpfige Familie zurück nach Zug. Hannes arbeitete als Elektriker und Theres als Hebamme. So richtig zu Hause fühlten sie sich aber nicht mehr. Der Lärm, die Enge und die Hektik machten vor allem Theres zu schaffen. Das Fernweh plagte sie. Vor allem die Westküste Neuseelands hatte es den beiden auf ihrer Reise angetan. Sie begannen damit, Pläne für eine mögliche Auswanderung zu schmieden. Der finale Entschied für einen Umzug in die als Sonnenstube bekannte Region um Nelson im Norden der Südinsel fiel schliesslich im Jahr 1998 – damals war Theres 35 und Hannes 39 Jahre alt.
Ihre Geschichte bewegt – und interessiert selbst das Fernsehen. So besucht Mona Vetsch die Krummenachers: Die Sendung «Auf und davon – Neuseeland» wird am Samstagabend, 16. November, auf SRF 1 ausgestrahlt.
Pilze als Beruf(ung)
«Im Herbst gab es bei uns immer Pilze», erinnert sich Hannes im Telefongespräch mit zentralplus an seine Jugendzeit in der Schweiz zurück. Diese Leidenschaft erbte er von seinem Vater, der Pilzexperte und Mitglied einer lokalen mykologischen Vereinigung war. Auch Hannes ist bis heute Mitglied im Pilzverein Zug.
In Neuseeland konnten sie ihre Leidenschaft schliesslich zum Beruf machen. «Nach fast vierzig Jahren in der Schweiz fragten wir uns damals, ob wir die nächsten 40 Jahre wirklich in der Schweiz verbringen wollten.» Die Antwort war klar. Fernab von zu Hause begannen sie damit, Birken, Lärchen und Kastanienbäume zu pflanzen.
Dass Theres und Hannes heute von der Pilzzucht und Vermarktung leben können, war kein konkretes Projekt, das die beiden bei ihrer Auswanderung verfolgten. Es war eher Zufall, als sie damals auf ihrem Anwesen Pilze entdecken. Und so keimte plötzlich auch ihre alte Leidenschaft fürs Pilzsammeln auf.
Heute findet man auch Olivenbäume auf ihrem Anwesen. Über 6500 Bäume wachsen auf ihrem Grundstück. Dazu kommt ein riesiger Gemüsegarten, der das Haus ziert. Ein Haus, das sie eigenständig während zehn Jahren gebaut haben. «Mittlerweile versorgen wir uns fast selbst.» Dank des Gemüses und den Früchten, die sie das ganze Jahr ernten können. Aber auch Pilze landen bei ihnen auf dem Tisch.
Einblick in das Leben von Theres und Hannes Krummenacher:
«Can-do-attitude» der Neuseeländer
Heute ist Theres 61 und Hannes 65 Jahre alt. Ein einziges Mal ist Theres aufgrund einer familiären Angelegenheit in die Schweiz zurückgekehrt – Hannes nie. Ob sie es bereuen und die Schweiz vermissen? «Wenn man auswandert, lässt man immer einen Teil von sich selbst hinter sich. Das ist der Preis, den man zahlt, um sich an einem anderen Ort zu Hause zu fühlen. Tut man das nicht, kommt man am neuen Ort nie an», sagt Hannes.
Als sie im November 1998 in Nelson ankamen, arbeitete Hannes zuerst als Elektriker. Theres kümmerte sich um die vier Kinder. Der Umzug nach Neuseeland fiel vor allem den drei jüngsten Kindern nicht leicht. Sie sprachen kein Englisch.
«Bei den Neuseeländern gelten wir als die verrückten Schweizer, die sich den Pilzen verschrieben haben.»
Später kauften sie ein Haus in Richmond, direkt neben der grösseren Stadt Nelson. Und weitere zwei Jahre später ein Grundstück mit 53 Hektar in Upper Moutere. Noch heute leben sie hier. Aber es dauerte seine Zeit, bis sich auch die Kinder der Familie dort zu Hause fühlten. Rückblickend wissen die beiden, dass auch ihre Kinder auf viel verzichten mussten und oft zu kurz kamen.
«Das haben sie aber in ihrer Jugend nachgeholt», sind sich die beiden einig. Wenig überraschend standen alle vier früh auf eigenen Beinen. «Das ist vermutlich auch ein bisschen der Einfluss der Neuseeländer», sagt Hannes. Denn hier leben die Menschen nach der «can-do-attitude» – alles ist möglich. Auch das Sammeln und Ernten von Pilzen gehört dazu.
Die einzigen Mycchorizalpilz-Züchter
Von Mitte März bis Ende Juli ist Pilzsaison auf der südlichen Halbkugel. Heisst: Sie gehen jeweils von morgens bis abends auf ihrer über 500'000 Quadratmeter grosse Fläche auf Pilzsuche. Es sind gezielte Sammelrunden. «Der Trick ist, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten und die Pilze erst dann zu ernten, wenn sie komplett ausgewachsen sind», sagt Hannes.
Junge Pilze lassen sie zurück, damit sie grösser werden können. Alte Pilze lassen sie stehen, damit sich die Sporen weiter verbreiten können. Und was tun sie in der Zwischensaison? Dann schneiden sie jene Bäume zurück, die zu viel Schatten geben. Die Äste liefern Brennholz zum Trocknen der Pilze oder zum Heizen des Hauses.
Mittlerweile sind sie auch bei den Neuseeländern bestens bekannt. Das war nicht immer so. Es dauerte seine Zeit, bis sie sich einen Namen machten. «Vor allem die Medien haben uns damals geholfen, weil sie unsere Geschichte interessant fanden.» Dennoch gab es Zweifel und jahrelange harte Arbeit, bis sich ihr Weg und ihr Mut auszahlten.
Die Krummenachers sind immer noch die einzigen Züchter von Mycchorizalpilzen in Neuseeland. Heute werden sie auf dem Markt liebevoll «the mushroom guys» genannt. «Bei den Neuseeländern gelten wir als die verrückten Schweizer, die sich den Pilzen verschrieben haben», erzählen sie.
Jahrelang haben sie sich gefragt, ob es sich lohnen würde, in dieses Geschäft einzusteigen und sich damit ein neues Leben aufzubauen. Wenn sie im Herbst jeweils unter ihren Bäumen zwischen Pilzen liegen und die Blätter beobachten, scheint die Antwort klar zu sein.
- Telefonat mit Theres und Hannes Krummenacher
- Artikel auf Swissinfo
- Website von Neudorf Mushrooms
- Medienmitteilung von SRF zur Sendung «Auf und davon – Neuseeland»