Unkonventioneller Theologe macht Schluss

«Die Katholibans haben mich auch schon zerrissen»

Gemeindeleiter Alois Metz verlässt die Pfarrei Würzenbach. (Bild: Tanja Metz)

Alois Metz hat als Gemeindeleiter der Pfarrei Würzenbach mit unkonventionellen Gottesdiensten neuen Geist eingehaucht. An Pfingsten wird er sich nach neun Jahren mit einer besonderen Feier verabschieden. Im Interview mit zentral+ spricht Metz offen über seine Probleme mit der Kirchenobrigkeit, über «Katholibans» und seinen Wunsch, mit Schwerverbrechern zu arbeiten.

Manchmal erscheint die Kirche revolutionärer als jede politische Partei oder sonst eine Weltanschauungs-Sekte, die vorgibt, sich für das Wohl der Menschen einzusetzen. Dieser Eindruck entsteht, wenn man sich mit Alois Metz unterhält: Ein Theologe, der eine Pfarrei leitet und so ganz und gar nicht dem Klischee eines «Kirchenoberen» entspricht.

Metz interessiert sich für die Menschen, er nimmt sie ernst, egal welcher Herkunft und Zugehörigkeit sie sind. Als Gemeindeleiter nutzt er den Kirchenraum als Inszenierungsort, und veranstaltet ungewöhnliche Gottesdienste, um die Anwesenheit des Göttlichen spürbar zu machen. So hat er gemäss lu-wahlen.ch kürzlich den Musiker Konstantin Wecker, den Vatikan-Kritiker Eugen Drewermann und den Psychotherapeuten Arno Gruen in die St. Johanneskirche eingeladen. Über 500 Menschen (!) haben an dieser ungewöhnlichen Liturgiefeier teilgenommen.

zentral+: Alois Metz, Sie veranstalten unkonventionelle Gottesdienste. Was muss man sich darunter vorstellen?

Alois Metz: Wir beziehen Musik mit ein, arbeiten mit szenischen Elementen und überraschenden Formen. So stellen wir jeweils am Hohen Donnerstag 25 Tische in den Kirchenraum und feiern nach, wie Jesus sich damals von den Jüngern verabschiedet hat. Eine Jazzband versetzt die Besucherinnen und Besucher in diese Stimmung tiefer Betroffenheit. Da kommen 300 Leute zusammen, wir essen und trinken Wein. Es ist eine schöne und sehr besinnliche Lobfeier.

zentral+: Wir haben gehört, dass manchmal auch Jugendliche in der Kirche schlafen?

Metz: Das geschieht an der Versöhnungsnacht, die ein Religionslehrer mit rund 50 Jugendlichen einmal im Jahr durchführt. Da werden spannende Workshops gemacht und Diskussionen geführt. Dabei übernachten die Jugendlichen auch in der Kirche.

zentral+: Mit dem Luzerner Theater inszenieren Sie Theatergottesdienste, in denen Sie sich von Opern inspirieren lassen. Wie passen Kirche und Theater zusammen?

Metz: Sie passen exzellent zusammen. Beide Institutionen hinterfragen die Gesellschaft, beide hinterfragen den Menschen. Das ist unerlässlicher denn je.

zentral+: Sie haben in der Johanneskirche auch schon Kunstbilder aufgehängt, eine Band spielen lassen und zu einer Whisky-Degustation auf dem Altar eingeladen.

Metz: Dort ging es um das Thema Geniessen. Wir wollten bewusst machen: Der Genuss kann etwas Wunderbares sein, wenn man ihn nicht übertreibt. Und es ist besonders schön, wenn man zusammen mit andern Menschen geniesst.

zentral+: 2010 haben sie am Bahnhof Kondome verteilt mit der Aufschrift «Vergessen ist ansteckend», und mit dem Logo der Katholischen Kirche Luzern versehen.

«Papst Benediktus XIV. sprach sich gegen Kondome zur Bekämpfung von Aids in Afrika aus, weil sie nicht dicht seien. Was für ein Unsinn.»

Alois Metz

Metz: Das war eine Protestaktion gegen die Aussage von Papst Benediktus XIV. Er sprach sich gegen Kondome zur Bekämpfung von Aids in Afrika aus, weil sie nicht dicht seien. Was für ein Unsinn. Dabei könnten mit Kondomen Tausende von Menschenleben gerettet werden. Da musste ich einfach aufstehen und etwas machen.

zentral+: Haben Sie da nicht auch scharfe Proteste von kirchlicher Seite erlebt?

Metz: Doch, doch. Die Katholibans haben mich schon zerrissen.

zentral+: Wen meinen Sie mit Katholibans?

Metz: Das sind Katholiken, die für die Lehre Gottes jeden erstechen würden, auch wenn sie es nur verbal machen. Ich wurde in Briefen auch schon als Nazi beschimpft. Eine Frau wünschte mir den Tod, damit ihre Kinder die Chance hätten auf ein gutes Leben.

«Katholibans sind Katholiken, die für die Lehre Gottes jeden erstechen würden, auch wenn sie es nur verbal machen.»

Alois Metz

zentral+: Was wollen Sie mit Ihrer Art von Gottesdienst erreichen?

Metz: Es geht mir bei allen Inszenierungen darum, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Besucher und Besucherinnen das Göttliche spüren können. Und was sich mit Musik sagen lässt, erst noch in diesem wunderbaren Kirchenraum, ist sowieso stärker als alle Worte. Wer bisher keinen Bezug zur Kirche oder zu Gott hatte, wird vielleicht auf den Geschmack kommen. Wer schon glaubt, kann womöglich eine Bestätigung erfahren. Aber mir sind auch die Zweifler willkommen.

zentral+: Warum?

Metz: Ich brauche die Zweifler, um mein Gottesbild immer wieder zu hinterfragen, damit es nicht infantil wird oder sonstwie domestiziert wird. Der Zweifel ist so wichtig wie der Glaube. Ohne Zweifel wird es schnell ideologisch und gefährlich.

«Ich brauche die Zweifler, um mein Gottesbild immer wieder zu hinterfragen, damit es nicht infantil wird.»

Alois Metz

zentral+: Was ist Gott für Sie?

Metz: Ich glaube, dass es einen Gott gibt und, dass er da ist in uns Menschen. Aber Gott ist nur ein Wort. Eine Chiffre, die es immer wieder neu zu übersetzen gilt. Dass Gott uns den Geist einhaucht, ist für mich ein schönes Bild. Ich finde das Göttliche, wenn ich im Dialog bin, wenn ich Musik höre, wenn ich Sterbende begleite, wenn ich mit Menschen zusammen bin. Aber Gott lässt sich nicht auf ein bestimmtes Bild festnageln. Gott ist immer anders. Ich werde ihn nie finden. Ich bleibe immer ein Suchender.

zentral+: Wie reagiert die Bevölkerung auf Ihre Gottesdienste?

Metz: In den ersten Jahren war es härter für mich. Es gab schon Leute, die in andere Pfarreien abgewandert sind. Aber es sind auch viele, die sehr traditionell denken, wieder zurückgekehrt. Es freut mich, wie viele berührende Reaktionen ich bekommen habe, als ich meine Demission bekannt gab. Die Meisten finden es unglaublich schade, dass ich gehe. Das geht von Jugendlichen bis zu ganz alten Menschen. Sie schätzen meine Worte, wie ich die Beerdigungen gestaltete, was ich in der Kirche kulturell und spirituell vermittelt habe.

zentral+: Die Johanneskirche mutet von aussen wie ein etwas unheimlicher Betonbunker an. Was begeistert Sie an Ihrem Wirkungsort?

Metz: Der Inneraum der Kirche ist fantastisch. Ich habe mich von Anfang an in diesen Raum verliebt. Er ist wie eine Höhle oder eine Burg, die Schutz bietet. Die Jugendlichen nennen die Kirche seit jeher «Johannesburg». Es ist auch ein Raum, der nicht die üblichen Hierarchien zeigt wie die klassische Kirche. Es gibt im Altarbereich keinen besonderen Priesterstuhl, der grösser oder sonstwie anders wäre. Auch der verwinkelte Zugang in die Kirche fällt auf. Er betont das Suchende, was mir gefällt. Dies gerade im Kontrast zu einer Kirche, die einen Absolutheitsanspruch hat, was ich etwas ganz Schlimmes finde.

zentral+: Da haben Sie wahrscheinlich Mühe mit dem Katholizismus, wie er in Rom verstanden wird?

Metz: Mit Papst Benediktus XIV. hatte ich sehr Mühe, weil er den Dialog mit dem Kirchenvolk praktisch nicht zugelassen hat. Der jetzige Papst Franziskus I. macht mir einen besseren Eindruck, da er sich Bischof von Rom nennt und auch die Ortskirchen stärken will. Aber ich warte jetzt mal die Synode über Familienfragen im Herbst ab. Wenn er sich dort nicht für eine fortschrittliche Politik einsetzt, hat er für mich an Glaubwürdigkeit verloren.

zentral+: Die Amtskirche vertritt weiterhin die Meinung, dass Priester nicht heiraten, Frauen nicht Priester werden, homosexuelle Paare nicht gesegnet oder Geschiedene nicht wieder heiraten dürfen. Was sagen Sie dazu?

Metz: Ich schüttle da nur noch den Kopf und kann das Ganze eigentlich gar nicht mehr ernst nehmen. Es entspricht nicht meiner Position. Sie ist so weit weg von dem, wie ich die Kirche verstehe. Der Bischof von Essen hat kürzlich gefordert, dass die Kirche die Beziehung zu den Homosexuellen endlich normalisieren soll. Ich hoffe, dass das eine Welle gibt.

«Ich schüttle da nur noch den Kopf und kann das Ganze eigentlich gar nicht mehr ernst nehmen.»

Alois Metz

zentral+: Nach neun Jahren verlassen Sie die Würzenbach-Pfarrei. Was ist der Grund?

Metz: Ich spüre eine gewisse Müdigkeit. Meine Arbeit kostet Kraft. Unter 60 Stunden pro Woche komme ich nicht weg. Der administrative und organisatorische Teil ist sehr hoch. Ich möchte mal wieder weg von der Front und etwas Neues heranreifen lassen.

zentral+: Haben Sie schon eine Idee, wohin es Sie ziehen könnte?

Metz: Im Sommer gehe ich mal vier Wochen auf die Alm, helfe dem Sennen, lebe ohne Handy und schaue, was noch so da ist in mir. Ich bin 44, da überlegt man sich schon: Braucht es Korrekturen? Wo geht mein inneres Feuer hin? Klar ist, dass ich Kultur und Seelsorge miteinander verbinden würde. Ich studiere ja zur Zeit noch Kulturmanagement.

zentral+: Was könnten Sie sich für einen Job vorstellen?

Metz: Ich würde sehr gerne mit Schwerverbrechern arbeiten, mit ihnen Theater spielen und dann über Religion diskutieren.

«Ich würde sehr gerne mit Schwerverbrechern arbeiten, mit ihnen Theater spielen und dann über Religion diskutieren.»

Alois Metz

HINWEIS:
Alois Metz verabschiedet sich an Pfingsten mit einer besonderen kulturellen Liturgiefeier, an der junge Singer Songwriter, Liedermacher und die bekannte österreichische Opernsängerin Angelika Kirchschlager teilnehmen werden. Am Pfingstsamstag (23. Mai) werden Ophelias Iron Vest aus Luzern sowie die Liedermacher Dominik Plangger (Südtirol) und Cynthia Nickschass (Deutschland) auftreten. Am Pfingstsonntag wird Angelika Kirchschlager in der Liturgiefeier zu Gast sein. Laut Alois Metz werden alle Beteiligten, inklusive Opernsängerin, am Samstag und zum Teil auch am Sonntag gemeinsam «auf der Bühne stehen» und miteinander Musik machen.

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