Wie es an Luzerner Güterstrasse weitergehen soll

Die Besetzer planen Konzerte, die SBB eine Anzeige

An der Güterstrasse 7 wurde eine Wohnung im ersten Stock besetzt. Andere Wohnungen des Gebäudes sind gleichzeitig noch bewohnt.

(Bild: jav)

Seit Dezember kommt es wiederholt zu Wohnungsbesetzungen an der Güterstrasse 7. Es dürfte sich dabei um dieselbe Gruppe handeln, die seit 2016 in Luzern aktiv ist. Während die Besetzer von einer autonomen Schule träumen, will die Hauseigentümerin SBB Anzeige erstatten.

Gundula, Stella Matta und nun «Rosa Lavache» – die Luzerner Hausbesetzer-Gruppe scheint wieder zugeschlagen zu haben. An der Güterstrasse 7 ist eine Wohnung im ersten Stock besetzt. Im ersten Stock sind die Fenster von innen mit Plakaten beklebt.

Ab sofort werde die Wohnung genutzt, heisst es in einer Mitteilung von «Rosa Lavache», wie sich die Besetzer diesmal nennen. Die «Belebenden» zeigen sich – wie immer – ziemlich zuversichtlich. Am kommenden Freitag sollen ein öffentlicher Apéro und Konzerte stattfinden, am Sonntag anschliessend ein Znacht und Kinoabend.

Längerfristig planen die Besetzer in der besetzten Wohnung ein konstantes «Schulprogramm» gemeinsam mit der autonomen Schule Luzern. «Sobald eine stabile juristische Lösung gefunden wurde», werde dies Thema (zentralplus berichtete).

Bereits der zweite Fall im selben Haus

Doch dazu wird es wohl nicht kommen. Denn die SBB sagen ganz klar: «Nach dem erneuten Bezug einer leer stehenden Wohnung ohne Einverständnis leitet die SBB dieselben rechtlichen Schritte ein wie im Dezember.» Eine Strafanzeige ist also geplant.

Mediensprecher Reto Schärli erklärt: «Eine leer stehende Wohnung wurde bereits Mitte Dezember ohne Einverständnis der SBB bezogen. Eine Frist zur Wohnungsräumung bis am 13. Dezember wurde von den unrechtmässigen Nutzern nicht wahrgenommen.» Die SBB hätten deshalb bereits im Dezember rechtliche Schritte eingeleitet und bei der zuständigen Polizei Strafanzeige erstattet.

Urs Wigger von der Luzerner Polizei bestätigt die Anzeige vom Dezember. Bei einer Kontrolle am 20. Dezember sei jedoch niemand in der Wohnung im dritten Stock angetroffen worden. Die Besetzer hingegen sprechen von einer «polizeilichen Räumung» kurz vor Weihnachten.

Strafanzeige kommt, Räumung allenfalls

Die Luzerner Polizei hat derweil mit dem Sturmtief Burglind alle Hände voll zu tun. Sie habe durch die Medien von der Besetzung erfahren und stehe bisher nicht in Kontakt mit den SBB oder den Besetzern.

«Eine Zwischennutzung des Gebäudes ist aus Sicherheitsgründen nicht möglich.»
Reto Schärli, Mediensprecher SBB

Ob es jedoch zu einer Räumung kommt, ist derzeit noch offen. Urs Wigger erklärt: «Nachdem eine Anzeige eingegangen ist, wird der Fall von der Staatsanwaltschaft geprüft, und erst anschliessend wird die Polizei eventuell mit einer Räumung beauftragt.»

Aus Sicherheitsgründen keine Zwischennutzung?

Einige Wohnungen des Gebäudes stehen seit vergangenem Herbst leer. Acht Mietparteien inklusive des im Erdgeschoss befindlichen Kulturraums G7 sowie des Kunstateliers wurde auf Ende September 2017 gekündet. Dies, nachdem ein Bauingenieur der SBB-Immobilien das Haus untersuchte. Die SBB begründeten die Kündigung mit dem Argument «Erhalten der Personen- und Gebäudesicherheit» (zentralplus berichtete).

Der bauliche Zustand der über 100-jährigen Liegenschaft habe sich in den letzten zwei Jahren massiv verschlechtert, sagen die SBB. In tragenden Wänden hätten sich Risse gebildet. «Eine Zwischennutzung des Gebäudes ist aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Die SBB lehnt jede Haftung ab», betont Schärli. Eine Bewilligung zum Betreten des Haues könne man wegen der Sicherheit auch nicht geben.

Kommen überhaupt Besucher?

Nach der Gundula-Besetzung, die medial sehr präsent war und auch rege besucht wurde (die Reportage), kam es zu rund 30 Verurteilungen von Besetzern und Besuchern der Villa an der Obergrundstrasse 99 (zentralplus berichtete).

Erwarten die Besetzer trotzdem regen Besuch an ihrem neuen «belebten» Standort?

«Bewegung erzeugt Reibung.» Metaphorisch beginnt die Antwort von Rosa Lavache, mit welchen zentralplus per E-Mail in Kontakt steht. «Reibung im Sinne von Repression tut weh, nichtsdestotrotz sind wir überzeugt, lieber mit brennenden Augen und schmerzenden Geldbörsen in Bewegung zu sein, als stumpf und starr zuzusehen, wie Luzern zum Museum für Reiche wird. In diesem Sinne ermutigen wir alle, sich trotz Risiko zu einer aktiven, mutigen, rebellischen Häuserbewegung zu bekennen und die Veranstaltungen an der Güterstrasse 7 zahlreich zu besuchen.»

Noch immer Mieter im Haus

Das alte Haus weise tatsächlich Risse in den Wänden auf, diese seien aber schon seit Jahren vorhanden und hätten sich auch nicht gross verändert, zitieren die Besetzer einen ehemaligen Bewohner. Die Frage dränge sich auf, ob die Einschätzung der SBB Immobilien AG wirklich realistisch seien oder ob da wohl andere Interessen dahinter stünden? Die Besetzer finden: «Hier lebt es sich tipptopp.»

Auch einige Anwohner scheinen dieser Meinung zu sein. Denn überraschenderweise zeigt sich vor Ort: In mehreren Wohnungen an der Güterstrasse brennt Licht. Auf den Balkonen stehen Pflanzen, aus dem offenen Küchenfenster dampft es.

Mehrere Parteien haben Rekurs eingelegt und vor Gericht eine Fristerstreckung erlangt. Sie müssen daher erst im Sommer 2018 ausziehen. Dies bestätigt eine Anwohnerin gegenüber zentralplus.

Pläne für das Gebäude

«Für das Gebäude sind seitens der Eigentümerin SBB keine Nutzungs- oder Baupläne vorgesehen», schreibt Rosa Lavache in der Mitteilung. «Daher sollte es selbstverständlich sein, diesen Umstand gemeinsam zu hinterfragen und dagegen vorzugehen», so die Besetzer.

Reto Schärli sagt dazu, man habe sich tatsächlich dazu entschlossen, das Gebäude vorerst nicht zu sanieren. «Die SBB hat entschieden, die weitere Planung der Überbauung Rösslimatte und deren Auswirkungen abzuwarten», so Schärli.

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