Aus dem Leben eines Zuger Totengräbers

Der Tod ist sein täglicher Begleiter

Thomas Wymann trägt die Verantwortung über den Friedhofsbetrieb St. Michael. (Bild: wia)

Längst nicht alle sind im Reinen mit dem Tod. Thomas Wymann hingegen ist als Verantwortlicher des Friedhofbetriebs St. Michael täglich mit dem Thema konfrontiert. Ein Blick in einen besonderen Zuger Arbeitsalltag.

Es ist 7.30 Uhr morgens, der Dezembermorgen in Zug ist kalt und grau. Eine Beerdigung steht bevor. All diese Faktoren scheinen Thomas Wymann und seinen Kollegen nicht missmutig zu stimmen. Die drei Männer stehen im Gebäude der Friedhofsverwaltung beieinander, tauschen ein paar freundliche Worte aus, bevor jeder seinen Aufgaben nachgeht.

Wymann holt ein kleines Elektrofahrzeug aus der Garage, fährt vor die Aufbahrungshalle und beginnt, Material auf die Ladefläche zu packen. Darunter ein Holzkreuz, eine hölzerne Urne, einen Lautsprecher und ein Mikrofon. «Um 9.30 Uhr findet eine Beerdigung auf dem Gemeinschaftsgrab statt. Diese bereite ich nun vor», erklärt er, während er kontrolliert, ob er alles Material beieinander hat.

«Zwar heisst es, die Abdankung finde im engsten Familienkreis statt», sagt Wymann mit Blick auf den grossen Lautsprecher. «Doch es kam auch schon vor, dass die Familie eine Feier im engsten Familienkreis ankündigte, jedoch selber noch Leute einlud. Plötzlich standen 80 Menschen auf dem Friedhof. Lieber bin ich für jeden Fall gewappnet», sagt er und schmunzelt.

Parat für ihren Einsatz: Grabkreuze des Friedhofs St. Michael. (Bild: wia)

Tremola in Richtung Gemeinschaftsgrab

Dann fährt er los, über einen Friedhof, der gerade aus dem Dämmerzustand erwacht. Den Höhenunterschied zwischen den abgestuften Grabfeldern überwindet er elegant über eine schmale Strasse. «Wir nennen diesen Abschnitt Tremola», sagt Wymann, während er eine enge Kurve in Richtung Gemeinschaftsgrab hinunterfährt. Die Leichtigkeit, mit welcher der Leiter des Friedhofsbetriebs St. Michael über den Tod und seine Arbeit spricht, ist angenehm.

Es wird langsam hell. Unterhalb der Grabfelder ist bereits die Kirche sichtbar, die dem Friedhof seinen Namen verleiht. Das Wort Friedhof ist bei dieser aussichtsreichen, mit vielen Bäumen gesäumten Anlage nicht verschwendet. Friedlich ist es hier durchaus. «Das ist einer der schönsten Pärke in Zug. Viele nutzen ihn, um zur Ruhe zu kommen oder zu lesen. Viele finden ihn aber streng mit seinen vielen Stufen», erzählt Wymann.

Mühe mit der Pensionierung, nicht mit dem Tod

«Mühe mit dem Tod habe ich nicht», sagt Wymann. «Von Vorteil war sicher, dass ich als Kind in der Nähe eines Bildhauers wohnte. Oft besuchte ich seine Werkstatt und war auch dabei, wenn Grabsteine versetzt wurden. So etwas war früher ganz normal.» Er ergänzt: «Doch es gibt viele Menschen, die der Gedanken an den Tod beunruhigt. Das ist sehr individuell. Ob man damit umgehen kann oder nicht, merkt man schliesslich erst, wenn es einen selbst oder einen Nahestehenden trifft.» Er zögert kurz und sagt: «Ich selber habe eher Mühe mit dem Gedanken, dass ich in ein paar Jahren pensioniert werde.»

Kurz vor der Beerdigung macht Thomas Wymann alles bereit. (Bild: wia)

Die Abdankungshalle St. Michael

2005 liess die Stadt eine neue Abdankungshalle bauen. Dies, da der sanierungsbedürftige Bau aus dem Jahr 1975 den Ansprüchen nicht mehr genügte. Verantwortlich für Architektur und Planung war das Büro Burkhard Meyer in Baden. Die Kunst am Bau stammt von Hugo Suter. Kostenpunkt: 8,2 Millionen Franken. Die moderne Halle erfüllt vier Aufgaben. Hier befindet sich der Werkhof für den Unterhalt, die Aufbahrung, die Abdankungshalle und der Platz für die Besammlung und den Gang auf den Friedhof. Der Baustil ist konfessionslos. Das Kreuz im Innern der Abdankungshalle lässt sich bei Bedarf abmontieren.

Sein hektischer Job brachte ihn auf den Friedhof

Zum Job auf dem Friedhof kam Wymann vor 15 Jahren per Zufall. «Ich arbeitete als Produktionsleiter in einem Unternehmen, das unter anderem Windeln produzierte. Als Verantwortlicher über 60 Menschen stand ich unter Druck.» So sehr, dass er Schwierigkeiten hatte, abends einzuschlafen. «Bei so vielen Angestellten hat immer einer irgendein Problem.» Er ergänzt: «Ich wusste: Wenn ich so weitermache, werde ich nicht alt.» Seine Frau machte ihn auf das Jobinserat der Stadt Zug aufmerksam. Wymann bewarb sich nach einigem Zögern.

Die Abdankungshalle wurde im Jahr 2005 für rund acht Millionen Franken gebaut. (Bild: wia)

180 Menschen werden jährlich hier beerdigt

Rund 180 Menschen werden jährlich auf dem Friedhof St. Michael in Zug beerdigt. Abwechselnd mit seinen zwei Mitarbeitern ist Wymann jeweils während einer Woche für die Beerdigungen verantwortlich. Damit er den Überblick behält, hängen am Whiteboard in seinem Büro die ausgedruckten Informationen über jede einzelne Bestattung in dieser Zeit. «Wichtig ist insbesondere, wie eine Person bestattet wird: Handelt es sich um ein Urnenbegräbnis oder eine Erdbestattung? Kommt die Person in ein Nischen- oder Familiengrab? Auch muss ich beachten, welcher Konfession die Verstorbenen angehörten.» Dies, da sich die Rituale je nachdem unterscheiden und die Beerdigungen entsprechend vorbereitet werden müssen.

«In den meisten Fällen sind die Verstorbenen katholisch oder reformiert. Nur wenige sind konfessionslos.» Streng gläubige Juden und Muslime werden eher andernorts beerdigt, auf spezifischen Friedhöfen. «Ab und zu bestatten wir jedoch auch hier muslimische oder jüdische Menschen. Vor allem, wenn sie nicht streng gläubig waren. Bedauerlicherweise sind unsere Strukturen jedoch darauf nicht ausgerichtet.»

Will heissen? «Die Rituale des Islams sind spezifisch und benötigen mehr Platz, so etwa folgt die Totenwaschung klaren Regeln.» Er denkt kurz nach und sagt dann: «Eigentlich müsste es im Kanton Zug eine Gemeinde geben, wo dies möglich ist.» Es ist ein Anliegen, dass Wymann bereits auf politischer Ebene anstossen wollte. «Leider erfolglos.» Er ergänzt: «Man kann nicht die ganze Welt nach Zug holen, und wenn die Leute sterben, sind sie einem plötzlich egal.»

Im unteren Teil des Gebäudes werden Leichen aufgebahrt. (Bild: wia)

Kaum jemand wünscht eine Erdbestattung

Während er den Friedhof durchquert, hält der Friedhofsverantwortliche plötzlich an und nickt in Richtung eines Grabfelds. Es ist jenes, auf denen Erdbestattungen durchgeführt werden. «Die meisten Menschen wollen heutzutage kremiert werden. Dieses Jahr hatten wir erst fünf Erdbestattungen und nur eine im Reihengrabfeld. Doch das ist von Jahr zu Jahr verschieden. 2022 waren es 21.» Auf die nächste Erdbestattung ist man jedenfalls vorbereitet. Unter einer Metallabdeckung klafft bereits ein zwei Meter tiefes Loch.

«Ich bin froh, dass ich nicht in der Stadt Zug lebe. Es wäre für mich deutlich schwieriger, meine Arbeit zu machen, wenn ich viele Verstorbene kennen würde», so Wymann, der selbst in Morgarten lebt. «Dennoch kommt das ab und zu vor. Etwa Menschen, welche die Gräber ihrer verstorbenen Ehepartner lange Zeit täglich oder wöchentlich besucht haben und dann selber sterben.»

Nun ist es bereits 8.45 Uhr. Die Urne steht auf einem Gestell beim Gemeinschaftsgrab parat, der Lautsprecher ist angeschlossen, der Weihwasserbehälter wartet auf seinen Inhalt. Fehlen nur noch die Trauergäste und der Pfarrer.

Thomas Wymann muss sich nun umziehen. Raus aus den Arbeitskleidern, rein in die Schale, um dann die Trauergäste rechtzeitig zu begrüssen. Die Person, die heute beigesetzt wird, war älteren Semesters. «Es gibt schon Todesfälle, bei denen ich mehr Mühe habe. Wenn es nicht der Reihe nach geht, ist es immer schlimm.» Er sagt es, und sein Blick wandert in Richtung eines ovalen Teichs, der gesäumt ist von Kindergräbern.

Verwendete Quellen
  • Reportage auf dem Friedhof St. Michael
  • Gespräche vor Ort
  • Website Burkhard Meyer Architekten
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