Den Zuger Asyldiensten laufen die Arbeitskräfte davon
Dutzende Angestellte verliessen im vergangenen Jahr ihre Stelle bei den Sozialen Diensten Asyl im Kanton Zug. Ein Grossteil davon sind Hilfskräfte. Betroffene berichten von unfairen Arbeitsverträgen.
Die Zuger Direktion des Innern wurde in den letzten Monaten stark kritisiert. Dies nicht nur aufgrund einer Verletzung des Kommissionsgeheimnisses und der unorthodoxen Handhabungen von Anstellungen sowie privater Verbandelungen in der Verwaltung (zentralplus berichtete). Nun kommen auch problematische Begebenheiten im Bereich Soziale Dienste Asyl ans Licht.
«Die Fluktuationsrate bei den Sozialen Diensten Asyl betrug im Jahr 2023 über 30 Prozent und verursachte entsprechende Fluktuationskosten», äusserte sich die Staatswirtschaftskommission (Stawiko) in ihrem Bericht zum Jahresbericht 2023, der Anfang Juni erschien. Konkret verliessen 44 Personen die Asyldienste.
Voran ging ein Mehrbedarf an Personal. Grund dafür war der Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Der Bedarf sei im vergangenen Jahr grösstenteils durch Hilfskräfte gedeckt worden. (Anm. der Redaktion: Ab 2022 wurden nach mehreren Jahren erstmals wieder Hilfskräfte angestellt)
Deutlich schlechtere Anstellungsbedingungen für Hilfskräfte
Die Stawiko schrieb zur Anstellung solcher Hilfskräfte: «Sie erhalten zwar den gleichen Lohn wie Festangestellte, verfügen jedoch über deutlich schlechtere Anstellungsbedingungen im Vergleich zu Festangestellten.
«Diese Differenzen beeinträchtigen die Zusammenarbeit in den Teams, da die Unsicherheit über Vertragsverlängerungen zu Konkurrenzverhalten führt und die Motivation sinkt», schreibt die Stawiko, und weiter: «Qualifizierte Fachkräfte ziehen es oft vor, nicht als Hilfskraft eingestellt zu werden, was die Rekrutierung von kompetenten Mitarbeitenden erschwert.»
Die schlechteren Arbeitsbedingungen lassen sich an mehreren Beispielen festmachen: In einem zentralplus vorliegenden Arbeitsvertrag einer Hilfskraft im Asylbereich liest man Folgendes: «Aushilfspersonal und Hilfskräfte haben ab dem 20. Altersjahr unabhängig vom Alter Anspruch auf vier Wochen Ferien.»
Wenn der gleichaltrige Kollege zwei Wochen mehr Ferien geniesst
Gemäss Gesetz über das Anstellungsverhältnis des Staatspersonals haben Mitarbeiter ab dem vollendeten 30. Altersjahr Anspruch auf 25 Tage Ferien, ab dem 50. Altersjahr auf 28 und ab dem 60. Altersjahr auf 30 Tage. Eine 61-jährige Hilfskraft erhält also zehn Tage oder zwei Ferienwochen weniger als ihre gleichaltrigen Kollegen im festen Arbeitsverhältnis.
Auch bezüglich der Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Unfall haben Hilfskräfte das Nachsehen. Wer im ersten Arbeitsjahr über eine längere Zeit krank wird, erhält nur gerade während drei Wochen den vollen Lohn. Fixangestellte, erhalten hingegen während der ersten 12 Monate den vollen Lohn. Danach besteht der Anspruch auf 80 Prozent des Lohns während weiterer 12 Monate. Weiter sind Hilfskräfte auch bei den Familienzulagen benachteiligt. Sie erhalten gar keine Zulagen.
Betroffene sprechen von «massiver Mitarbeiterunzufriedenheit»
Würden Hilfskräfte nur während kurzer Zeitspannen angestellt, wären diese Bedingungen weniger einschneidend. Betroffene sprechen jedoch von mehrjährigen «Kettenverträgen». «Die Unterschiede bei den Anstellungsbedingungen führen zu einer massiven Mitarbeiterunzufriedenheit», sagt eine betroffene Person, die lieber anonym bleiben will.
Die Stawiko forderte den Regierungsrat in ihrem Bericht auf, die «kostenintensive Fluktuation bei den Hilfskräften nach Möglichkeit zu reduzieren». Dies etwa durch befristete Festanstellungen. Und weiter: «Zudem sollen die Möglichkeiten zur Angleichung der Anstellungsbedingungen an die Bedingungen der Festangestellten im Bereich der Ferientage, Lohnfortzahlung et cetera geprüft werden.»
Soziale Dienste Asyl: 44 Abgänge allein im Jahr 2023
Gemäss Angaben der Direktion des Innern haben im Jahr 2023 23 Mitarbeitende gekündigt, «davon verfügten 17 über einen befristeten Hilfsvertrag». Zu diesen Abgängen kamen neun Kündigungen durch den Arbeitgeber sowie zwölf ausgelaufene, befristete Arbeitsverträge. Insgesamt verliessen im vergangenen Jahr also 44 Personen die Sozialen Dienste Asyl (SDA).
Zum Vergleich: 2022 waren es 36. «Davon waren 18 Kündigungen durch die Mitarbeitenden, vier Kündigungen des Arbeitgebers und 14 befristete Arbeitsverträge, die nicht verlängert wurden», heisst es bei der Direktion des Innern auf Anfrage. Im Jahr 2021, also noch vor dem Ukraine-Krieg und entsprechenden Hilfsarbeitsverträgen, waren es insgesamt zehn Abgänge.
Direktion des Innern will mehr Festanstellungen
Auf die Frage, was die Direktion des Innern konkret gegen die hohe Fluktuation unternehmen will, verweist Regierungsrat Andreas Hostettler auf die von der Stawiko vorgeschlagene Massnahme, der Fluktuation mit befristeten und unbefristeten Festanstellungen entgegenzuwirken. «Darüber kann jedoch nur das Parlament entscheiden», so der Zuger Direktor des Innern.
Für Änderungen bei den Anstellungsbedingungen bedürfe es der Zustimmung des Kantonsrats und/oder des Regierungsrats, je nachdem, ob sich die Entscheide auf das Personalgesetz oder die Ausführungsbestimmungen beziehen. «Da Hilfskräfte nicht nur beim Asylwesen angestellt werden, müssen alle Direktionen mit allfälligen Änderungen einverstanden sein», so Hostettler weiter.
Daneben durchlaufen die Asyldienste derzeit einen Kulturentwicklungsprozess, der im Rahmen eines Reorganisationsprojekts als unterstützende Begleitmassnahme eingesetzt wurde. Der Prozess begann Ende 2022 und wird gemäss DI teilweise von Externen begleitet. In einem Projekt werde ein Onboarding-Programm entwickelt, das einen Willkommenstag und strukturierte Einführungsprogramme für jedes Team umfasse. Ausserdem hätten alle Führungskräfte eine Schulung zur Personalgewinnung absolviert. Dieser Entwicklungsprozess
Hilfskräfte sind eigentlich eine kurzfristige Lösung
Sowohl bei Hilfsarbeits- wie auch bei fixen Verträgen im Bereich SDA gibt es eine Klausel, die besagt, dass der Kanton bei rückläufigen Zahlen im Asyl- und Flüchtlingsbereich Arbeitsverhältnisse termingerecht künden kann. Da stellt sich die Frage, warum die Verwaltung überhaupt auf Hilfskräfte im Asylbereich zurückgreift.
Hostettler sagt dazu: «Die Stellen für Verwaltungspersonal, also unbefristete Festanstellungen, werden im Rahmen des jährlichen Budgetprozesses vom Parlament bewilligt.» Bei einem kurzfristigen Arbeitsanfall könne die Direktion (DI) daher nur befristete Hilfskräfte anstellen, da auch die Klausel im Arbeitsvertrag daran nichts ändere.
«Sollte sich ein erhöhter Bedarf langfristig abzeichnen, wie es im Asyl- und Flüchtlingsbereich aufgrund der geopolitischen Lage wahrscheinlich ist, könnten beispielsweise solche befristeten Stellen im Rahmen des ordentlichen Budgetprozesses vom Parlament in unbefristete Stellen umgewandelt werden.»
Für die Entscheidung, Hilfsarbeitsverträge anstelle von fixen Verträgen anzubieten, sei nicht die Klausel entscheidend, sondern die Budgetvorgaben. «Hilfsarbeitsverträge bieten der DI eine kurzfristige Lösung, um auf kurzfristige Arbeitsanfallsspitzen zu reagieren, ohne dass dafür zusätzliche unbefristete Stellen geschaffen werden müssen.» Diese Flexibilität sei insbesondere in Bereichen mit schwankendem Arbeitsaufkommen von Bedeutung.
Die Zahl der Asylbewerber im Kanton Zug steigt. Erst kürzlich wurde bekannt, dass im Kanton eine erste unterirdische Schutzanlage als Asylunterkunft genutzt werden soll (zentralplus berichtet). Personalmangel bestehe dennoch nicht. «Derzeit sind alle Stellen bei den SDA besetzt», heisst es.
Journalistin und langjährige Autorin bei zentralplus. Schreibt über politische Querelen, aufregende Bauprojekte und gesellschaftlich Bewegendes. Am liebsten jedoch schreibt sie über Menschen. Und natürlich Hunde.