Offener Brief mit heftigen Vorwürfen

Demonstranten beschuldigen Luzerner Polizei

Bei der diesjährigen Demonstration am 2. Mai wurden vier Personen festgenommen. Die Veranstalter sprechen von Beweisfälschung. (Bild: zvg)

In einem offenen Brief fordern die Veranstalter der Demo vom 2. Mai Antworten. Darauf, dass bei einer friedlichen, bewilligten Demonstration durch die Polizei unverhältnismässig eingegriffen worden sei. Diese weist alle Vorwürfe zurück. Doch die Veranstalter ergreifen nun weitere Massnahmen.

Nach der Demonstration vom 2. Mai ging nun ein offener Brief der Veranstalter an die Stadt und die Luzerner Polizei ein. Der Brief fasst verschiedenste Vorwürfe an die Polizei zusammen, fragt nach Erklärungen und einer Entschuldigung.

Einfach nur bedauerlich?

Am 2. Mai tanzten Demonstranten gemeinsam unter dem Motto «Eine andere Welt ist möglich» durch Luzern. Die Demonstration fand bereits das fünfte Mal in diesem Rahmen statt.

Die bewilligte Veranstaltung verlief nach Angaben der Veranstalter friedlich, bis die 600 – 800 Teilnehmer kurz vor Ende auf Polizisten in Vollmontur stiessen, worauf die Situation eskalierte. Von Seiten der Veranstalter heisst es: «Mit Tränengas, Pfefferspray und Knüppeleinsatz wurden, ohne Rücksicht auf Familien und Kinder, einzelne Leute aus der friedlichen Tanzdemo herausgerissen.»

Eine Sanitäterin der Demonstration, die verhaftet wurde, erhebt massive Vorwürfe gegenüber der Polizei, ihr sei Vermummungsmaterial untergejubelt worden (zentral+ berichtete). «Es handelt sich um den Vorhalt einer Teilnehmerin, welcher nicht nachvollzogen werden kann», weist Kurt Graf von der Luzerner Polizei den Vorwurf zurück.

Die Polizei sagt: «Die Luzerner Polizei musste wegen gesetzeswidrigem Verhalten einzelner Demoteilnehmenden einschreiten. Dies ist besonders für all jene bedauerlich, welche sich korrekt an der Demo beteiligten. Die Polizisten, welche die Festnahmen vornahmen, wurden von Demo-Teilnehmenden mit Dachlatten, Flaschen und so weiter angegriffen, um diese zu behindern.»

Klärung erforderlich?

Adrian Muheim vom Bündnis «Eine andere Welt ist möglich!», den Organisatoren der Demonstration, erklärt: «Unser Ziel mit dem offenen Brief ist es vor allem, die Verantwortlichen zu konfrontieren, die Öffentlichkeit zu informieren und für die Zukunft eindeutig zu klären, womit man von Seiten der Polizei bei weiteren Demonstrationen rechnen muss.»

«Wir werden auf jeden Fall Beschwerde einreichen.»
Adrian Muheim, Bündnis «Eine andere Welt ist möglich!»

«War der Einsatz der Polizei eine Rache-Aktion, für die unbewilligten Demonstration vom 22. April 2015?», fragt das Bündnis im offenen Brief. «Natürlich ist das etwas provokativ formuliert», gibt Muheim zu, betont jedoch: «Das aber nur, weil wir wirklich absolut nicht wissen, warum die Polizei in diesem Jahr so hart reagiert, beziehungweise warum sie überhaupt eingegriffen hat.» Auch in den letzten Jahren seien ein paar Feuerwerkskörper gezündet worden und das sei kein Thema gewesen.

Die Luzerner Polizei bestätigt das härtere Eingreifen indirekt: «Es war eine Vorgabe, bei Vergehen, wie dem Missachten des Sprengstoffgesetztes durch Abbrennen von Pyrotechnischen Artikeln oder dem Vermummungsverbot, einzugreifen. Dies bei geeigneter Situation und verhältnismässig. Beim Schwanenplatz waren diese Vorgaben erfüllt.»

Es sei auch bei allen vier Festgenommenen Strafanzeige erstellt worden. Der Polizei habe sich bei den Festnahmen an jene Demoteilnehmer gehalten, welche Pyros gezündet haben und/oder die, die sich vermummt haben. «Die anderen Teilnehmer konnten die Demo auf der vorgesehenen Route weitergehen», sagt Graf.

Kinder betroffen?

Im offenen Brief heisst es hingegen: «Wir sind nach wie vor schockiert vom Vorgehen der Polizei. Wir haben von mehreren kleinen Kindern gehört, dass sie durch den Polizeieinsatz traumatisiert wurden. Sie konnten unter anderem nicht schlafen und haben seither Angst vor der der Polizei. Wird sich die Polizei bei den Kindern, den älteren Menschen und den anderen Personen, die ebenfalls vom Einsatz von Zwangsmittel betroffen waren, entschuldigen?» Auch am Telefon betont Muheim nochmals: «Es waren mehrere Mütter mit Kindern dabei. Für diese war das ein schockierendes Erlebnis.»

Ein paar solcher Vowürfe seien ihm zu Ohren gekommen, so Graf. «Dass konkrete Beschwerden eingegangen sein sollen, ist mir nicht bekannt.» Und es würden erst Ermittlungen eingeleitet, wenn das der Fall wäre. Dies betreffe auch den Fall mit dem Vowurf der Sanitäterin. Weiter erklärt Graf das Vorgehen: «Es ist Bildmaterial vorhanden, welches derzeit ausgewertet wird.» Danach werde man weitersehen.

Ermittlungen wird die Polizei einleiten müssen, betont Adrian Muheim: «Wir werden auf jeden Fall Beschwerde einreichen. Zur Zeit stellt sich uns die Frage, wer alles Beschwerde einreichen wird und welche Form diese Beschwerde haben wird.» Sie hätten jedoch zuerst mit dem offenen Brief auf Stadt und Polizei zugehen wollen. Denn: «Eigentlich bin ich der Meinung, dass es gerade im Fall der Beweisfälschung auch im Interesse der Polizei liegen sollte, diesen Vorfall aufzuklären.» zentral+ sind noch weitere zwei Personen bekannt, die eine Beschwerde einreichen wollen.

«Bezüglich der Kundgebung wird mit dem Bewilligungsnehmer in den nächsten Tagen eine Sitzung stattfinden.»
Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen

Und welche Massnahmen werden nach solchen Vorkommnissen und Vorwürfen von Seiten der Stadt getroffen? Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen, sagt: «Bezüglich der Kundgebung wird mit dem Bewilligungsnehmer in den nächsten Tagen eine Sitzung stattfinden. Dabei wird die Bewilligung und deren Einhaltung besprochen. Auch sollen dabei mögliche, zukünftige Kundgebungen thematisiert werden.»

Der offene Brief

Offener Brief an die Stadt Luzern, die Luzerer Polizei und die Staatsanwaltschaft Luzern

Sehr geehrte Damen und Herren

Am Samstag dem 2. Mai 2015 demonstrierten ca. 800 Personen in Luzern gegen den Kapitalismus. Die fast 2-stündige Demonstration verlief friedlich, bis auf der Seebrücke einige Pyros abgebrannt wurden, worauf ca. 10-20 Polizisten aus dem Hinterhalt und ohne Vorwarnung in die Demonstration stürzten und scheinbar wahllos Leute festnahmen. Zu diesem Vorfall, haben wir als OrganisatorInnen mehrere Fragen.

1.  Wer hat den Einsatz geleitet, was war der Auftrag der Polizei und warum wurde der Einsatz unter solch massivem Aufwand von Gewalt durchgeführt?
2.  Warum hat die Polizei in diesem Jahr eingegriffen, während sie in den vergangenen Jahren praktisch identische Situationen tolerierte?
3.  Warum wurde nicht zu Erst das Gespräch mit den OrganisatorInnen gesucht?
4.  Weshalb wurden ausgerechnet diese vier Personen verhaftet?
5.  Wurden alle 4 Personen angezeigt? Wenn Ja warum? Wenn Nein warum wurden sie 
dann festgenommen?
6.  Im Interview mit tele1 vom 3.5.2015 behauptet der Pikettoffizier Georges Dumont 
dass es zu jeder Zeit möglich gewesen sei, sich von der Demo zu entfernen. Wie konnten sich Leute von der Demo entfernen, da die Polizei ohne Vorwarnung aus dem Hinterhalt in die Demo stürmte?
7.  Einer Verhafteten wurde Vermummungsmaterial untergejubelt. Geschah dies auf Befehl eines Vorgesetzten oder hat der betroffene Polizist eigenmächtig gehandelt?
8.  Wurden bezüglich der Beweisfälschung sowie der Verleumdung (es wurde mehrmals behauptet, dass alle Personen vermummt waren und Pyrotechnisches Material gezündet haben) bereits Untersuchungen eingeleitet?
9.  War der Einsatz der Polizei eine Rache-Aktion, für die unbewilligten Demonstration vom 22. April 2015?
10.  Wir sind nach wie vor schockiert vom Vorgehen der Polizei. Wir haben von mehreren kleinen Kindern gehört, dass sie vom Polizeieinsatz traumatisiert wurden. Sie konnten unter anderem nicht schlafen und haben Angst vor der der Polizei. Wird sich die Polizei bei den Kindern, den älteren Menschen und den anderen Personen, die ebenfalls vom Einsatz von Zwangsmittel betroffen waren, entschuldigen?

Um Klarheit über diese Vorkommnisse zu schaffen, danken wir Ihnen für die Beantwortung dieser Fragen.

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