Felssturz und Überschwemmung in Wolhusen

«Das war wie ein Meteoriteneinschlag»

Die Drohne sieht: Das Gelände des Kieswerks Imbach steht unter Wasser. (Bild: ZSO Emme)

In Wolhusen ist eine riesige Felswand abgebrochen. Bis zu 600 Lastwagenladungen Geröll verstopften die Kleine Emme. Die Folge: Überflutete Häuser, evakuierte Bewohner, gekappte Stromleitungen, beschädigte Öltanks. Jetzt brauchts Sprengstoff um aufzuräumen.

Der Felssturz ereignete sich nach 3.30 Uhr in der Nacht auf heute. In der Folge überschwemmte die Kleine Emme die Entlebucherstrasse und mehrere Wohnhäuser und Gewerbebetriebe in der Gemeinde Werthenstein. «Wir erhielten die Meldung, dass die Badfluh abgebrochen ist», berichtet Feuerwehrkommandant Beat Zihlmann vom Einsatz. «Wegen der Dunkelheit konnten wir aber nicht einschätzen, ob noch Gefahr droht. Deshalb haben wir sofort alle Häuser auf der rechten Flussseite evakuiert.»

Beim Morgengrauen zeigte sich das Ausmass des Felssturzes: Die gesamte Wand ist abgebrochen, Geröll und grosse Felsblöcke stauten die Kleine Emme. «5000 bis 6000 Kubikmeter Fels liegen im Bachbett», erklärt der Geologe Klaus Louis, das sind 500 bis 600 Lastwagenladungen. Weil gleich unter der Felswand eine Sandbank lag, sei Geröll fast 200 Meter weit gespickt: «Das war wie ein Meteoriteneinschlag. So etwas habe ich in meiner Karriere noch nie gesehen.»

Das Geröll verstreute sich bis fast zur Bahnstrecke.

Das Geröll verstreute sich bis fast zur Bahnstrecke.

(Bild: rul)

Die Luzerner Polizei bestätigte, dass keine Personen zu Schaden gekommen seien. Allerdings wurden mehrere Keller geflutet und Autos mitgerissen. Auch eine Trafostation steht unter Wasser und musste abgeschaltet werden, das betroffene Quartier hat deshalb keinen Strom.

Tankstelle beschädigt?

Im Dorf lag den ganzen Tag Ölgeruch in der Luft. Die Leute vermuteten deshalb, dass eine im Gebiet des Felssturzes liegende Tankstelle beschädigt wurde. Das sei nicht so, sagte Beat Zihlmann, Kommandant der Feuerwehr Wolhusen. Aber es lecke wohl der eine oder andere Heizöltank in den überfluteten Kellern. Ob Gewässer oder das Grundwasser verschmutzt worden sei, könne man noch nicht sagen, meint Kommandant Zihlmann: «Erst müssen wir die betroffenen Keller auspumpen und uns ein Bild der Lage machen.» (Update: Inzwischen ist das Ausmass der Ölverschmutzung bekannt)

Das Kieswerk in der Badfluh wird vom Wasser umströmt

Felsblöcke werden gesprengt

Quartier evakuiert, Strasse gesperrt

Rund 20 Anwohner wurden evakuiert, bis Montagabend waren diese immer noch in einem Hotel in Wolhusen untergebracht. «Wir hoffen, dass wir bald alle Keller ausgepumpt haben und der Strom wieder da ist», sagt Feuerwehr-Kommandant Beat Zihlmann, «vorher können die Leute nicht zurück in ihre Häuser.»

Gesperrt ist die Hauptstrasse zwischen Wolhusen und Entlebuch. Auch die Postautolinie Wolhusen–Doppleschwand ist unterbrochen. «Wir möchten die Strasse so schnell wie möglich wieder freigeben», sagt Kurt Graf von der Luzerner Polizei. Er will jedoch noch keine Prognose wagen, wann dies geschehen könnte. Autofahrer können via Rengg ausweichen, eine Umleitung ist signalisiert. Lastwagenfahrer sollten das Gebiet grossräumig umfahren.

Die Kleine Emme nimmt unterdessen schon fast wieder ihren gewohnten Lauf: Nur das Kieswerk der Firma Imbach wird noch vom Fluss umspült. «Wir haben einen Erdwall errichtet, um das Wasser zurück ins Bett zu leiten», erklärt Feuerwehrkommandant Zihlmann. Nun sei man damit beschäftigt, Wasser aus den überschwemmten Kellern zu pumpen. Die Feuerwehr ist mit etwa 50 Einsatzkräften im Einsatz.

Auch hat man damit begonnen, Felsbrocken aus dem Bachbett zu baggern. Allerdings sind diese teilweise viel zu gross für die Bagger: «Die grössten Felsblöcke werden wir sprengen, um sie aus der Kleinen Emme holen zu können», erklärt Geologe Louis. Er rechnet damit, dass bis spätestens in einer Woche das Bachbett wieder frei sein wird.

Mitarbeiter einer Spezialfirma sind damit beschäftigt, die Felswand zu sichern: «Ich rechne zwar nicht damit, dass es zu einem Nachbruch kommt», sagt Geologe Klaus Louis, aber es gebe absturzgefährdete Bäume, die man möglichst schnell entfernen müsse.

Schwierige Aufgabe: Mehrere Bagger sind damit beschäftigt, die Felsbrocken aus der Emme zu fischen.

Schwierige Aufgabe: Mehrere Bagger sind damit beschäftigt, die Felsbrocken aus der Emme zu fischen.

(Bild: rul)

Glück im Ungück

In der Produktionshalle der Gawo Gasser AG steht das Wasser kniehoch. Viele ihrer produzierten Fenster müssten sie nun wohl wegschmeissen, fürchten Geschäftsführer Simone und Basil Gasser. Bereits beim Hochwasser 2005 wurde ihr Betrieb überflutet, daraufhin wurde eine Hochwasserschutzmauer errichtet: «Aber die war für uns diesmal ein Bumerang» sagt Basil Gasser: «Die Emme konnte dadurch nicht mehr zurück ins Bachbett.» Hauptsächlich ist man aber froh, dass keine Personen betroffen waren. «Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn der Felssturz am Tag stattgefunden hätte», sagt auch der Werthensteiner Gemeindepräsident Beat Bucheli: «Viele Leute arbeiten hier und die Strasse ist stark befahren. Dieser Felssturz trifft uns völlig aus dem Nichts.»

Das Kieswerk Imbach in Werthenstein. Rechts: Wo die Emme eigentlich durchfliessen sollte. Links: Wo sie jetzt auch durchfliesst.

Das Kieswerk Imbach in Werthenstein. Rechts: Wo die Emme eigentlich durchfliessen sollte. Links: Wo sie jetzt auch durchfliesst.

(Bild: rul)

«Absturz nicht überraschend»

Kein Frost und auch keine intensiven Regenfälle seien Grund für den Absturz, sagt Geologe Klaus Louis: «Das war ein ganz gewöhnlicher Felssturz.» Die Emme habe die Wand unterspült; dass diese irgendwann abstürzen würde, sei klar gewesen. Im Staatsarchiv Luzern stehen alte Verwaltungsakten, die von Aufräumarbeiten nach einem Felssturz in der Badfluh im Jahr 1911 berichten. Auch in der Gefahrenkarte war die Felswand in der Badfluh rot markiert, also «stark gefährdet». Geologe Louis: «Dass es nun diesen Felssturz gegeben hat, ist deshalb überhaupt keine Überraschung. Aber ich hätte nicht gedacht, dass gleich so viel Material abstürzt.»

Über den Felssturz von Wolhusen hat zentral+ weiter berichtet: Hat der Kanton Luzern Vorwarnungen ignoriert? Unsere Recherche. Lesen Sie auch, wieso das Szenario «Überschwemmung durch Felssturz» seit langem bekannt war, aber trotzdem keine Schutzmassnahmen getroffen wurden.

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