Das halten Junge von der katholischen Kirche in Luzern
«Nehmet und esset alle davon» – die katholische Kirchgemeinde der Stadt Luzern hat gemäss jungen Mitgliedern noch viel Verbesserungspotential. (Bild: Adobe Stock)
Die katholische Kirchgemeinde der Stadt Luzern hat ihre jungen Mitglieder gefragt, wie sie den Ruf ihrer Kirche beurteilen. Diese geben konkrete Vorschläge, was sich verbessern soll.
Vor gut einem Jahr wurde dank einer Studie bekannt, dass es innerhalb der katholischen Kirche in der Schweiz über Jahrzehnte hinweg zu zahlreichen Missbrauchsfällen gekommen ist (zentralplus berichtete). Im Nachgang des Skandals kam es zu einer Welle von Kirchenaustritten und das Ansehen der katholischen Würdenträger sank rapide (zentralplus berichtete).
Vor diesem Hintergrund hat die katholische Kirchgemeinde der Stadt Luzern eine Umfrage gemacht, deren repräsentativen Resultate sie am Mittwoch veröffentlichte. Die Gemeinde wollte wissen, wie es um ihren Ruf bei ihren jüngeren Mitgliedern im Alter zwischen 18 und 39 Jahren steht. Die Ergebnisse der Studie sind überraschend, wie es die Gemeinde selbst ausdrückt.
Wenig fortschrittlich, aber bodenständig
Rund 350 Kirchenmitglieder haben an der Onlineumfrage teilgenommen, welche durch das Luzerner Unternehmen Transferplus durchgeführt worden ist. 40 Prozent der Befragten war männlich, 58 Prozent weiblich und 2 Prozent divers. Die meisten Teilnehmer der Umfrage waren zwischen 29 und 39 Jahren alt. Die Verantwortlichen der Studie sagen, dass die Ergebnisse dank des guten und breiten Rücklaufs repräsentativ sind.
Drei Viertel bescheinigen der Kirchgemeinde grundsätzlich ein «gutes Image». Gemäss den Befragten sind es zentrale Stärken der Gemeinde, dass sie unter anderem vertrauenswürdig, authentisch und bodenständig sei. Was Fortschrittlichkeit, Mut und Präsenz im Alltag anbelangt, sehen die Luzerner Katholiken bei ihrer Pfarrei allerdings Luft nach oben.
Die Jungen machen nicht gratis Werbung
Wie aus dem Bericht zur Studie hervorgeht, sieht knapp mehr als die Hälfte der Befragten einen Unterschied zwischen der Luzerner Kirchgemeinde und der Weltkirche. Diese Differenzierung helfe dem Ruf der Gemeinde, schreibt diese dazu.
Bei allem Lob sehen 69 Prozent der Umfrageteilnehmer Reformbedarf bei der städtischen Kirche. Bezeichnend scheint es dabei auch zu sein, dass die Wahrscheinlichkeit von positiver Mund-zu-Mund-Propaganda gemäss Bericht «faktisch inexistent ist». Die jungen Gläubigen machen also von sich aus keine Werbung für ihre Gemeinde.
Gottesdienst über die Work-Life-Balance?
Die Studie wollte im Weiteren wissen, was die Gemeinde gemäss den Befragten tun muss, um einer «idealen Kirche» näherzukommen. Resultat: Die Kirche muss vor allem offen sein gegenüber allen Menschen, unabhängig von deren Herkunft, Geschlecht oder sexuellen Orientierung.
Zudem wünschen sich die Befragten, dass die katholische Kirche von Luzern ihre traditionellen Kernthemen Glauben und Spiritualität weniger stark ins Zentrum rückt. Sie erbitten sich von ihr anstelle dessen mehr Inspiration in Hinblick auf Themen wie Selbstfürsorge, Work-Life-Balance sowie persönliche Entwicklung.
Letztlich erhoffen sie sich von der Kirchgemeinde, dass sie offene Diskussionen über kontroverse Kirchendebatten fördert, ihre eigene Position in diesen Belangen klarer kommuniziert und ihren jüngeren Mitgliedern die Möglichkeit bietet, die Kirche mitprägen zu können.
Die Gemeinde nimmt kein Blatt vor den Mund
In ihrem Fazit zur Umfrage gibt sich die Kirchgemeinde selbstkritisch. Ihr Ruf bei jüngeren Mitgliedern sei «besser als angenommen». Dass sie trotz dahingehender Anstrengungen nicht als fortschrittlich gelte und gemäss den Befragten einen ausbaufähigen Ruf habe, erstaune sie nicht.
Zum einen führt sie dies auf den «Elefanten im Raum» zurück – auf den Missbrauchsskandal und dessen systematische Vertuschung in der Vergangenheit. «Zum andern auf die anhaltende Rückständigkeit der Weltkirche. Stichworte sind die längst überfällige Gleichstellung von Frau bis Mann sowie eine menschenunwürdige Sexualmoral», schreibt die Kirchgemeinde.
Befragte sollen auch Gehör finden
Laut eigenen Angaben will die katholische Kirche der Stadt Luzern die Erkenntnisse aus der Umfrage sogleich in Handlungen ummünzen. Sie will ihr Angebot besser auf die zum Ausdruck gebrachten Erwartungen ausrichten. Die Gemeinde möchte die Generationen Z und Y in ihrer Realität abholen, wie sie schreibt, und sie mit relevanten Themen für ein gutes Leben inspirieren.
Eine andere Konsequenz aus der Studie ist, dass die Gemeinde ihre Kommunikation verbessern will. Insbesondere hat sie vor, digitale Kanäle stärker zu nutzen und ihre Haltungskommunikation deutlicher auszuprägen. Die Verantwortlichen beschlossen dementsprechend im August eine Online-First-Marketingstrategie – die Gemeinde spricht von einem «werthaltigen Rebranding».
Nathan Affentranger ist seit März 2024 Praktikant bei zentralplus. Er hat einen Entlebucher Dialekt, eine Antipathie für Beamtensprache und ein Masterdiplom in Philosophie. Am liebsten schreibt er über die kleinen Absurditäten des Alltags.