Vereine, Humor und Mani Matter waren Trumpf

Das Beste aus den Zuger 1.-August-Reden

Na, wer hat denn nun bei der feucht-fröhlichen 1.-August-Feier die überzeugendsten Worte gefunden?

(Bild: zvg/Montage sib)

Ansprachen am 1. August müssen nicht zwingend ein trockenes, verschleppendes Element vor der grossen Mahlzeit darstellen. Zumindest nicht bei zentralplus, denn wir haben die besten Passagen aus den Zuger 1.-August-Reden rausgepickt. Und scheuen uns selbst vor grossen Namen der Schweizer Geschichte nicht.

1.-August-Reden sind trocken, langatmig und eigentlich wartet sowieso jeder nur auf das anschliessende Essen (zentralplus berichtete). Das muss nicht sein. Greift man sich von den verschiedenen Reden die besten Passagen heraus, fühlt sich das Warten auf Schweinssteak mit Pommes schon nicht mehr so lange an.

Aus diesem Grund hat sich zentralplus in den Zuger Gemeinden umgehört, wie sich die 1.-August-Redner schlagen, und das Beste davon zusammengetragen. Doch nicht in allen elf Zuger Gemeinden finden Festreden statt. In Risch, Neuheim und Steinhausen war für dieses Jahr von Anfang an nicht geplant, dass jemand Worte an die Bevölkerung richten wird. Anders sieht es in Walchwil aus. Dort hätte Schriftsteller Thomas Hürlimann eine Rede halten sollen. Er musste jedoch aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen (zentralplus berichtete).

Wer im Verein ist, gehört dazu

Ein gemeinsamer Nenner der hiesigen Reden scheint, dass man in so mancher Gemeinde ausgesprochen stolz auf das lokale Vereinswesen ist. So sagte der Chamer Gemeindepräsident Georges Helfenstein bei seiner Rede im Hirsgartenareal: «Wissen Sie, wie viele Vereine es in Cham gibt? Es sind deren 119 – das ist eine grossartige Zahl. Noch grösser ist die Zahl, wenn es um aktuelle Mitgliederzahlen geht. Es sind rund 8’250 Mitglieder. Das heisst eigentlich, dass die Hälfte der Einwohner von Cham in Vereinen dabei ist.»

Helfenstein zitierte in diesem Zusammenhang ein Monument unter den Schweizer Mundart-Liedermachern: Mani Matter. «Mir hei e Verein und d Lüt säge: ‹Lue dä ghört o derzue› und mängish ghören i vürklich derzue und i sto derzue.»

«In der Regel ist es einfacher, einen Menzinger auf dem Weg nach Zürich abzuhalten, als eine Rede zu halten.»

Luc Staub, 1.-August-Redner in Menzingen

Laut Statistik gebe die Gemeinde Cham schweizweit sogar am meisten Geld aus für kulturelle Anlässe, wagt Georges Helfenstein den Vergleich mit dem Rest der Nation. Damit ist er jedoch nicht der Einzige, wie die Rede von Luc Staub in Menzingen zeigt. Er ist Vorstandsmitglied der FDP Menzingen.

Zuverlässig wie der Turnverein am Stammtisch

«Haben Sie gewusst, liebe Menzinger, dass wir in unserer löblichen Gemeinde die höchste Vereinsdichte pro Einwohner in der Schweiz haben? Jeder Menzinger ist durchschnittlich in zwei Vereinen.» Staub hob bei der Kreativität das Koboy-Fest heraus. Bei der Büezer-Mentalität dachte er an die Pfadi und bei der Zuverlässigkeit an den Turnverein am Stammtisch.

 Selbst Otto Waalkes hielt mal eine 1.-August-Rede. Oder zumindest etwas in diese Richtung.

Wie ein roter Faden zogen sich humoristische Passagen durch Luc Staubs Rede. Seine Rede begann er mit den Worten Chancen, Wert und Stolz. «In der Regel ist es ja einfacher, einen Menzinger auf dem Weg nach Zürich abzuhalten, als eine Rede zu halten», fuhr Staub fort. Deswegen habe er sich im Vorfeld erkundigt, wie eine 1.-August-Ansprache aufgebaut sein sollte.

Youtube als Recherchemittel der Wahl

«Der Grundtenor meiner ausführlichen Youtube-Recherche zeigt, dass der Zusammenhalt gestärkt und Mut für die Zukunft gemacht werden soll. Kurz gesagt, die drei Wörter Chance, Wert und Stolz müssen vorkommen.» In diesem Sinne habe er seine Pflicht bereits erfüllt, sagte er mit einem Augenzwinkern.

«Wir nehmen uns selber zu ernst!»

Rémy Frick, 1.-August-Redner in Zug

Gegen Ende seiner Rede kam Staub noch einmal auf die Recherchen zu sprechen. «Eingangs habe ich meine Recherchen über das Geheimnis einer 1.-August-Rede erwähnt.» Dabei sei er denn auch auf etwas sehr Beruhigendes gestossen. Forscher hätten herausgefunden, dass sich die Leute kaum noch an einen Inhalt einer 1.-August-Rede erinnern könnten. «Deswegen lange Rede, kurzer Sinn – nochmals kurz und prägnant: Chancen, Stolz und Werte für Menzingen.»

«Die Schweiz ist voller Humor»

Der Texter und Schauspieler Rémy Frick hat den Humor gleich zum Kernthema seiner Rede auf dem Zuger Landsgemeindeplatz erkoren. Er wollte gar eine Lanze dafür brechen. «Es scheint mir, als sei uns diese Fähigkeit im Verlaufe der letzten 20, 30 Jahre ziemlich abhandengekommen. Wir nehmen uns selber zu ernst! Dies verleiht uns eine gewisse Verkrampftheit – ein Bild, welches wir eigentlich gar nicht verdienen. Denn die Schweiz ist voller Humor», richtete Frick seine Worte ans Publikum.

«Auch wenn wir in der heutigen Zeit zum Beispiel Politik und Wirtschaft als sehr ernste Dinge betrachten und Humor in diesen Bereichen schon fast argwöhnisch als deplatziert brandmarken, gab es schon früher – sehr viel früher – grosse politische Führungspersönlichkeiten mit Humor.» Er nannte in diesem Zusammenhang ein Beispiel aus dem alten Griechenland.

Wan (Rémy Frick) wendet sich mit Lebensweisheiten ans Publikum

Rémy Frick ist unter anderem Präsident des Theatervereins Zuger Spiillüüt.

(Bild: Daniela Herzog)

Es gebe bedauerlicherweise nur vereinzelt Pendants in der aktuellen Schweiz. Sie blitzten jeweils auf wie Diamanten in einer grossen Menge von Kieselsteinen. «Wer erinnert sich nicht mit einem Lächeln auf dem Antlitz an den letzten Parlamentsauftritt von Bundesrat Merz zum Thema ‹Bü-Bü-Bündnerfleisch›?», fragte er in die Runde.

Humor im Alltag mache die Probleme des Einzelnen, der Gemeinde, des Kantons, des Landes, ja der Weltgemeinschaft nicht kleiner. Er löse sie auch nicht – da müssten wir schon selbst anpacken, selbst im Rahmen unserer Möglichkeiten nach Lösungen und gangbaren Wegen suchen.

Humor sorgt für Distanz

Aber Humor mache es möglich, aus einer gewissen Distanz zum Problem zu räsonieren und zu plädieren. «Die Gelassenheit, welche immer Hand in Hand mit dem Humor einhergeht, macht vieles erträglicher, übersichtlicher – und damit lösbar.»

«Wenn wir ehrlich sind, getrauen sich viele von uns Schweizern in der Öffentlichkeit nie richtig, forte zu werden.»

Raphael Suter und Theres Moos, 1.-August-Redner in Hünenberg

Seine Rede schloss Rémy Frick mit einem Zitat von Albert Einstein: «Nimm alle Dinge wichtig, aber keines richtig ernst.»

Wie bei Frick in Zug, gab es auch in Hünenberg Worte, die sich durchaus kritisch an die Schweizer und ihre Mentalität richteten. Redner waren Raphael Suter und Theres Moos, die Co-Präsidenten der Musikgesellschaft Hünenberg.

Wir müssen laut werden

«Wenn wir ehrlich sind, getrauen sich viele von uns Schweizern in der Öffentlichkeit nie richtig, forte [laut] zu werden. Erst später zu Hause sagen wir zueinander: ‹Warum hast du dich nicht gewehrt, du bist ja eigentlich auch nicht damit einverstanden?›.»

«Wir sind frei, Nein zu sagen zur überdrehten Form des Individualismus.»

Inge Rother, 1.-August-Rednerin in Oberägeri

Ob es nicht an der Zeit wäre, dass wir Schweizer unsere Hemmungen ablegten und uns getrauten, auch mal aus der Norm zu tanzen, fragte das Duo. «Wir müssen ja nicht immer dasselbe tun oder sagen wie der Nachbar, sei es in der Musik oder der Öffentlichkeit.»

In Oberägeri holte die reformierte Pfarrerin Inge Rother zum Schlag gegen Egoismus und die Konsumgesellschaft aus. «Wir sind frei, Nein zu sagen zur überdrehten Form des Individualismus, wenn es nur noch um die exklusive Versorgung der eigenen Bedürfnisse geht ohne Rücksicht auf Verluste. Wir sind frei, in der Konsumspirale nicht blind mitzumachen», wählte sie prägnante Worte.

Es ist Mut gefragt

«Wir brauchen den Mut, Nein zu sagen zu scheinbar unaufhaltsamen gesellschaftlichen Vorgaben, die Menschen auf sich selbst fixiert halten, und wirtschaftlichen Entwicklungen, die den unseligen Kreislauf der Ausbeutung von Ressourcen und Lebensraum nicht stoppen können», kam Rother kurz später noch einmal darauf zu sprechen.

«Wir brauchen Mut und Feingefühl, aufzustehen, wenn es im Alltag, auf dem Spielplatz, auf der Strasse unsere Hilfe, unser Dasein braucht», so ihr flammender Appell.

Es scheint also, als seien Herr und Frau Schweizer gleich in mehrfacher Hinsicht gefragt, die eigene Einstellung zu hinterfragen – und dabei trotzdem nicht den Humor zu verlieren.

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