Zuger Chef über neues Angebot

Dargebotene Hand hört sich jetzt noch mehr Sorgen an

Klaus Rütschi ist seit 2009 Geschäftsführer der Dargebotenen Hand Zentralschweiz. (Bild: zvg)

Ab dem 1. Januar lanciert die Dargebotene Hand ein neues Angebot: Dann nämlich bietet das Sorgentelefon eine englische Hotline an. Der Zuger Geschäftsführer Klaus Rütschi erklärt, warum diese nötig ist – sie zugleich aber an ihre Grenzen kommen.

Die Drähte laufen heiss: So heiss, dass die Dargebotene Hand fürs Jahr 2022 mit einem neuen Rekordjahr rechnet. 20'000 Anrufe wird das Sorgentelefon dieses Jahr voraussichtlich verzeichnen – und das alleine in der Zentralschweiz.

Schon während der Pandemie hatten die Telefonberaterinnen alle Hände voll zu tun. Die Anrufe wurden mit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine noch mehr: die unsichere wirtschaftliche Lage, die hohen Inflationsraten und schlicht die Angst, ob sich der Krieg ausweitet – das beschäftigte auch hierzulande (zentralplus berichtete).

Deshalb wurden neue Berater angeheuert, die Zahl der Schichten erweitert. Und bald wird das Beratungsangebot noch grösser: Ab dem 1. Januar bietet die Dargebotene Hand mit der Linie «Heart2Heart» eine Hotline auf Englisch an.

Zahl der Englischsprechenden in Zug hat sich versiebenfacht

Klaus Rütschi, der Geschäftsführer der Dargebotenen Hand in der Zentralschweiz, begründet dies damit, dass immer mehr Menschen hierzulande Englisch sprechen. So redeten im Jahr 2000 im Kanton Zug knapp 2 Prozent als Hauptsprache Englisch – im Jahr 2020 waren es schon 13 Prozent.

«Damit man bei einem Beratungsgespräch wirklich in die Tiefe gehen kann, muss man die Sprache sehr gut beherrschen.»

Klaus Rütschi

So erstaunt es nicht, dass auch immer mehr englischsprechende Menschen beim Sorgentelefon Rat gesucht haben. «Die Zahl englischsprachiger Anrufe ist bei uns in den letzten Jahren markant gestiegen», sagt der Zuger am Telefon. Doch nicht immer konnten sie diesen Menschen weiterhelfen. «Wenn sich bis anhin eine Person an die Nummer 143 gewendet hat, war es Zufall, ob sie jemanden an der anderen Leitung hatte, der oder die genug Englischkenntnisse hat um zu beraten.»

Einsam und Sorgen um die Beziehungen

Denn wer seine Sorgen und sein Innerstes einem anderen mitteilen möchte, dem gelinge dies am einfachsten in seiner Landessprache. «Damit man bei einem Beratungsgespräch wirklich in die Tiefe gehen kann, müssen beide dieselbe Sprache sehr gut beherrschen, um zwischen den Zeilen lesen zu können», sagt Rütschi.

Hier findest du Hilfe

Reden hilft. Wähle die Nummer 143 der Dargebotenen Hand, wenn es dir nicht gut geht oder du dir Sorgen um jemand anderen machst. Die englische Hotline der Dargebotenen Hand, «Heart2Heart», ist ab dem 1. Januar täglich von 18 bis 23 Uhr aus der ganzen Schweiz über die Gratisnummer 0800 143 000 zu erreichen.

Kostenlos rund um die Uhr wird dir auch über die Nummer 147 (Pro Juventute) geholfen. Eltern finden beim Elternnotruf über die Nummer 0848 35 45 55 kostenlos und anonym Unterstützung.

Das Problem: Für Deutschsprachige gibt es eine Palette an Beratungsangeboten – nicht aber für Englischsprechende. Ein Zustand, der fürs Sorgentelefon nicht mehr länger hinnehmbar war. Rütschi ist überzeugt: Das Sorgentelefon füllt mit der englischen Hotline eine Lücke.

Dargebotene Hand kam an ihre Grenzen

Klaus Rütschi freut sich enorm, dass die Dargebotene Hand mit der Hotline Heart2Heart nun auch Englischsprechenden helfen kann. Doch die letzten zwei Jahre haben an den Kräften der Berater gezehrt. Rütschi spricht von einer herausfordernden Zeit. «Wir sind finanziell und ressourcentechnisch an unsere Grenzen gekommen.»

Im Verlauf der Pandemie hat das Sorgentelefon die Beratungskapazität stark nach oben angepasst. Elf neue Beraterinnen wurden engagiert, die Zahl der Schichten um 14 Prozent erweitert. Das entspricht einer Erhöhung der potenziellen Gesprächszeit von rund 300 Stunden pro Woche.

Doch das reichte immer noch nicht. Das Sorgentelefon bildet derzeit 13 neue Beraterinnen aus, die künftig auf Deutsch beraten werden. Die Ausbildung besteht aus rund 200 Stunden Theorie und Praxis in Kommunikation, Psychologie und Psychopathologie. 

Zudem wurde nun zusätzlich ein Team zusammengestellt, das auf Englisch beraten wird. Das Team sei genug gross, um die geplanten Schichten erstmals abzudecken, wie Rütschi sagt. «Doch wenn wir einen grossen Ansturm an Hilfesuchenden verzeichnen, sind wir sicherlich auf zusätzliche Telefonberatende angewiesen.»

Ein Anruf hilft

Dem Sorgentelefon geht die Arbeit bestimmt nicht aus. «Die Fälle werden nicht nur mehr, sie werden auch komplexer», so Rütschi.

Ob man deutsch oder englisch spricht – die Sorgen unterscheiden sich nicht gross. Es sind Sorgen um die Alltagsbewältigung, psychische Schwierigkeiten oder das Hadern mit der Einsamkeit. Letzteres hat sich in der Telefonberatung auf hohem Niveau stabilisiert.

«Als Expat kommt man in ein Land, das nicht auf einen gewartet hat.»

Charlie Hartmann

Für Zugezogene ist es nicht immer einfach, Anschluss und neue Freunde zu finden. «Als Expat kommt man in ein Land, das nicht auf einen gewartet hat», sagte etwa Charlie Hartmann kürzlich gegenüber zentralplus. Sie ist in England geboren, in Korsika aufgewachsen und lebt mittlerweile seit 22 Jahren in der Schweiz. Wer umzieht, der müsse sich immer auch wieder selbst finden und seinen Platz am neuen Ort und in der Gesellschaft. 

Doch bereits ein Anruf kann helfen. Oder wie Rütschi gerne sagt: «Jeder kann etwas dazu beitragen, dass es anderen besser geht. Sei das, um einen kurzen Schwatz mit jemandem zu halten, Fremde anzulächeln – oder jemand anderem zuzuhören.»

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Klaus Rütschi
  • Zahlen vom Bundesamt für Statistik
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