Zuger Autorin veröffentlicht erstes Kinderbuch

Chris Oeuvray: «Mit Mobbing gewinnt niemand»

Die Zugerin Chris Oeuvray hat jüngst ihr drittes Buch veröffentlicht.

Mit einem neuen Kinderbuch will Chris Oeuvray ein Zeichen gegen Mobbing setzen. Die Zugerin wurde als Kind selbst gemobbt.

Jacky, der Kater mit einem blauen und grünen Auge, ist traurig. Ständig wird er gehänselt. Und, plötzlich über Nacht, verschwindet auch noch seine ganze Familie. Er fühlt sich alleingelassen und mutlos. Bis er sich Nahrung erkämpft. Sattgefressen wächst sein Selbstbewusstsein. Jacky wird aber nicht nur gemobbt, er mobbt auch zurück. So ist er auch gemein zum Hund im Quartier.

Neues Kinderbuch von Chris Oeuvray

Genau darum geht’s im neuen Kinderbuch von Chris Oeuvray. Die Zugerin ist keine Unbekannte. Die 55-Jährige ist als Lebensberaterin und Coach tätig. Insbesondere tritt sie als Narzissmus-Expertin auf (zentralplus berichtete). Gemeinsam mit Martina Müller hat sie eine Selbsthilfegruppe für Narzissmus-Opfer aufgebaut (zentralplus berichtete). Für die FDP kandidiert sie zudem für den Zuger Kantonsrat.

«Mobbing ist, wenn jemand aus eigener Unsicherheit, mangelndem Selbstwert und Anerkennung andere angreift.»

Nach einem Roman und einem Thriller für Erwachsene folgt nun Oeuvrays erstes Buch für Kinder. Warum widmet sie sich ihnen? «Leider ist es für die meisten Kinder normal, mit Mobbing in Berührung zu kommen. Die entscheidende Frage ist, ob man gelernt hat, damit umzugehen», sagt Oeuvray.

Auch sie selbst hat Mobbing in ihrer Kindheit erlebt. Oeuvray hatte damals das Gefühl, dass sie von anderen ausgelacht werde, weil sie die Kleidung ihrer Cousinen und Cousins nachtragen musste. Und weil ihr Vater aus dem Welschen kam, sprach sie nur Französisch, als sie den Kindergarten besuchte. Auch deswegen wurde sie gemobbt.

Sie mobbte zurück

«Im Stillen habe ich gelitten», sagt Oeuvray. Kaum zuhause, versteckte sie sich unter der Decke und weinte. Nach aussen hin zeigte sie dies aber nicht. Sie spielte die Starke. Und hat zurückgemobbt. «Damit die anderen vor mir Angst haben und sich gehemmter fühlten, mich anzugreifen.»

Oeuvray was also zugleich Opfer und Täterin – wie Kater Jacky in ihrem Kinderbuch. Dass Zurückmobben nicht die Lösung ist, ist ihr heute bewusst. «Es tat mir auch weh zu sehen, wenn andere wegen mir litten. Aber ich fühlte mich damals ohnmächtig und sah keine andere Lösung, um mich selbst zu schützen.»

Das Cover von Chris Oeuvray erstem Kinderbuch. (Bild: zvg)

Mobbing: Das stille Leiden

Oeuvray kennt viele Menschen, die unter Mobbing litten. Sie erzählt von einem Treffen unter ehemaligen Schulkameradinnen und -kameraden, bei dem viele erzählt hätten, dass sie gemobbt wurden. In ihrer Arbeit als Coach wird die Zugerin fast tagtäglich mit Geschichten konfrontiert, in denen Menschen Ähnliches widerfahren ist. «Und auch die Politik ist vor Mobbing nicht verschont», so die frühere Präsidentin der FDP Stadt Zug. «Sodass gewisse Geschäfte torpediert werden, nur weil man nicht anständig miteinander umgehen kann.»

Doch wo beginnt Mobbing, was ist es wirklich? «Mobbing ist, wenn jemand aus eigener Unsicherheit, mangelndem Selbstwert und Anerkennung andere angreift und sie klein machen will. Der Mobber oder die Mobberin drückt den Finger da drauf, wo das Gegenüber verletzlich ist», sagt Oeuvray. «Sinn und Zweck ist dabei, sich selbst zu schützen.»

Dabei gibt es eben nicht nur Schwarz-Weiss oder Gut und Böse. «Doch die Grenzen sind viel schneller übertreten, als man meint. Oft handelt es sich um ein stilles Leiden.»

So können Eltern helfen

Und was können Eltern tun, wenn sich ihre Kinder ihnen bezüglich Mobbing anvertrauen? «Den Kindern immer zuhören. Und nachfragen, wie sich das Kind dabei fühlt, wenn es von anderen gehänselt wird», rät die Zugerin. So sollen die Kinder lernen, über ihre Gefühle zu reden. Und die Eltern sollen den Kindern das Gefühl geben, dass sie gehört – und ernstgenommen werden.

Beispielsweise kann man dann sagen: «Ich verstehe, dass du dich in diesen Situationen so fühlst.» Sätze wie: «Nimm es nicht persönlich, du bist gut, so wie du bist» würden hingegen wenig nützen. Kinder sollen lernen, dass Mobbing nichts ist, was sie sich gefallen lassen müssen. Und es am besten direkt gegenüber Mobbern ansprechen, dass man dies nicht in Ordnung findet.

«Oft hilft das schon. Dass das Kind spürt, es ist nicht alleine, stärkt sein Selbstbewusstsein.»

Oeuvray empfiehlt auch, eine Art «Mobbing-Tagebuch» zu führen. Sie erklärt, was sie damit meint: Die Eltern können gemeinsam mit ihren Kindern zusammensitzen und gemeinsam aufführen, was wann passiert ist und wer alles involviert war. «Wenn man dies alles notiert, spürt das Kind, dass es wirklich ernstgenommen wird. Oft hilft das schon. Wenn das Kind spürt, dass es nicht alleine ist, stärkt das sein Selbstbewusstsein.»

Gemeinsam einen Weg finden

Das Mobbing in ihrer Kindheit prägte Oeuvray auf ihrem Weg zur erwachsenen Frau. «Lange Zeit wurde ich von aussen als wahnsinnig stark wahrgenommen, weil ich mich als unverwundbar zeigen wollte. Mittlerweile habe ich gelernt, meine Schwächen und meine Verletzlichkeit zu zeigen. Immer mehr durchbreche ich meine harte Schale, ich bin weicher geworden», erzählt sie. «Ich habe gelernt, grosszügiger mit mir selber zu sein und einzusehen, dass ich Fehler machen darf. Ich bin heute sichtbarer als der Mensch, der ich wirklich bin. Ich betrachte meine Verletzlichkeit auch nicht mehr als Schwäche, sondern als Stärke.»

Mit ihrem Kinderbuch will Oeuvray vor allem eines erreichen: «Ich will damit aufzeigen, dass alle involvierten Menschen bei Mobbing verlieren.» Auch im Buch geht’s schliesslich darum, dass Kater Jacky mit dem Hund und den anderen Tieren im Quartier einen Weg findet, wie sie gemeinsam gegen das Mobbing ankämpfen können.

«Und schliesslich merken sie: Wenn man achtsam miteinander umgeht, hat mehr Verschiedenheit Platz. Das ist ein Gewinn für alle.»

Hinweis: Das Buch «Jacky und die Rasselbande» ist im Buchhandel erhältlich oder direkt hier bestellbar.

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