Wenn sich Luzerner Stadtoriginale treffen

«Bist du im Sternzeichen Globi?»

Wenn sich die «Güüggali-Zunft» und die Luzerner Stadtoriginale treffen, wird es laut. Normal ist hier keiner und das ist auch gut so. Doch was an diesem Weihnachtsessen ganz klar wird: Diese Zunft versteht sich als Familie – man kennt sich und hat sich trotzdem gern.

Gesang, blöde Sprüche, viel zu essen und rege Diskussionen. Am Weihnachtsessen der Güüggali-Zunft und den Luzerner Stadtoriginalen geht es nicht anders zu und her, wie bei jeder gewöhnlichen oder ungewöhnlichen Familienfeier. Rund 45 Gäste haben sich im Vereinlsokal des «Pro Ticino Lucerna» eingefunden – zu Speis, Trank und Unterhaltung.

Mode und Beziehungsstatus

Man kennt sich gut, schliesst mit den Gesprächen beim letzten Treffen an. Die Gesundheit ist Thema. Wie geht es dem Rücken mittlerweile, den Zehen, dem Bein? Und auch der aktuelle Beziehungsstatus scheint viel Gesprächsstoff zu bieten. Video-Charly und Anita Bucher plaudern über Aktuelle und Verflossene.

Die beiden Zünftler Adolf Portmann und Hans Stadler diskutieren daneben über ihre vollausgefüllten Tage. Und zwischendurch ziehen sie sich gegenseitig mit ihrem Modegeschmack auf. «Adolf ist ganz verliebt», eröffnet Hans mit einem Augenzwinkern und ergänzt: «Nicht in mich, nicht in dich. Aber in sein neues Hemd.» Die beiden lachen und besprechen das klassische, altrosa Oberteil von Hans.

«Wir sind doch eigentlich alles Originale.»

Der Kaminfeger, Josef Sommerhalder, verteilt derweilen grosszügig Glück in der Runde. Ein ganzes Portemonnaie voller «Einräppler» trägt er dazu mit sich herum. Und auch sein Hufeisen soll Gutes bringen und darf angefasst werden.

Originale halten gerne Reden

Dann wird zur Weihnachtsrede gerufen. Alle Originale sollen sich um den Weihnachtsbaum versammeln. Einige Gäste zögern. Doch mit: «Wir sind doch eigentlich alles Originale», bringt Francisco auch den Letzten vor den Tannenbaum. «Ob das bei uns noch was bringt?», wird gelacht. Der Pater erzählt trotzdem eine Weihnachtsgeschichte – die einen werden dabei besinnlich, die anderen beginnen sich gegenseitig Witze zuzuflüstern. So unauffällig wie möglich, denn die Reden dauern.

Kaum einer, der hier keine Rede halten, etwas vorsingen oder vortragen will. Angelo hat ein dadaistisches Gedicht vorbereitet:

«Dunkel war’s, der Mond schien helle,
schneebedeckt die grüne Flur,
als ein Wagen blitzeschnelle,
langsam um die runde Ecke fuhr.

Drinnen sassen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft,
Als ein totgeschoss’ner Hase
Auf der Sandbank Schlittschuh lief.»

«Wir sind eine Familie», wird oft betont. Man müsse aufeinander acht geben, sich gegenseitig helfen.

«Hier können wir sein, wie wir wirklich sind.»

Auch Rolf Buff hält seine Rede. Er erzählt von Lavendel und seinem Bett, welches nach über 20 Jahren auseinanderfallen soll. Kaum hat er es erwähnt, wird bereits die Lösung dieses Problems diskutiert.

«Hier können wir sein, wie wir wirklich sind. Nicht wie uns andere haben wollen», beschreibt Angelo die Stimmung an diesem Abend perfekt. Der Applaus ist immer herzlich und die Freude an jeder Darbietung echt. Jede Form von Anderssein hat hier Platz und wird nicht nur respektiert, sondern wirklich geschätzt. Wie wenn Irma Stadelmann, die den ganzen Abend relativ ruhig geblieben war, plötzlich vor allen «Ich bin von Kopf bis Fuss auf Liebe eingestellt» anstimmt. Und das, auch wenn sie die letzte Strophe vergessen hat.

Dem Teufel vom Karren gefallen

Musiziert, getanzt und geflirtet wird, was das Zeug hält. Die Sprüche des Abends sind deshalb: «Du bist ein Schlawiner», «Du bist dem Teufel vom Karren gefallen» und «Welches Sternzeichen bist du? Globi?».

Alois Bucher unterstützt die musikalischen Darbietungen mit der Handorgel. Das freut besonders den Kaminfeger. «Wir waren zusammen im Militär, Alois und ich», erzählt er. «Da hat er manchmal von Freitag auf Samstag von fünf Uhr morgens bis zum Abtreten durchgespielt», erinnert sich der Kaminfeger.

Bei uns am Tisch ist die Familie Thema, der junge Kellner und das rezeptfreie Kochen. Marie-Therese Eggermann erzählt von ihrem Sohn, der in New York geboren, mit einer Japanerin verheiratet derzeit auf Hawaii ist. Doch auch eine angeregte Diskussion über Literatur und Theater, über Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch und über Annette Windlin und Gisela Widmer entsteht am Tisch.

Cremeschnitten und Krawatten

Die Güüggali-Zunft und die Originale werden an diesem Abend zum Dessert von Ehrengast Mike Hauser mit Cremeschnitten eingedeckt. Ausserdem gibt es für die ganze Truppe eine Einladung in den Schweizerhof. Kaum ist der Applaus verklungen, wird bereits über Krawatten diskutiert. Hat man eine, will man überhaupt eine anziehen? Mit ein paar Schnäpschen und Stumpen klingt der Abend langsam aus. Und an der Bushaltestelle gibt es noch einmal Glück vom Kaminfeger.

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