Interview zu künstlicher Intelligenz

Papst Franziskus und Bischof Gmür warnten vor Gefahr

Der Bischof im Gespräch – völlig ungekürzt. (Bild: kok)

Persönlich wie nie spricht der Luzerner Bischof über KI und ihre Gefahren. Aber auch über Krieg, Hoffnung, Amerika, über Missbrauch, Transhumanismus und Ostern. Ein Interview.

Hinweis: Dieses Interview wurde am 8. April geführt und am Ostersonntag veröffentlicht. Am Ostermontag, den 21. April, ist Papst Franziskus im Alter von 88 Jahren verstorben. Der gebürtige Argentinier, der mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio hiess, war seit März 2013 im Amt und seit längerem gesundheitlich angeschlagen.

Auf dieses Treffen habe ich lange gewartet: Nach Monaten dann die Zusage. 60 Minuten Zeit mit dem Bischof Felix Gmür in den prunkvollen Räumen des Bischöflichen Ordinariats des Bistum Basel in Solothurn. Dort waltet der Luzerner über die katholische Kirche in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Jura, Luzern, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau und Zug.

Sein Wunschthema für das Gespräch: Künstliche Intelligenz. Das Thema bewegt die katholische Kirche, auch der Papst sprach unlängst davon. In Ordnung, habe ich gesagt, doch eine Forderung gestellt: keine Kürzungen. Hier also das Gespräch in voller Länge. Mit am Tisch sass seine Pressesprecherin.

zentralplus: Ich habe KI gefragt, was man von Ihnen halten kann. Das hat ChatGPT gesagt:

«Felix Gmür, geboren am 7. Juni 1966 in Luzern, ist seit 2011 Bischof des Bistums Basel. Er studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Freiburg (Schweiz), München, Paris und Rom und promovierte 1997 in Philosophie sowie 2011 in Theologie.

In seiner Amtszeit setzte sich Gmür für Reformen innerhalb der katholischen Kirche ein. So sprach er sich 2019 für Diskussionen über den Zölibat und die Rolle der Frauen in der Kirche aus und befürwortete die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare im Bistum Basel. Im Jahr 2023 unterstützte er zudem die Abschaffung des Pflichtzölibats und die Zulassung von Frauen zum Priesteramt. ​

Allerdings gab es während seiner Amtszeit auch Kritik. Im Jahr 2023 räumte das Bistum Basel unter Gmürs Leitung Verfahrensfehler im Umgang mit Missbrauchsfällen ein. Der Vatikan mahnte ihn offiziell für Fehler in der Handhabung eines spezifischen Falls.»

zentralplus: Was sagen Sie dazu?

Felix Gmür: Das ist eine interessante Zusammenstellung. ChatGPT hat in einer halben Sekunde all das zusammengeschrieben?

zentralplus: Korrekt. Benutzen Sie ChatGPT?

Gmür: Nein. Ich habe einmal einen Test gemacht, aber ich weiss gar nicht mehr, was ich eingegeben habe. Das ist nicht meine Welt.

zentralplus: In Ihrer Heimatstadt Luzern sorgte letztes Jahr der «KI-Jesus» in der Peterskapelle für Aufsehen. Wie finden Sie das?

Gmür: Ich habe mir gedacht: Das ist ein Phänomen unserer Zeit. Spirituelle Suchbewegungen mit neuer Methode durchzuführen. Man könnte fast sagen: digital maskiert.

In diesem Raum empfängt der Bischof. (Bild: kok)

zentralplus: Kann KI aus Ihrer Sicht «spirituelle» Fragen beantworten? Der Luzerner Jesus tat das.

Gmür: KI kann Auskunft geben über das, was in Datensätzen vorhanden ist. Aber nicht meine Existenz berühren. Denn Spiritualität lebt vom Dialog, nicht von der Information. Es kann viele Bibelstellen kombinieren und Auslegungen dieser Bibelstellen. Aber KI kann nicht beten. Und es hört nicht.

zentralplus: Ich möchte es trotzdem ausprobieren. Nennen Sie mir eine spirituelle Frage, die ich ChatGPT fragen darf. Eine, die Sie beschäftigt.

Gmür: Was ist der Sinn meines Lebens?

«Wenn sich der Bischof das fragt, könnte man sich vorstellen, dass seine Antwort theologisch geprägt wäre. Wahrscheinlich würde er sagen:

‹Der Sinn des Lebens ist, in Beziehung zu Gott und den Mitmenschen zu leben, das Evangelium zu verkünden und die Liebe Gottes in der Welt sichtbar zu machen.

Er würde vermutlich betonen, dass der Mensch nicht für sich allein, sondern für die Gemeinschaft geschaffen ist – und dass der Glaube, das Gewissen und die Nächstenliebe zentrale Pfeiler des Lebenssinns sind.

Vielleicht würde er auch auf das Zweite Vatikanische Konzil verweisen, das sagt, dass der Mensch ‹sich nur in der aufrichtigen Selbsthingabe völlig findet›».

zentralplus: Was halten Sie von der Antwort?

Gmür: Das ist ein Wust von Informationen und Daten. Die können da Informationen sammeln und kombinieren und meinetwegen ausweiten. Aber sie reden von mir in der dritten Person und es sind alles Allgemeinplätze. Da kommt zum Beispiel das Wort Nächstenliebe vor. Doch: Wer ist mein Nächster? Sie? Es geht nicht in die Tiefe. Es wird nicht existenziell oder persönlich.

zentralplus: Wer wäre denn Ihr Nächster?

Gmür: Jetzt sind Sie mein Nächster und meine Kollegin hier neben mir.

zentralplus: Also gut, noch ein letztes Mal: ChatGPT, Herr Gmür ist bei einem Interview mit einem Journalisten und seiner Pressesprecherin. Wen würde er wohl jetzt für «seinen Nächsten» halten?

«In einem solchen Moment würde der Bischof wohl nicht nur formell über die Kirche sprechen, sondern auch innerlich sehr menschlich bleiben. Er weiss, dass auch hier Nähe und Achtsamkeit zählen. Vielleicht gerade hier.

Wer wären also seine ‹Nächsten›, um die er sich gerade sorgt? Wahrscheinlich: Die Menschen im Bistum Basel, seine Mitarbeitenden, der Journalist, seine Pressesprecherin und vielleicht auch er selbst.»

Gmür: Das ist eine Supersammelmaschine.

zentralplus: Kommen wir zu etwas anderem. Papst Franziskus warnte in seiner letzten Botschaft an das World Economic Forum (WEF) vor potenziellen Gefahren von KI. Er betonte: «Technologische Entwicklungen, die das Leben nicht für alle verbessern, sondern Ungleichheiten und Konflikte schaffen oder verschärfen, können nicht als echter Fortschritt bezeichnet werden.» Warum glauben Sie hat er das gesagt?

Gmür: Weil wir merken, dass KI momentan global die Welt nicht besser macht. Eine Gefahr ist die totale Überwachung. Und: Mit KI habe ich kein Stück Brot zum Essen, wenn ich Hunger habe. Sein Punkt ist, dass KI dem Menschen dienen muss.

zentralplus: Auch Ihrer?

Gmür: Das ist auch mein Zweifel: Die Technik muss doch dazu dienen, dass wenigstens alle Menschen zu essen, zu trinken und ein Dach über dem Kopf haben. Dass die Welt gerechter und besser wird. Das sehe ich momentan nicht.

Der Bischof zeigt sich von einer persönlichen Seite. (Bild: kok)

zentralplus: Markiert die breite Einführung von KI einen neuen Zeitabschnitt der Menschheit?

Gmür: Ich glaube, es ist ein neuer Zeitabschnitt, weil alle Informationen austauschbar werden. Damit aber auch überwachbar. Und manipulierbar. Das halte ich für gefährlich.

zentralplus: Sehen Sie auch Gefahr für die Schweiz?

Gmür: Ich weiss es nicht. Wir sehen ja in den USA, wie schnell der Geist drehen und wenden kann. Wir sind nicht gefeit davor, dass das auch in Europa geschehen kann. Der Mensch, um frei zu bleiben, muss seine Freiheit immer neu gebrauchen und deswegen gegenüber allen diesen Dingen kritisch bleiben.

zentralplus: Ich würde zum Wandel in den USA jetzt noch ergänzen: Klimakrise, Aufrüsten in Europa. Es sind wirklich turbulente Zeiten. Wie nehmen Sie das wahr?

Gmür: Sehr unsicher. Nehmen wir die Börse. An der Börse hängen unsere Pensionskassen, also unsere Zukunft als Rentnerinnen und Rentner. Daran hängen auch Arbeitsplätze. Das ganze Kriegsgerassel ist nicht nur in der Ukraine, es ist auch im Osten des Kongo oder in Taiwan. Das macht die Welt nicht sicher. Das beunruhigt, nein, beschäftigt mich.

zentralplus: In der Vergangenheit und in anderen Ländern ist der Glaube in unsicheren Zeiten ein Zufluchtsort. Kann die katholische Kirche diese Aufgabe noch erfüllen?

Gmür: Das ist eine Aufgabe der Kirche. Ein Hafen zu ein, und zwar ein Hafen für Gott, wo die Menschen Trost finden und auch Halt und Hoffnung. Und zu sich selbst kommen können.

zentralplus: Mit Blick auf die steigenden Kirchenaustritte junger Menschen: Glauben Sie, dass Ihnen diese Aufgabe gelingt?

Gmür: Ich habe den Eindruck, dass es an manchen Orten gelingt und an manchen weniger. Ich höre vieles: Ich höre, dass am Aschermittwoch viele Kirchen voll waren, auch mit jungen Menschen – was niemand erklären kann.

zentralplus: Die Krise der Kirche sehen Sie nicht?

Gmür: Doch, aber es gibt nicht nur Krise. In der Krise gibt es Krisenmomente, aber auch den Aufbruch.

Felix Gmür vor dem Bischöflichen Ordinariat in Solothurn. (Bild: kok)

zentralplus: Gehen wir einen Schritt zurück: 2023 wurde eine Studie der Universität Zürich veröffentlicht, die das Ausmass von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche der Schweiz beziffert. Die Rede ist von 1002 Fällen seit 1950. Wie blicken Sie darauf?

Gmür: Das Wichtigste ist, dass sich Menschen melden, die etwas wissen oder denen etwas widerfahren ist. Dann kann man schauen, ob man über einen Ort oder jemanden schon etwas weiss. Und kann, wenn die Person noch lebt, jemanden zur Rechenschaft ziehen. Und vor allem: die Betroffenen ernst nehmen.

zentralplus: Vor einem Jahr hat Sie der Vatikan ermahnt wegen Ihres Verhaltens im Fall Denise Nussbaumer. Sie hätten die Übergriffe eines Priesters gegenüber einer Minderjährigen in Rom melden müssen. Die KI hat es ja vorhin angesprochen. Das Kapitel wirkt wie ein Fleck auf ihrer sonst recht weissen Weste.

Gmür: Das war eine Aufarbeitung. Ich habe bei der höchsten Instanz eine Selbstanzeige gemacht. Das Verfahren hat gezeigt, dass es zu zwei Fehlern gekommen ist. Nicht von mir, aber weil ich Bischof bin, habe ich sie auf mich genommen. Dafür wurde ich gemahnt.

zentralplus: Würden Sie im Nachhinein etwas anders machen im Fall Denise Nussbaumer?

Gmür: Wir machen schon Dinge anders. Eine Meldung haben wir zum Beispiel zu spät nach Rom geschickt. Das machen wir heute sofort. Zweitens habe ich einem anderen Bischof nicht genau gesagt, was er genau machen oder nicht machen soll. Heute wird er erst nachher informiert – und nicht vorher.

zentralplus: Aktuell läuft eine Folgestudie der Universität Zürich zu sexuellem Missbrauch im Umfeld der römisch-katholischen Kirche. Die Ergebnisse sollen 2027 vorliegen. Erhält das Zürcher Team freien Zugang zu allen Unterlagen im Bistum Basel?

Gmür: Wir haben vor September 2023 abgemacht, dass sie das ganze Archiv anschauen können. Zu den neuesten Meldungen ab September 2023 haben sie bislang keinen Zugang. Da müssen wir noch eine Regelung finden.

zentralplus: Zurück zum Thema: Könnte KI in Zukunft helfen, Missbrauch zu verhindern? Die Polizei setzt bereits Algorithmen ein, um Gefährder zu identifizieren, wie zentralplus-Recherchen zeigen.

Gmür: KI ist ein Instrument zur besseren Erkennung von Mustern. Aber kein Instrument zum Verhindern. Verhindern müssen die Leute selber durch Einsicht.

zentralplus: Oder durch Regelungen.

Gmür: Wir haben Anfang April schweizweit psychologische Eignungstests eingeführt. Darin werfen wir einen Blick auf die Gefahren einer Person und auf ihre Potenziale. Die ersten Tests sind bereits durch.

zentralplus: Die Tests sind vorerst für Neueintretende, zum Beispiel Seelsorger. Kann man sich vorstellen, diese Tests für alle Mitarbeitenden zu nutzen?

Gmür: Wenn jemand auffällig ist, dann ist es vielleicht gut, dass diese Person auch ein Assessment macht. Aber wenn jemand 40 Jahre unauffällig im kirchlichen Dienst ist, ist es nicht angezeigt.

Das Bistum Basel hat sein Archiv geöffnet. (Bild: kok)

zentralplus: Nutzt denn das Bistum Basel schon KI?

Gmür: Meines Wissens nicht. Das kommt vor allem auf den einzelnen Mitarbeiter an.

zentralplus: Sehen Sie eigentlich in KI auch Chancen?

Gmür: In der Verwaltung, bei der Automatisierung, bei der Übersetzung, zur Informationsbeschaffung, dort sehe ich Chancen. Was ich nicht sehe, ist, was wir in der Kirche Geist nennen. KI ist nichts anderes als Daten, die nach unbekannten Regeln kombiniert und ausgespuckt werden. Das Kreative, der Spirit, das fehlt mir.

zentralplus: Jetzt kann ich nicht anders als ein letztes Mal ChatGPT zu befragen. Sag mir: «Was denkst du, hält der Bischof von KI. Was kann es und was nicht?»

Gmür: Sie brauchen das viel, offenbar.

zentralplus: Täglich.

«Was er wohl denkt, was KI kann: Informationen bündeln, Dialoge anstossen, Unterstützen aber nicht ersetzen. Was KI nicht kann: Spiritualität erfassen, Gewissen und Mitgefühl ersetzen, Kirche sein.»

zentralplus: Was halten Sie davon?

Gmür: Stimmt.

zentralplus: Gehts in die Tiefe?

Gmür: Es ist eben wieder eine Datenansammlung. Was macht denn der Mensch, das Genie? Das Genie kann doch aus einem Wust an Daten genau den Punkt heraus spüren, den es jetzt in dieser Situation braucht. KI kann vielleicht lernen, aber Empathie kann sie nicht lernen.

zentralplus: Und wenn ich Ihnen sage, dass Patienten gemäss einer neuen Studie der University of Georgia KI für empathischer halten als Psychotherapeuten?

Gmür: Ja, das ist schlimm. Aber die Menschen sind echt und die Maschine ist fake. Es gibt so einen schönen Ausdruck auf Deutsch, wenn man jemanden begegnet: «Ich kann dich nicht riechen.» Und KI kann nicht riechen.

zentralplus: Was ist so menschlich, dass KI es nie ersetzen wird?

Gmür: Fleisch und Blut. Aber das muss es auch nicht. Wieso muss man den Menschen ersetzen? Wir sind ja da, das reicht doch. Aus christlicher Sicht ist doch das Ziel des Menschen nicht, dass er sich selbst ersetzt und überflüssig macht, sondern, dass er menschlicher wird.

«Ich glaube, viele haben mehr Angst vor dem Sterben als Angst vor dem Tod.»

zentralplus: Im Silicon Valley in den USA boomt Longevity – das Verlängern des Lebens. Die Techmilliardäre spielen sich gottgleich auf. Transhumanismus wird beforscht. Entfernt sich die Menschheit nicht vom Menschsein?

Gmür: Ich glaube nicht. Schauen wir die ganze Welt an: Mit KI haben viele wenig oder gar nichts zu tun. Zum Menschlichen gehört aber auch das Verrückte im Sinne von «ver-rückt». Nicht im Mainstream zu sein. Dennoch: Sich selbst zu ersetzen, finde ich absurd. Ich bin ja Mensch, um Mensch zu sein, und nicht um Gott zu sein. Und auch nicht um eine Maschine zu werden.

zentralplus: Und dennoch sehnen sich einige danach. Haben die Menschen Angst vor dem Sterben, ist es das?

Gmür: Ich glaube, viele haben mehr Angst vor dem Sterben als Angst vor dem Tod.

zentralplus: Und Sie?

Gmür: Ich habe auch mehr Respekt vor dem Sterben. Denn wir wissen ja alle nicht, wie das einmal geht. Ich begegne vielen Menschen am Kranken- oder Totenbett, die lange brauchen, bis sie sterben. Abzubauen, körperlich und geistig, ist schon schwierig.

zentralplus: Sie haben gerade gesagt: «Wir alle wissen nicht, wie das Sterben einmal geht.» Das überrascht mich. Die Kirche hatte ja über Jahrhunderte den Alleinanspruch, zu wissen, was nach dem Tod geschieht. Ist das heute nicht mehr so? Hat der Bischof keine Vorstellung davon, wie es nach dem Tod aussieht?

Gmür: Es ist etwas anderes, zu sagen, dass wir nicht wissen, wie wir sterben. Das wissen wir nicht und dazu sagt die Kirche auch nichts. Sie sagt nur, man kann sich darauf vorbereiten. Nach dem Tod, glaubt die Christenheit, gibt es das, was sie ewiges Leben nennt. Es gibt eine vollkommene Kommunikation mit Gott, mit der Schöpfung. Wie das dann ist, wurde höchstens in der Literatur beschrieben. Aber da gibt es keine Dogmen von der Kirche.

zentralplus: Wie oft denken Sie darüber nach, wie es nach dem Tod weitergeht?

Gmür: Ich denke manchmal darüber nach, wie ich möchte, dass es nicht ist. Dass ich zum Beispiel ins All hinauskatapultiert werde. Ich habe kürzlich gelesen von Abfällen von Satelliten. Die schwirren da herum, in die Unendlichkeit. Das möchte ich nicht. Ich möchte nicht allein und verloren sein.

zentralplus: Heute ist Ostern: Das steht klassisch für Auferstehung. Das bedeutet, dass der Tod keine Endgültigkeit hat. Was bedeutet das Fest für Sie persönlich?

Gmür: Für mich ist Ostern die ultimative Hoffnung. Mit dem Leben und auch mit meinem Leben ist es nicht vorbei, wenn ich irgendwann einmal tot bin. Es gibt ein Existieren bei Gott, in der Schöpfung, in der nicht anstrengenden Kommunikation. Nicht allein. Und ich würde meinen, das ist auch die Botschaft des Christentums. Und das, was Jesus uns hinterlassen hat. Mit seiner Auferstehung ist der Tod besiegt.

zentralplus: Wie haben Sie als Kind in der Stadt Luzern Ostern gefeiert?

Gmür: Sehr emotional habe ich in Erinnerung den Eintritt in die Kirche, die dunkel ist. Und dann wird eine Kerze angezündet, die Osterkerze, und dann immer mehr. Mit dem dreifachen Liedruf: «Lumen Christi». Das Licht von Christus oder Christus von Licht, je nachdem, wie man es übersetzt. Es ist dunkel und es wird hell. Immer heller. Wie ein Lauffeuer breitet es sich aus.

zentralplus: In welche Kirche sind Sie gegangen?

Gmür: Wir waren immer in verschiedenen Kirchen. Aber da kann ich mich gut an die Wesmelin-Kirche erinnern. In der Nähe haben wir gelebt.

zentralplus: Hat Sie das schon damals so fasziniert, dass Sie wussten: Davon will ich mehr sehen?

Gmür: Das ist ein Element, das hat mich geprägt. Dieses Licht, und da kommt immer mehr Musik, die Kirchenglocken beginnen zu läuten, die Orgel beginnt wieder. Es ist so ein Aufbruch. Ostern ist ein Aufbruch. Nicht nur Auferstehen – Aufstehen.

zentralplus: Dürfen wir also Hoffnung haben? Trotz all dem, über das wir geredet haben: Krieg und KI, Risiken von KI, Ungerechtigkeit, Ungleichheit, Konflikte, Aufarbeitung von Missbrauchsfällen, Klimakrise und Transhumanismus. Können wir hoffnungsvoll sein zu diesem Osterfest?

Gmür: Nicht nur zu Ostern, sondern überhaupt. Hoffnung ist eine der drei grossen Tugenden, zusammen mit dem Glauben und der Liebe. Und diese Tugenden bringen Menschen zusammen. Ich bin hoffnungsvoll – Gott sei Dank.

Nach 45 Minuten endet das Gespräch, dann gibt es ein paar Fotos, dann fahre ich wieder. (Bild: kok)
Verwendete Quellen
  • Diverse Hintergrundabklärungen
  • Gespräch mit Bischof Felix Gmür
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