Die wichtigsten Fragen – und Antworten

Bahnausbau Zugersee: Worum es dabei geht

Eigentlich sollten die Bauarbeiten für den Doppelspurausbau bei Walchwil schon laufen. Weil jedoch eine Beschwerde beim Bundesgericht hängig war, verzögerte sich die Sache. Nun kann begonnen werden.

 

(Bild: wia)

Seit Jahren kämpft ein knappes Dutzend Lärmgegner gegen den Ausbau der Zugstrecke bei Walchwil. So lange schon, dass für viele schon gar nicht mehr klar ist, worum es dabei eigentlich geht. Wir haben die wichtigsten Fragen zusammengetragen.

«Hier kommt ihr nicht vorbei», sind sich die Beschwerdeführer sicher, welche die SBB seit Jahren auf die Palme bringen. Konkret wehren sie sich gegen den Doppelspurausbau auf der Zugersee-Ost-Seite. Und sie haben Biss. Derzeit liegt der Fall beim Bundesgericht. Und je länger er da liegt, desto ungemütlicher wird es für die SBB. Erst die Basics:

Was genau soll da am östlichen Zugerseeufer überhaupt passieren?

Die Bahnstrecke Zugersee Ost zwischen Zug und Arth-Goldau ist, wie so manch andere Strecken in der Schweiz, in die Jahre gekommen. Die Infrastruktur ist über hundert Jahre alt, Trassee, Tunnels, Brücken und Unterführungen müssen saniert werden. So ist diese Strecke etwa nicht geeignet für Doppelstockzüge. Kostenpunkt für die Sanierung: 100 Millionen Franken.

Hinzu kommt: Das SBB-Netz wird immer dichter befahren. Dazu gehört auch die Strecke Zürich–Tessin. Hier sollen Bahnpassagiere künftig von mehr Verbindungen profitieren können. Das funktioniere laut den SBB jedoch nur reibungslos, wenn auf der Strecke für 80 Millionen Franken eine Doppelspur gebaut werde. Dafür soll die Teilstrecke zwischen Zug Oberwil und Arth-Goldau für eineinhalb Jahre komplett gesperrt werden.

Die gezeigte Strecke zwischen Zug und Arth-Goldau soll saniert und ausgebaut werden. Eigentlich. Noch haben keine Bauarbeiten begonnen.

Die gezeigte Strecke zwischen Zug und Arth-Goldau soll saniert und ausgebaut werden. Eigentlich. Noch haben keine Bauarbeiten begonnen.

(Bild: Google Maps)

Diese Variante mache laut SBB viel mehr Sinn als eine Teilsperrung, etwa nur in der Nacht. «Der Betrieb wäre sonst über sechs bis sieben Jahre beeinträchtigt, Reisende müssten sich wöchentlich über den stetig wechselnden Fahrplan informieren und zudem wäre die Lärmbelastung für Anwohner deutlich höher», erklärt SBB-Mediensprecher Reto Schärli auf Anfrage von zentralplus. Ein Güterverkehr über die Zugersee-Ostseite ist künftig nicht vorgesehen. Dieser soll über Rotkreuz geführt werden.

Während der Bauzeit soll der gesamte Zugverkehr übers Westufer des Zugersees, also über Rotkreuz, geleitet werden. Die S-Bahn, die am Ostufer verkehrt, wird in dieser Zeit durch Ersatzbusse ersetzt.

Wer wehrt sich, und warum?

Es gibt Widerstand, und zwar schon seit längerem. Die Gegner kommen zumeist aus Walchwil und haben sich unter dem Namen IG NeatZug formiert. Sie möchten den Doppelspurausbau bei Walchwil verhindern. Insbesondere zeigen sie sich besorgt über den Lärm, den die Doppelspur mit sich bringen könnte. So fürchten sie, dass nach dem Ausbau – trotz gegenteiligen Beteuerungen der SBB – eben doch Güterzüge auf der Ostseite des Zugersees verkehren werden.

Andreas Schaub, Präsident der IG NeatZug, sagt dazu: «Wenn die SBB das sagen, dann kann man nicht einmal von Lüge sprechen.» – Es seien nämlich nicht die SBB, welche entsprechende Pläne hegten, sondern das Bundesamt für Verkehr. «Denn der Bundesrat hat die langfristigen Pläne für die Region Zug schon 1999 deutlich gemacht: ‹Künftig werden gemäss den heutigen Planungsgrundlagen täglich 100 bis 120 Reise- und rund 40 Güterzüge durch den Zimmerberg-Basistunnel verkehren›», so Schaub weiter. Dies im Rahmen des Landverkehrsabkommens zwischen der Schweiz und der EU.

Als beste Möglichkeit sieht die IG eine Bahnführung über eine Gleisverbindung am Westufer, die sogenannte «Spange Rotkreuz». Alternativ dazu sähe die Interessengemeinschaft eine Doppelspurinsel im eher unbewohnten Gebiet Murpfli, südlich von Oberwil, als sinnvoll. Diese Variante wurde zwar von den SBB geprüft. Die IG wirft diesen jedoch vor, dass die Prüfung «unzureichend, einseitig und fehlerhaft» gewesen sei. Weiter fordert die IG NeatZug ein «bevölkerungsverträgliches Lärmschutzkonzept» für die Strecke Zugersee Ost.

Was ist das Problem bei der Sache?

Im Prinzip die Zeit. Beim Bundesamt für Verkehr blitzte die IG NeatZug 2015 zwar mit ihren Einwendungen ab. Der Fall wurde jedoch weitergezogen ans Bundesverwaltungsgericht. Auch dort hielt man die Anträge allesamt für unbegründet. Nun liegt die Beschwerde beim Bundesgericht. Wie lange das noch dauert, weiss keiner.

Und das ist nicht gut für die SBB. Beim Projekt bestehen nämlich verschiedene Abhängigkeiten. Was am Zuger Seeufer passiert, hat Auswirkungen auf die ganze Nord-Süd-Strecke.

Zudem ist durch die hängige Beschwerde auch die Sanierung der Infrastruktur blockiert. Dies, weil die SBB die zwei Fliegen – Sanierung und Ausbau – gleich mit einer Klappe schlagen will. Dauert die Verzögerung durch das Beschwerdeverfahren noch lange, muss die Bahn ihre Ablaufplanung umkrempeln. Bereits 2016 hatten die SBB das Projekt aufgrund der Beschwerde um ein Jahr nach hinten verschoben.

Wie realistisch ist die aktuelle Planung?

Das kommt auf die Schnelligkeit des Bundesgerichts an. Eigentlich wäre geplant, dass die Bauarbeiten rechtzeitig zum Fahrplanwechsel Ende 2020 fertig werden. Dann nämlich sollte nach dem Gotthard-Basistunnel, der 2016 eröffnet worden war, auch der Ceneri-Basistunnel in Betrieb sein, was den Nord-Süd-Passagieren eine gesamthafte Verkürzung der Reisezeit von 60 Minuten bescheren sollte. Lässt sich das Bundesgericht jedoch noch viel länger Zeit, wird’s eng. Ein Jahr Vorbereitungsarbeiten benötigt der Ausbau Zugersee Ost, dazu kommt die besagte eineinhalbjährige Bauphase.

Verzögert sich der Ausbau weiter, müssen die Züge auch ab 2021 über das Zugersee-Westufer geführt werden, womit Reisende wiederum 10 bis 15 Minuten verlieren würden.

Was ist von den Beschwerdeführern noch zu erwarten?

Das kommt ganz auf die Antwort des Bundesgerichts an. Kommt dieses zum Schluss, dass die Baugenehmigung nicht rechtens erfolgt ist, wird die ganze Planung der SBB über den Haufen geworfen. Der Zeitplan sowieso. Dazu, was in einem solchen Fall konkret passieren könnte, möchten sich die SBB aktuell nicht äussern.

Nachdem jedoch die vorhergehenden Instanzen die Beschwerde klar abgewiesen haben, ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Bundesgericht zum gleichen Schluss kommt. Wird die dort hängige Beschwerde abgewiesen, wird es eng für die IG NeatZug. «Im Prinzip stimmt das», so IG-Präsident Andreas Schaub.

Doch bereits jetzt kündigt die IG an, dass die Beschwerdeführer sich dann an den europäischen Gerichtshof wenden würden. Etwa wegen Verstössen gegen das Menschenrecht? «Nein, aber es gibt einige Verfahrensmängel, mit denen wir ans Gericht gelangen können, insbesondere die Verweigerung der Akteneinsicht durch das Bundesverwaltungsgericht. Und es bestehen durchaus Chancen, dass wir auf europäischer Ebene Recht bekommen.»

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