Elektronisches Ticketsystem im Zuger ÖV

Auf Schritt und Tritt verfolgt?

Haben die klassischen Billett-Automaten schon bald ausgedient? Die SBB verzeichnen bei E-Tickets ein jährliches Wachstum von 30 Prozent. (Bild: fam)

Der Kanton Zug träumt von E-Tickets im öffentlichen Verkehr. Mit Chips sollen die zurückgelegten Strecken von Passagieren aufgezeichnet und registriert werden. Was ist mit dem Datenschutz? Der Beauftragte des Kantons warnt. Dies nicht ohne Grund: Bereits heute speichern die SBB gewisse Daten während 37 Monaten.

Verschiedene regionale Schweizer Verkehrsbetriebe prüfen derzeit neue elektronische Billette im öffentlichen Verkehr. Dazu gehört auch der Kanton Zug, der bei E-Tickets eine Pionierrolle einnehmen will (zentral+ berichtete). Das Amt für öffentlichen Verkehr testet auf einer Buslinie der Zugerland Verkehrsbetriebe (ZVB) ein System mit dem Namen «BiBo» (Be-in-Be-out). Passagiere besitzen eine Karte mit elektronischem Chip, die alle Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln automatisch registriert. Dies geschieht beim Betreten und Verlassen eines Busses oder einer Bahn. Für die gefahrene Strecke wird anschliessend der Preis berechnet und dem Kunden monatlich das Total in Rechnung gestellt.

Der kritische Punkte dabei: Verkehrsbetriebe könnten die zurückgelegten Strecken aller Passagiere aufzeichnen und diese Daten theoretisch für diverse Zwecke weiterverwenden.

Beliebte E-Tickets

E-Tickets sind beliebt. Die SBB verkaufen heute etwa 13 Prozent der Tickets in elektronischer Form. Im Jahre 2007 waren es noch deren zwei Prozent. Die SBB gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt. Am stärksten zurück geht die Anzahl Billette, die an bedienten Schaltern verkauft werden.

In diesem Monat statten die SBB ihr Zugpersonal im Fernverkehr, rund 1'800 Zugbegleiter, mit neuen Kontrollgeräten aus. Dies ermöglicht  schnellere Fahrplanauskünfte. Ausserdem könnte der Scanprozess für die wachsende Zahl an Online-Tickets schneller abgewickelt werden, so die SBB in ihrer Medienmitteilung. Die Kosten belaufen sich auf 6,4 Millionen Franken.

«Grundsätzlich heikel»

Der Datenschutz wurde beim Zuger Projekt bisher offenbar nur am Rande thematisiert. Wo liegen die Gefahren? Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen eingehalten werden? Der Datenschutzbeauftragte des Kantons Zug, René Huber, warnt: Der Schutz heikler Daten werde generell immer lockerer gehandhabt. Erfülle ein E-Ticket-System aber die datenschutztechnischen Voraussetzungen, habe er nichts gegen E-Tickets einzuwenden.

«Grundsätzlich sind die Daten aus dem ÖV sehr heikel», sagt Huber. Über ein Jahr hinweg könnten bei konsequenten Nutzern des öffentlichen Verkehrs vollständige Bewegungsprofile erstellt werden. Wer sodann über die Daten verfüge, könne jederzeit herausfinden, wo sich ein Passagier gerade aufhält oder zuvor befand. «Je nach eingesetztem System können Verkehrsunternehmen auch eruieren, wer mit wem zusammen reist», gibt der Zuger Datenschutzbeauftragte zu bedenken.

«Daten aus dem ÖV sind sehr heikel.»

René Huber, Datenschutzbeauftragter des Kantons Zug

Gefahren lauerten aber noch an einem anderen Ort: «Kunden gehen davon aus, dass Daten aus dem E-Ticket nur für die Rechnung genutzt werden», so Huber weiter. Sie gingen jedoch nicht davon aus, dass ihre Daten an Dritte weitergegeben würden, was aber durchaus geschehen könne. Er ergänzt: «Kunden haben das Recht, ganz genau zu wissen, wie ihre Daten verwendet werden.»

SBB erstellen keine Bewegungsprofile

Die SBB würden keine Bewegungsprofile erstellen, sagt Mediensprecher Christian Ginsig. Die bei den SBB im Zusammenhang mit E-Tickets erhobenen Daten wie Namen, Geburtsdatum, Billett, Adresse und Zahlungsinformationen dienten lediglich für das Erstellen und zur Kontrolle der Billette. Ginsig fügt an: «Welche Bahnverbindung der Kunde gerade benutzt, wird nicht erhoben.»

Und was passiert mit den Daten der gekauften E-Tickets? «Die Pdf-Dateien der Tickets werden nach 31 Tagen gelöscht. Die Verkaufsdaten inklusive Kontrollstatus aus den Verkaufssystemen nach 37 Monaten», so der Mediensprecher. Da die Daten der benutzten Bahnverbindung nicht dazugehören, können die SBB die Reise nicht zurückverfolgen. Anschliessend würden die Daten gemäss den gesetzlichen Vorschriften zehn Jahre aufbewahrt.

«Welche Bahnverbindung der Kunde gerade benutzt, wird nicht erhoben.»

Christian Ginsig, Mediensprecher SBB

Wann die Daten gelöscht würden, sei eine zentrale Frage, so der Zuger Datenschutzbeauftragte. Er fügt an: «Aus datenschutzrechtlichen Gründen lehne ich ein E-Ticket-System nicht ab, wenn denn alle Massnahmen zum Schutz der Daten vorgenommen werden. Ein E-Ticket, das mit dem Datenschutz konform ist, ist nämlich durchaus realisierbar.»

Neue Begehrlichkeiten bei Steuerbehörden und Einwohnerkontrollen

Sorgen bereitet Huber aber die Tendenz, dass der Schutz entsprechender Daten «immer lockerer gehandhabt wird und Daten nach einer gewissen Zeit für andere Zwecke benutzt werden, als ursprünglich vorgesehen war». Er weist darauf hin, dass solche Daten aus dem ÖV neue Begehrlichkeiten und Ansprüche wecken, mit denen die Kundschaft möglicherweise nicht einverstanden sei.

Dabei denkt der Datenschutzbeauftragte an die Weitergabe, zum Beispiel an Steuerbehörden oder Einwohnerkontrollen. Diese könnten die Daten dazu benutzen, Wohnsitze zu kontrollieren, um in der Steuererklärung geltend gemachte Abzüge, zum Beispiel für den Arbeitsweg, zu überprüfen. Solche Weitergaben müssten ausdrücklich ausgeschlossen werden, sagt Huber.

Wichtig sei deshalb die Regelung verschiedener Verwendungszwecke: Die Regelung von Informationen der Nutzer von E-Tickets über die Bearbeitung ihrer Daten, jene bezüglich Löschung oder Anonymisierung der Daten. Gleichzeitig müsse verhindert werden können, dass die Daten zu Marketingzwecken weitergegeben würden oder mit anderen gesammelten Daten kombiniert würden. «Die Weitergabe der Daten an Strafverfolgungsbehörden kann übrigens nicht ausgeschlossen werden», ergänzt René Huber.

«Unternehmen aus dem öffentlichen Verkehr müssen auch zukünftig ein herkömmliches, anonymes Ticket anbieten.»

René Huber

Er nennt noch eine wichtige Bedingung, welche die Anbieter elektronischer Tickets unbedingt berücksichtigen müssten: «Unternehmen müssen auch zukünftig ein herkömmliches Ticket anbieten. Elektronische Ticketangebote müssen freiwillig sein. Es braucht daneben weiterhin anonyme Tickets», so der Datenschutzbeauftragte Huber. Passagiere dürften nicht zu einem E-Ticket gezwungen werden. Passagiere mit einem alternativen Ticket dürften zudem nicht benachteiligt oder diskriminiert werden – etwa durch höhere Preise oder besondere Zuschläge.

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