Hervorragendes Pilzjahr im Entlebuch und anderswo

Auf der Spur der Italiener, die uns die Steinpilze wegschnappen

Steinpilze: Vor einem Monat auf dem Höhepunkt, doch vielleicht gibt's noch einen Wachstumsschub. (Bild: Adobe Stock)

Sie kommen nachts in Reisecars, streifen im Schein der Stirnlampe durch die Wälder und pflücken jeden Steinpilz, den sie sehen. zentralplus verifiziert die Legende von den italienischen Pilztouristen im Entlebuch.

Dieser Herbst hat das Zeug, für Pilzfreunde in die Annalen der Geschichte einzugehen. Das oft warme, aber meist hinreichend feuchte Wetter hat bereits im August dafür gesorgt, dass von einer Rekordernte die Rede ist. «Das kommt zwar ein wenig auf die Gegend an», sagt Werner Koch, Pilzkontrolleur aus Entlebuch. Aber auch im Entlebuch könne man bisher von einem sehr guten Pilzjahr sprechen.

Das Entlebuch ist bei weitem nicht die einzige Gegend in der Zentralschweiz, die von Sammlern gerne aufgesucht wird. Aber die Biosphäre ist eine Gegend, die regelmässig in die Schlagzeilen kommt – wegen des sogenannten Pilzfrevels.

Zwei Kilo der Köstlichkeiten pro Tag darf jeder im Kanton Luzern sammeln (siehe Box). Doch nicht allen ist das genug. Die Luzerner Polizei erwischte voriges Jahr zum Beispiel einen 41-jährigen Italiener, der sich 13 Kilo ins Körbchen gelegt hatte.

Schon wieder mehrere Leute angezeigt

Jedes Jahr zeigen die Ordnungshüter mehr als zehn Leute an, die sich nicht an die Sammelmengen halten – und stellen eine reiche Beute an Pilzen sicher. «Auch dieses Jahr wurden und werden dazu Kontrollen durchgeführt», sagt Polizeisprecher Urs Wigger. «Es sind 2019 bisher wieder mehrere Kilogramm Pilze sichergestellt und mehrere Personen an die zuständige Staatsanwaltschaft verzeigt worden.»

Wie viele Pilze sind erlaubt?

Im Kanton Luzern darf jede Person pro Tag nicht mehr als zwei Kilogramm Pilze sammeln. Bei den Eierschwämmen und den Morcheln (die im Frühling wachsen) ist die Sammelmenge sogar auf ein halbes Kilogramm beschränkt.

Sammeln ist zudem nur jeweils ab dem 8. Tag des Monats erlaubt: In der ersten Woche gilt zum Schutz des Bestandes ein Sammelverbot. Die Schontage sind allerdings umstritten.

Ob wegen der reichen Pilzernte mehr Frevler als üblich dingfest gemacht wurden, kann Wigger nicht beurteilen. Die Luzerner Polizei führe keine separaten Statistiken dazu, die Pilzsammler würden im Rahmen der normalen Patrouillentätigkeit kontrolliert.

Es komme ab und zu vor, dass verdächtige Beobachtungen der Polizei gemeldet würden, sagt Wigger. «Dies, wenn beispielsweise ein Fahrzeug ein Fahrverbot missachtet, um so näher an die Pilzgebiete zu fahren.» In diesen Fällen gingen die Beamten den Meldungen auf den Grund und würden strafbare Handlungen entsprechend ahnden.

Frevel kann teuer zu stehen kommen

Aktenkundig ist, dass im Vorjahr ungefähr die Hälfte jener Sammler, die im Entlebuch mit zu vielen Pilzen im Gepäck erwischt wurden, einen italienischen Pass hatten.

Zudem behaupten Gewährsleute in Medienberichten, Italiener kämen gruppenweise in Reisecars über die Alpen gefahren, um die Wälder nachts im Schein der Taschenlampe zu durchkämmen und den gesamten Bestand an Steinpilzen abzuräumen.

Doch Sprecher Urs Wigger kann das nicht bestätigen: «Die Luzerner Polizei hat keine Kenntnis von Reisecars, welche mit Pilzsammlern ins Entlebuch fahren.» Man halte aber immer wieder italienische Staatsbürger in Autos an.

«Pilze wachsen, wann sie wollen.»

Werner Koch, Pilzkontrolleur, Entlebuch

Die müssten dann je nach Menge der zu viel gesammelten Pilze ein Bussendepot hinterlegen, das laut Wigger mehrere hundert Franken betragen kann. Pilzfrevel kann teuer werden – auch für Einheimische. Die entsprechende Verordnung sieht Bussen bis zu 2000 Franken vor.

Es war einmal am Glaubenberg

Wenn die Polizei nichts von italienischen Pilzreisegesellschaften weiss, stellt sich die Frage: Ist die kolportierte Geschichte von den raffgierigen Touristen eine urbane Legende? Wir fragen den Fachmann vom Pilzverein Entlebuch und Umgebung.

Vor 20 Jahren seien während der Pilzsaison einige Male italienische Reisebusse ins Glaubenberg-Gebiet gekommen, sagt Werner Koch. Zwar liege dies schon eine Weile zurück, doch beruhten auf diesen Ereignissen wohl die bekannten Geschichten. Die Legende hat also einen wahren Kern, der in diesem Fall historisch ist.

Das Entlebuch werde zwar von italienischen Pilzfreunden weiterhin geschätzt, sagt Werner Koch. «Aber es gibt hier auch zahlreiche Einheimische und Schweizer aus verschiedensten Regionen.» Als bevorzugtes Sammelrevier der Italiener ist dem Pilzkontrolleur das Bündnerland bekannt.

Wald- und pilzreich: Entlebuch mit Schrattenfluh. (Bild: Emmanuel Ammon / AURA)

Graubünden versucht organisiertes Sammeln am striktesten einzudämmen. Bereits Gruppen ab drei Personen gelten dort als Sammlerorganisation. In den fünf Zentralschweizer Kantonen, wo organisiertes Sammeln ebenfalls verboten ist, wird der Tatbestand indes nicht näher umschrieben.

Busse bei Beschädigung

Möglicherweise ist der Pilzfrevel im Entlebuch auch deshalb ein wiederkehrendes Thema, weil das Sammeln im Kanton Luzern stärker reglementiert ist als anderswo. Im Kanton Zug beispielsweise gibt es kein solches Problem, weil es überhaupt keine Einschränkungen gibt.

In Luzern ist indes nicht nur die Sammelmenge limitiert, sondern es gilt – wie in Obwalden auch – in den ersten sieben Tagen jedes Monats ein Sammelverbot. Ausserdem kann in Luzern auch eine Busse kassieren, wer Pilze zertrampelt oder nicht ausgewachsene Exemplare pflückt.

Jeder soll eine Chance haben

Die Pilzschontage sind schweizweit auf dem Rückzug, weil sich ihr Nutzen nicht wissenschaftlich beweisen lässt. So forderten im Kanton Luzern unlängst gar die Grünen die Aufhebung der Schonfrist (zentralplus berichtete).

Auch Praktiker Werner Koch findet, dass die Schontage «nicht wahnsinnig viel bringen». Denn bereits am achten Tag würden die Wälder wieder von Pilzfreunden abgesucht. «Ausserdem wachsen Pilze, wann sie wollen.»

Anders sieht es mit der Begrenzung der Sammelmenge aus. Die findet der Entlebucher sinnvoll. «Damit jede und jeder die Chance hat, Pilze zu finden.» Und sie nicht alle von einigen Kennern abgeräumt werden – auch wenn die nicht im Reisecar anreisen.

Zwei Kilogramm Steinpilze pro Person und Tag sind erlaubt. (Bild: jal)
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Rudolf
    Rudolf, 28.09.2020, 17:30 Uhr

    «Ausserdem kann in Luzern auch eine Busse kassieren, wer Pilze zertrampelt oder nicht ausgewachsene Exemplare pflückt.»

    Wer kassiert die Busse?

    Ausserdem kann im Kanton Luzern auch jeder gebüsst werden, der Pilze zertrampelt oder nicht ausgewachsene Exemplare pflückt.

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