In Niedriglohn-Branchen fehlt die Unterstützung

Arbeitslosigkeit steigt – und der Kanton Luzern baut niederschwellige Angebote ab

Der Schwanenplatz in Luzern ist seit einem Jahr wie leergefegt – in der Tourismusbranche steigen daher die Arbeitslosenzahlen. (Bild: Archiv)

Es ist gerade viel los bei den regionalen Arbeitsvermittlungzentren. Weil die Zahl der Arbeitslosen steigt, hat der Kanton die Beraterressourcen deutlich ausgebaut. Andernorts hapere es jedoch, tönt es von verschiedenen Seiten. Die zuständige Organisation WAS wira Luzern habe letztes Jahr voreilig Unterstützungsangebote aufgekündigt, so die Kritik.

Der Corona-Shutdown zeigt immer deutlichere Spuren auf dem Arbeitsmarkt. Im Februar verzeichnete der Kanton rund 6'200 Arbeitslose. Im Vorjahresmonat waren es noch 4'050. Das entspricht einem Anstieg von 53 Prozent.

«WAS wira hat deshalb den Personalbestand mit dreissig neuen Personalberatenden und fünf Arbeitgeberberatenden markant aufgestockt. Dazu kommen drei neue Angebote für Stellensuchende 50+»,  sagt Karin Lewis, Stellvertretende Leiterin WAS wira Luzern. Weil es deswegen in den Luzerner Räumlichkeiten zu eng wurde, ist das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum Pilatus (RAV Pilatus) Ende Januar nach Emmenbrücke an die Gerliswilstrasse gezogen. Umgekehrt wurden das RAV plus, der Arbeitsmarktservice sowie das Dienstleistungszentrum von Emmen nach Luzern an die Landenbergstrasse verlegt.

Ängste und Verunsicherung bei Arbeitslosen

«Besonders von der Arbeitslosigkeit betroffen sind die Eventbranche, der Tourismus und die Gastronomie sowie davon abhängige Zulieferer», sagt Sprecher Franz Baumeler. So wie jener Mann, der in einer Grossbäckerei Gipfeli und Sandwiches einpackt und aufgrund der seit Langem geschlossenen Restaurants nur Teilzeit arbeiten kann. Deswegen wird er von Peter Fässler begleitet. «Bei Menschen, die ihre Stelle verloren haben, sind Verunsicherung und Ängste enorm, viele schämen sich deswegen», weiss der Personalberater beim RAV in Emmen. Durch die Personalaufstockung – allein auf dem RAV Emmen sind es acht zusätzliche Stellen – könnten die Beratenden die zunehmende Arbeit aber gut bewältigen. Doch etwas versteht der RAV-Berater nicht.

Vakuum bei niederschwelligen Unterstützungsangeboten

Fässler, der für die SP im Kantonsrat sitzt, legt den Finger auf einen wunden Punkt. Er sagt, dass Menschen aus den Niedriglohn-Branchen von der aktuellen Situation besonders stark betroffen sind. Dabei bräuchten gerade sie mehr Begleitung bei Bewerbungen. Denn oft seien das Menschen aus dem Ausland mit bescheidenen Sprach- und Computerkenntnissen. Zusätzlich erschwerend sei, dass die Beratungsgespräche pandemiebedingt ausschliesslich am Telefon geführt würden.

Für diese Menschen waren bisher das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) und die Caritas mit ihren Hilfsangeboten rund um die Stellensuche da. WAS wira hat den Vertrag mit dem SAH Ende 2020 gekündigt. Das versteht Fässler nicht. Durch diese Schliessungen sei ein Vakuum in der Begleitung entstanden, weswegen viele Menschen nun Hilfe  bei Einrichtungen der Zivilgesellschaft suchen würden.

«Es kann nicht sein, dass wir diese Aufgaben übernehmen müssen.»

Renate Metzger-Breitenfellner, Co-Geschäftsleiterin «HelloWelcome»

Renate Metzger-Breitenfellner, Co-Geschäftsleiterin vom Luzerner «Treffpunkt für Geflüchtete, MigrantInnen und Einheimische, HelloWelcome», weiss, wovon Fässler spricht: «Im vergangenen Herbst boten wir pandemiebedingt jeweils am Dienstag und Donnerstag Einzelberatungen an, mittlerweile machen wir das täglich. Besonders auffällig ist, dass es sich dabei um eine völlig neue Klientel handelt. Es sind Menschen auf Arbeitssuche, die vorher vom SAH unterstützt worden sind.» Für Metzger-Breitenfellner ist klar, dass diese Unterstützung eigentlich vom Staat kommen müsste: «Es kann nicht sein, dass wir diese Aufgaben übernehmen müssen.»

Das Anliegen ist «nicht dringlich»

Der Kantonsrat wird sich noch mit diesem Thema beschäftigen müssen. SP-Kantonsrat Marcel Budmiger hat am 15. März, zusammen mit 22 weiteren Ratsmitgliedern, den dringlichen Vorstoss «für ein niederschwelliges Angebot zur Unterstützung im Bewerbungsprozess» eingereicht (zentralplus berichtete).

Die Postulanten fordern, «unverzüglich ein ergänzendes Angebot zur Bewerbungsunterstützung zu schaffen, das sich sowohl an die hier Geborenen als auch an die migrantische Bevölkerung richtet». Regierungsrat und Kantonsrat stuften das Postulat jedoch als nicht dringlich ein und vertagten die Behandlung. Und was sagt WAS wira zur Kritik? Franz Baumeler hält sich kurz: «Da es sich um ein hängiges Postulat im Kantonsrat handelt, können wir Ihnen dazu noch keine Auskunft erteilen. Es gilt die Antwort der Luzerner Regierung abzuwarten.»

Arbeitsämter werden aufgehoben

Doch nicht alle Veränderungen rund um die Arbeitslosigkeit kommen schlecht an: Die laufende schweizweite Aufhebung der Arbeitsämter trifft bei den RAV-Beratenden auf Zustimmung. Bis im Januar 2022 werden in sämtlichen Luzerner Gemeinden die Arbeitsämter aufgehoben und deren Aufgaben von den regionalen Arbeitsvermittlungszentren übernommen. Damit sollen administrative Abläufe vereinfacht und verbessert werden.

Wer die Stelle verliert oder arbeitslos ist, bekommt künftig keine Hilfe und Unterstützung mehr beim Arbeitsamt seiner Wohngemeinde. Ab diesem Frühling übernehmen sukzessive die regionalen Arbeitsvermittlungszentren diese Aufgabe. Das heisst: Stellensuchende aus 15 Gemeinden wie Kriens, Horw, Buchrain und Root, aber auch den Stadtteilen Reussbühl und Littau müssen künftig nach Emmenbrücke zur Beratung.

Das neue Arbeitslosenversicherungsgesetz sorgt für einen Digitalisierungsschub. Vieles kann nun elektronisch abgewickelt werden. Davon profitieren sowohl die Behörden als auch die Stellensuchenden. Sofern die Letzteren denn die nötigen Computerkenntnisse mitbringen.

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1 Kommentar
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    estermap, 01.04.2021, 13:52 Uhr

    Frau Renate Metzger kommt zu Wort. Ich denke, dass im Artikel den Asylsuchenden (AS) zu viel Gewicht gegeben wird. Trotzdem: das Problem der fehlenden Betreuung des AS im Arbeitsmarkt hat System. Und das hat einen Name: RR GG. Guido Graf delegiert alles in die Freiwilligenarbeit – und das ist nicht nur HelloWelcome. Er hat beim SEM schöne Konzepte (sie heissen KIP) eingereicht um Gelder zu kassieren.
    In diesem KIP sind RAV und RAVplus Rollen definiert, die nicht wahrgenommen werden. Caritas und SAH sind da auch noch im Konzept – aber nun draussen. Der Bund zahlt trotzdem.

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