Neubad-Talk zum Luzerner Sorgenkind

Altstadt: Kaum Neues auf drängende Fragen

Tote Hose nach Ladenschluss in der Altstadt. Visionen zur Belebung sind vorhanden.

(Bild: Gabriel Ammon/Aura)

Schöne Altbauten, viele Touristen, Shoppingmeilen und teure Restaurants: So lässt sich die Luzerner Altstadt umschreiben. Was für die Touristen toll ist, lockt den Bewohner eher weniger – gerade abends ist der Stadtteil tot. Warum ist das so? Und ist es wirklich so schlimm? Das diskutierte man am Dienstag im Neubad.

«Branchenvielfalt» war einer der Begriffe, die den Abend geprägt haben. Von Anfang an war man sich einig, dass diese in den letzten Jahren zurückging und mehr gefördert werden müsse.

Auf dem Podium waren Kenner der Altstadt aus verschiedenen Bereichen zu finden: Da war Albert Schwarzenbach, Grossstadtrat und Altstadtbewohner, der sich als Politiker, aber auch als Privatperson zur Lage der Altstadt äusserte. Den Standpunkt der Gastronomie vertrat Simone Müller-Staubli, die bekannte Restaurants wie die Brasserie Bodu oder das Mill’Feuille betreibt, als auch Walter Stadelmann, Geschäftsführer der Bäckerei Merz, die seit 28 Jahren in der Altstadt steht. Das Podium, das von Daniel Schriber von Schriber Kommunikation moderiert wurde, sollte ein bisschen Licht ins Dunkel rund um die Frage zur Zukunft der Altstadt bringen.

Mehr Branchenvielfalt bitte! Moderator Daniel Schriber mit Albert Schwarzenbach (Grossstadtrat CVP), Simone Müller-Staubli (Gastronomin) und Walter Stadelmann (Bäckerei Merz).

Mehr Branchenvielfalt bitte! Moderator Daniel Schriber mit Albert Schwarzenbach (Grossstadtrat CVP), Simone Müller-Staubli (Gastronomin) und Walter Stadelmann (Bäckerei Merz).

(Bild: PD)

Leider gelang der Talk eher mässig. Wichtige Themen wie Tourismus, die passiv-aggressive Ausweitung der Uhrenläden und Asia-Imbisse wurden schöngeredet und in die Schublade «Branchenvielfalt» eingeschlossen. Schade, dass sich ausgerechnet Stadelmann, der seit 28 Jahren in der Altstadt arbeitet und den Wandel vor den eigenen Augen miterlebt hat, etwas leichtgläubig zur Entwicklung äussert und hofft, dass «mit dem Überschreiten der Grenze das Ganze kippen wird».

«Es ist ernüchternd»

«Läden für den eigenen Gebrauch werden immer seltener», bedauert Stadelmann. Schwarzenbach wiederum erzählt vom Verschwinden von wichtigen Institutionen wie der Post, wirkt aber im Verlaufe der Diskussion etwas desillusioniert, was die politischen Prozesse betrifft. «Es ist manchmal ernüchternd, wie wenig Ertrag auf sehr viel Aufwand kommt.» 

«Ich finde nicht, dass nichts los ist.»

Simone Müller-Staubli

Für das eher junge, wohl in der Neustadt ansässige Publikum war vor allem eines aufschlussreich: Die Referierenden nehmen die Altstadt nicht als tot wahr. «Ich finde nicht, dass nichts los ist», betonte Müller-Staubli, deren Geschäfte gut laufen – und durchaus vom regen Tourismus profitieren.

Interessenkonflikte

Bei der Diskussion um das Nachtleben war der «Interessenkonflikt» das Schlüsselwort: Das Wohnen in der Altstadt sei «nicht einfach», so der Tenor, meist seien es die Anwohner, die sich gegen eine rege Ausgangskultur wehrten. «Man ist intoleranter geworden», räumt Schwarzenbach ein und erntet Zustimmung von Stadelmann. Ist das Thema damit vom Tisch? «Nein», so Schwarzenbach. Im letzten Jahr seien so viele Anlassgesuche wie noch selten eingegangen. «Es gibt also durchaus Bestrebungen, etwas zu machen», schlussfolgert der CVP-Politiker.

«Es gibt also durchaus Bestrebungen, etwas zu machen.»

Albert Schwarzenbach

Der Interessenkonflikt lässt sich auch zwischen Publikum und den Podiumsgästen spüren. Es kommen Fragen zu Mietpreisen, dem Verständnis von Kultur, der Tourismusstrategie der Stadt – wichtige Fragen, die im Podium selbst nicht Thema waren.

Zu viele Cars am Schwanenplatz

«Die Stadt verkommt zum Disneyland», kritisiert ein Gast. Der Tourismus wird daraufhin kurz angeschnitten, man spürt aber, dass hier mehr Austausch gefragt wäre. Schwarzenbach wendet ein, dass nur ein Tourismus, der von der Bevölkerung akzeptiert sei, Sinn mache. Müller-Staubli gibt ihm da recht und versichert aber, dass sich das Bewusstsein «ausgedehnt habe».

Der sonst eher zurückhaltende Stadelmann bezieht hier klar Stellung und sagt, dass die Anzahl Cars, die pro Tag am Schwanenplatz ankämen, definitiv zu hoch sei: «Das geht so einfach nicht. Wenigstens müssen die Passagiere zum Einsteigen jetzt über die Seebrücke gehen.»

«Das geht so einfach nicht. Wenigstens müssen die Passagiere zum Einsteigen jetzt über die Seebrücke gehen.»

Walter Stadelmann

Gerade der Einwand, dass eine vielfältige Ladenstrasse noch kein lebendiges Quartier ergebe, kommt mehrmals. Die Sprechenden gehen insofern darauf ein, als dass Schwarzenbach immer wieder betont, dass er sich für eine «Aufwertung des Lebensraumes in der Altstadt» stark einsetze und ihm das wichtig sei, aber die Politik auch nicht alles bestimmen könne, und Müller-Staubli für längere Öffnungszeiten und allgemein «mehr Zeit» plädiert.

Das Fazit von Moderator Schriber lautete: Es sei durchaus etwas los, die Frage laute aber, was man los haben wolle. Das fasst zwar die Veranstaltung zusammen, rückt aber vor allem das Schlüsselwort «Interessenkonflikt» ins Zentrum und eröffnet einen Haufen neuer Fragen, die hoffentlich in Zukunft diskutiert werden.

Hier gibt’s den ganzen Talk auf Video:

Neubad Talk: Warum ist in der Luzerner Altstadt nichts los? (08.03.16) from Netzwerk Neubad on Vimeo.

 

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