Ein Sensationsfund, der nicht nur Geschichtsfreunde entzückt
Derzeit spielt sich am Äbnetwald in Cham Historisches ab. In mehrerlei Hinsicht: Kürzlich entdeckten Archäologen eine Mauer aus römischer Zeit. Mittlerweile ist das Ganze zu einem Fundament eines Monumentalbaus herangewachsen. zentralplus hat einen Blick auf die Ausgrabungen geworfen.
Ein Sensationsfund: Was die Zuger Archäologen in der Gemeinde Cham ausgegraben haben, ist nichts Geringeres als das. Oder besser gesagt: was sie noch immer ausgraben.
Beim Chamer Äbnetwald, nahe der Zürcher Gemeinde Knonau, sind die Archäologen nämlich noch eifrig zugange. Die Mauern, welche sie derzeit freilegen, stammen aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert nach Christus und weisen auf einen römischen Gebäudekomplex hin. Wie gross dieser tatsächlich war, wissen die Fachleute noch nicht zu bestimmen. Denn gewisse Mauern führen deutlich weiter als das derzeit untersuchte Gelände.
Dimension des Fundes noch unklar
Tag der offenen Grabung
Am Samstag, 2. September, zwischen 10 und 16 Uhr, lädt das Zuger Amt für Denkmalpflege und Archäologie die Bevölkerung ein, den aktuellen Stand der Ausgrabung und die neuesten archäologischen Entdeckungen vor Ort anzuschauen. Das Ausgrabungsteam der Abteilung Ur- und frühgeschichtliche Archäologie führt durch die laufende Ausgrabung und gibt spannende Einblicke in deren Arbeit.
Der Anlass findet beim Äbnetwald bei Oberwil in der Gemeinde Cham statt. Eine Anreise mit dem ÖV via Knonau oder Cham-Niederwil wird empfohlen. Fussweg von der Bus- oder Bahnhaltestelle ca. 15 Minuten. Der Weg ist ausgeschildert. Gutes Schuhwerk und der Witterung angepasste Kleidung sind erforderlich. Das Gelände ist nicht rollstuhlgängig. Weitere Infos gibts hier.
«Heute gehen wir bei der Fundstätte von rund 500 Quadratmetern aus. Es kann aber auch gut sein, dass wir erst eine Ecke des Gebäudes freigelegt haben und dieses letztlich doppelt oder viermal so gross ist», erklärt der Grabungsleiter David Jecker bei einem Medienrundgang am Dienstagvormittag.
Auch bestehe die Möglichkeit, dass es sich beim derzeit untersuchten Bau «bloss» um ein Nebengebäude eines grösseren Herrschaftshauses oder um eins von mehreren ähnlichen Gebäuden handle. Das sei jedoch noch Spekulation, betonen die Archäologinnen.
Bezüglich der Bauweise der Mauer erklärt David Jecker: «Es handelt sich hierbei um eine sogenannte Schalenmauer, bei der grosse Steine durch kleinere, zum Teil Bruchsteine, ergänzt wurden.» Markant und selbst für Laien sichtbar sind ausserdem die sorgfältig aneinandergelegten Steine, die einst den Boden des Gebäudes bildeten und bis heute zum Teil sehr gut erhalten sind. An einer Stelle hat das Amt für Denkmalpflege und Archäologie ein Stück eines Verputzes entdeckt, das sogar bemalt ist. Es sind solche Eigenheiten, die Hinweise auf das damalige Leben geben könnten.
Schon Römer haben recycelt
Die Archäologin Kathrin Rüedi zeigt auf eine weitere Stelle der Mauer. Zu sehen sind dort zwei ehemals runde Steine, die in der Mitte jeweils über ein Loch verfügen. «Es handelt sich um ehemalige Mühlsteine, die hier beim Bau der Mauer wiederverwendet wurden. Man kann also sagen, dass es sich um 2’000 Jahre altes Recycling handelt.»
Es ist harte Arbeit, welche die Archäologen vor Ort verrichten. Zwar wird die Fundstätte von einem schützenden Zelt umgeben, doch drückt die Wärme des Tages bereits um 10 Uhr in dessen Inneres. Die Hitze scheint jedoch nebensächlich. Den Verantwortlichen vor Ort ist die Begeisterung über diesen Fund deutlich anzumerken. «So etwas sieht man nicht alle Tage», erklärt Karin Artho, die Leiterin des Amtes für Denkmalpflege. «Es ist ein Glück, dass es gerade uns in Zug und in dieser Zeit trifft.»
Die Archäologinnen kommen, bevor die Bagger auffahren
Während sie erzählt, hört man den Lärm von Baggern in der Distanz. Nur einen Steinwurf von dem Grabungsgelände entfernt klafft eine grosse Kiesgrube der Firma Risi. Diese ist denn auch massgeblich dafür verantwortlich, dass diese archäologischen Untersuchungen überhaupt gemacht wurden.
«Wir haben mit der Firma eine Abmachung, dass wir jeweils rund ein Jahr, bevor an einer Stelle Kies abgebaut wird, den Boden untersuchen und die obersten Schichten abtragen dürfen», sagt Artho. In der Vergangenheit wurden so bereits wertvolle Gegenstände entdeckt. Darunter ein Mammutzahn, Tontöpfe, ein römischer, aus 90 Stücken bestehender Münzschatz oder ein Stück Goldblech aus der Spätbronzezeit.
Rätseln um die Nutzung des Gebäudes
Auch bei der aktuellen Grabung wurden Alltagsgegenstände gefunden. So etwa Teile von importiertem römischen Tafelgeschirr, sogenannte Terra Sigillata, und von kunstvoll hergestellten Glasgefässen. Fragmente von Amphoren, in denen unter anderem Wein, Olivenöl und Fischsauce vom Mittelmeerraum bis zum Äbnetwald bei Cham gelangten, zeugen vom weitreichenden Handel in römischer Zeit. Weiter spricht eine grosse Menge an Eisennägeln für eine Holzkonstruktion auf dem vorliegenden Mauerfundament.
Ein weiterer aussergewöhnlicher Fund ist ein Goldfragment, das ursprünglich wohl zu einem Schmuckstück gehörte. Über all diese Entdeckungen sind die Archäologen froh: «Denn Mauern und Steine allein erzählen uns zwar viel, aber nicht alles. Solche zusätzlichen Funde helfen uns weiter. Auch wenn sie uns nicht alles verraten», wie die Archäologin Kathrin Rüedi erklärt.
So rätselt man derzeit noch über die einstige Funktion dieses Monumentalbaus. Handelte es sich um eine Villa? Oder eher um ein Tempelgebäude? Dies herauszufinden, soll Gegenstand der weiteren Untersuchungen sein.
Mauern ragten teils aus dem Boden
Gishan Schaeren, der Leiter der Abteilung Ur- und frühgeschichtliche Archäologie, bezeichnet die Entdeckung dieser Gebäudestrukturen als für den Kanton Zug aussergewöhnlich: «Römische Bauten ähnlicher Dimension wurden zuletzt vor fast 100 Jahren in Cham-Heiligkreuz ausgegraben.» Und weiter: «Erstaunt hat uns zudem, dass die obersten Mauersteine sogar obertägig sichtbar waren.» Heisst: Dass die Mauern teils auf der heutigen Bodenebene liegen und auch vor der Grabung sichtbar waren. «Gerade im Mittelalter wurden alte Mauern oft abgetragen, da man die Steine für den Häuserbau brauchte», sagt Schaeren.
Verblüfft sind die Fachleute über den Standort dieses grossen Gebäudes. Schaeren dazu: «Gemäss unseren bisherigen Annahmen gingen wir nicht davon aus, an diesem Standort einen derart signifikanten Bau zu finden. Wenn, dann eher einen Tempel.» Der Begriff Tempel klingt zwar nach etwas Gigantischem, bezeichnet jedoch vielmehr eine kleine Kapelle, welche die Römer im Sinne von Heiligtümern zu bauen pflegten. Wer sich jedoch umblickt, kann den von den Römern vor 2’000 Jahren gewählten Standort gut nachvollziehen. Vom leicht erhöhten Äbnetwald hat man eine wunderbare Weitsicht auf die umliegende Landschaft und die Alpen.
- Medienanlass am Fundort
- Medienanfrage bei Gishan Schaeren zu weiteren Funden
- Interviews vor Ort
- Medienbericht der «Zuger Zeitung» zu weiterem Fund in Cham