Die Leiden der Public-Viewing-Fans vor der Arena

Gemeinsam für Blau und Weiss – wenn auch 2. Klasse

Fans vor der Bossard-Arena feiern am Gründonnerstag den Zuger Sieg.

 

(Bild: lih)

Jene, die in der Bossard Arena keinen Platz mehr gefunden haben, treffen sich vor dem Stadion zum Public Viewing. Geschätzte eintausend EVZ-Fans schlitterten hier am Donnerstag Abend vom Hoch der Euphorie ins Tal der Zweifel. Und wurden schlussendlich belohnt – mit Jubel und Bier.

Wie die Hasen auf die Schlange starrten die Zuger-Fans die ersten Minuten auf die gigantische Leinwand vor der Bossard Arena. Die meisten haben noch nicht mal richtig Platz gefunden und sich mit Bier und Pommes auf den Festbänken installiert, da gab es bereits die zwei ersten Chancen. Eine für Bern – die Fans quittierten es mit Gestöhn – und eine für Zug: Applaus von den Bänken.

«Achtzig Prozent der Fans hier haben keine Ahnung von Eishockey», erzählt eine Frau im pinken Mantel mit verschwörerischer Stimme. Und sie? «Nein, ich auch nicht. Ich schau’ Fussball.» Ist das nun diese Zwei-Klassen-Fan-Gesellschaft? Die richtig Harten sind mit Saisonabo im Stadion, die launischen Fans, die sich erst in den Playoffs an den EV Zug erinnern, stehen hier draussen? Könnte man meinen.

Wer will schon einen Sieg verschreien?

Noch wagt niemand eine Prognose. Wer will schon einen Sieg verschreien? Wer will schon die Niederlage prophezeien? Die, welche Prognosen wagen, scheinen zittrig wie Hochseilakrobaten: «Wir werden sehen, das Spiel wird eine Nervensache», sagt der Fan in der Jeanskutte, voll mit EVZ-Buttons.

Doch bereits nach wenigen Augenblicken, nach den ersten klammen Minuten kommt ein erster Wink der Spieler: Lammer drückt das Ding nach elf Minuten den Bernern ins Netz (siehe Spielbericht). Als wollten sie dem Platz sagen: Keine Angst wir machen das schon. Das Versprechen wird während des Spiels hart auf die Probe gestellt werden. Doch für den Moment reicht es aus. Über den Fans am Public Viewing prangt ein Banner. «Gemeinsam ist alles möglich!» steht da. Und die Fans nehmen das ernst: Erstmals singen gut dreihundert Stimmen wie aus einer Kehle.

Der Abend fängt gut an

Gemeinsam ist alles möglich, gemeinsam geht es heute gegen die gelbe Berner Plage, gemeinsam für Blau und Weiss! Die Fangesänge aus dem Stadion, per Video vor die Arena übertragen, entzünden den Jubel auch hier. Dann trifft Schnyder für den EV Zug ein weiteres Mal. Der Abend fängt gut an. Doch bis zum Sieg wären es noch zwei Drittel, eigentlich. Drei werden es dann, zählt man die Verlängerung mit. Die Fans interessiert das gerade nicht.

Der mittlere Abschnitt schlägt auf die Stimmung. Das Eigentor der Zuger ist schwer zu verkraften. Die Fans erstarren in Zweifel. Betrogen um die Euphorie aus dem ersten Drittel schaut man in versteinerte Gesichter. Ein Eigentor: «Das passiert einfach. Manchmal kann man da nicht viel machen», sagt einer. Er muss es wissen, er spielt beim EVZ in der NLB.

DIe Fans zweifeln im zweiten Drittel, ob der Sieg noch möglich ist.

DIe Fans zweifeln im zweiten Drittel, ob der Sieg noch möglich ist.

(Bild: lih)

Ein Fan wirft ihm eine Flasche an den Kopf

Dann fällt das zweite Tor für den SC Bern. Ein einzelner Berner Fan steht im blauen Meer auf und jubelt provokativ. Ein Fan wirft ihm eine Flasche an den Kopf.

«Wo ist die Stimmung?» fragt einer mir gegenüber rethorisch und trinkt sein Bier aus. Ja, wo ist die Stimmung, wo sind die Gesänge, wo ist die Zuversicht. Was war mit dem Versprechen der Mannschaft am Anfang des Spiels? Die Gespräche an den Tischen driften ab: Job, Autos und mehr Bier. Irgendwoher muss die Zuversicht ja wiedergewonnen werden.

Auf dem Eis mehren sich die Prügeleien. Draussen auf dem Platz beginnen die Leute Bierkartons wie Frisbees in die Luft zu werfen. Die Geschosse stürzen wie wütende Habichte auf die Leute nieder. Die Getroffenen werfen die Dinger umso wütender zurück in die Luft. Das dritte Drittel geht Unentschieden zu Ende, die Verlängerung wird die Partie klären– so oder so. «Das braucht Nerven», seufzt einer und bestätigt die lahme Prophezeiung vom Anfang.

Der Sieg

Die Verlängerung bringt die Klärung: Schnyder trifft mirakulös hinter dem Berner Keeper Genoni ins leere Tor und das Wo-ist-Walter-Wimmelbild der Zuger Fans am Public Viewing explodiert. Die Fans tanzen auf den Tischen, wer unten blieb wird von Bier geduscht. Die Hoffnung hat sich gelohnt. Und wer sagte nun, die am Public Viewing seien Fans zweiter Klasse? Mag sein, dass sie kein Saisonabo haben. Aber ihre Herzen pumpen blau-weisses Blut. Zumindest in diesem Moment.

Das war die Erlösung: Schnyder sei Dank.

Das war die Erlösung: Schnyder sei Dank.

(Bild: lih)

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