Jill Nussbaumer aus Cham politisiert seit 2022 im Zuger Kantonsrat. (Bild: zvg)
Zugerinnen, die Vollzeit arbeiten, will die FDP Zug mit tieferen Steuern belohnen. Die liberale Kantonsrätin Jill Nussbaumer erklärt den Plan ihrer Partei.
Die FDP Kanton Zug will mit höheren Pensen gegen den Fachkräftemangel ankämpfen. Diejenigen, die Vollzeit arbeiten, möchte die FDP mit Steuerabzügen belohnen, wie es in einer neuen Motion heisst. Und dies, obschon Teilzeitarbeit immer beliebter wird.
Doch der entsprechende Vorstoss dürfte im Kantonsrat noch zu reden geben. Denn er birgt Tücken, wie ein Gespräch mit der 31-jährigen FDP-Kantonsrätin Jill Nussbaumer zeigt.
zentralplus: Frau Nussbaumer, wie viel arbeiten Sie?
Jill Nussbaumer: Ich habe momentan zwei Teilzeitjobs, das Pensum liegt aber kumuliert trotzdem bei 100 Prozent.
zentralplus: Stellt der Trend, weg von der Vollzeitarbeit, hin zur Teilzeitarbeit, ein Problem dar?
Nussbaumer: Nein, überhaupt nicht. Es soll denen, die es sich leisten können, freistehen, Teilzeit zu arbeiten.
zentralplus: Junge Zugerinnen wie Sie, aber auch viele Eltern und Zuger, die ihre Angehörigen pflegen, wollen oder müssen vermehrt Teilzeit arbeiten. Die FDP will nun aber diejenigen begünstigen, die Vollzeit arbeiten. Verschliesst sich Ihre Partei dem gesellschaftlichen Wandel?
Mit Abo erfährst du:
was Nussbaumer dazu sagt
was die Politikerin gegen das aktuelle Teilzeit-System hat
warum die Idee der FDP einkommensschwachen Personen helfen soll
Nussbaumer: Aktuell machen diejenigen Zugerinnen und Zuger, die 80 oder 100 Prozent arbeiten, noch immer einen grossen Teil aus. Würde die Gesellschaft aber irgendwann mehrheitlich Teilzeit arbeiten wollen, wäre ich die Letzte, die diesem Wandel im Wege stünde.
zentralplus: Wie würden Sie den Vorstoss der Zuger FDP zusammenfassend erklären?
Nussbaumer: Wir wollen, dass diejenigen, die 80 Prozent oder mehr arbeiten, einen Vielarbeitsbonus bekommen.
zentralplus: Das klingt aber sehr wohl so, als ob die FDP Teilzeitarbeit schlecht fände.
Nussbaumer: Das stimmt aber nicht. Mit unserem Vorstoss wollen wir die Teilzeitarbeit nicht abwerten.
zentralplus: Sondern?
Nussbaumer: Wir wollen diejenigen belohnen, die bereit sind, 4 oder 5 Tage pro Woche zu arbeiten. Für Zugerinnen und Zuger, die Teilzeit arbeiten, käme es zu keinerlei Veränderungen.
zentralplus: Erklären Sie.
Nussbaumer: Es soll sich rein finanziell immer lohnen, Vollzeit zu arbeiten. Je nach Konstellation bezüglich Prämienverbilligung und Steuerklasse, kann es sein, dass man am Ende des Jahres mehr übrig hat, wenn man Teilzeit arbeitet. Dem wollen wir entgegenwirken.
zentralplus: In ihrem Vorstoss betont die FDP, dass insbesondere auch die Working Poor, also Zugerinnen und Zuger, die Vollzeit arbeiten, aber trotzdem arm sind, vom Vielarbeitsbonus profitieren sollen.
Nussbaumer: Korrekt. Working Poor, die Vollzeit arbeiten, werden gleich stark besteuert wie andere, die gleich viel verdienen, aber Teilzeit arbeiten – zu einem höheren Stundenlohn.
zentralplus: Und das wollen Sie ändern?
Nussbaumer: Ja. Stellen Sie sich vor, jemand hat eine tolle Ausbildung, vielleicht ein Studium absolviert, das schlussendlich auch vom Staat mitfinanziert wurde. Die Person hat darum auch einen super Job und kann es sich wegen des hohen Stundenlohns leisten, Teilzeit zu arbeiten. Die Person zahlt bei gleichem Lohn dieselben Steuern wie jemand aus dem Niedriglohnsektor ohne diese Privilegien, arbeitet aber weniger.
zentralplus: Das war schon immer so. Weil in der Schweiz nach dem steuerlichen Grundprinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert wird. Dieses Grundprinzip über Bord zu werfen, wäre fast schon radikal, nicht?
Nussbaumer: Ich finde nicht, nein. Es geht um einen Steuerabzug. Von einem solchen profitieren heute schon Familien mit Kindern, Pendlerinnen und andere. Das Konzept hat sich bewährt. Darum wollen wir es nun auf einen neuen Aspekt anwenden: das Arbeitspensum.
zentralplus: Working Poor zahlen aber heute schon kaum Steuern im Kanton Zug. Sie würden nur minim von Ihrem Vorstoss profitieren.
Nussbaumer: Dass die Steuern im Kanton Zug so tief sind, ist grad für Menschen mit niedrigem Einkommen super. Auch wenn Sie durch den Vielarbeitsbonus nur wenig Geld sparen würden, könnte der Bonus helfen, am Ende des Monats besser über die Runden zu kommen.
zentralplus: So richtig lohnt sich der Steuerabzug aber vor allem für die Zugerinnen und Zuger, die heute schon gut verdienen.
Nussbaumer: Was hoffentlich dazu führt, dass diejenigen, die heute schon 80 bis 100 Prozent arbeiten, das hohe Pensum beibehalten – und die mit tieferem Pensum dieses erhöhen. Insbesondere gut Ausgebildete könnten der Gesellschaft so etwas zurückgeben, nachdem sie von der teuren Ausbildung profitiert haben.
zentralplus: Teilzeitarbeitende mit hohem Stundenlohn profitieren auch von der Prämienverbilligung. Wieso setzen Sie nicht bei diesem Punkt an?
Nussbaumer: Auch eine Reform der Prämienverbilligung ist zu prüfen. Die Prämienverbilligung soll vor allem Zugerinnen und Zuger aus dem Niedriglohnsektor entlasten – und nicht diejenigen, die nur wegen ihres tiefen Pensums wenig verdienen. Ein entsprechender Vorstoss der SVP ist aber bereits hängig, weswegen wir nun einen neuen, zusätzlichen Lösungsansatz ins Spiel bringen.
zentralplus: Für die Umsetzung Ihrer Idee müsste man das Pensum aller Zugerinnen und Zuger kennen. Es dürfte kompliziert werden.
Nussbaumer: So kompliziert würds dann auch wieder nicht. Auf vielen Lohnausweisen ist das Pensum bereits vermerkt. Bei allen anderen ist das Pensum im Arbeitsvertrag geregelt. Zudem sind wir offen für Lösungsvorschläge bei Selbstständigen. Oder bei Paaren, die beispielsweise 100 und 60 Prozent arbeiten. Dass Paare auf 80 und 80 Prozent umsteigen, weil sie sonst nicht vom Steuerabzug profitieren würden, ist sicherlich nicht Ziel der Übung.
zentralplus: Bleibt der Kanton Zug für Teilzeitarbeitende attraktiv?
Nussbaumer: Ja. Dank der tiefen Steuern und hohen Prämienverbilligungen bleibt Zug für Teilzeitarbeitende attraktiv. Sie werden auch nach Einführung eines Vielarbeitsbonus nicht abwandern. Zudem machen wir es ihnen schmackhafter, auf ein höheres Pensum umzusteigen – und können so auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
zentralplus: Wie viel Mehrarbeit erhoffen Sie sich durch diesen Vielarbeitsbonus?
Nussbaumer: Das müsste man wohl eine Arbeitsökonomin fragen. Das ist sehr schwer abzuschätzen.
Einst Moderator und Redaktor beim Radio 3FACH und bei Jam On Radio, schreibt Joel Dittli seit 2023 bei zentralplus. Um auch den künftigen Herausforderungen im Medienalltag gewachsen zu sein, absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern. Als Reggae-Musiker und FCL-Fan ist er am Wochenende oft in Kulturlokalen oder Fussballstadien anzutreffen.
Unglaublich, dieser neoliberale Quatsch, den die FDP hier aufzugleisen versucht. Die Partei notabene, die weniger Staat und mehr Eigenverantwortung moniert. Es ist offensichtlich, dass Frau Nussbaumer unter "Vollzeitarbeit" ausschliesslich Lohnarbeit versteht. Es gibt aber Teilzeitarbeitende, die unbezahlte Betreuungs- und Pflegearbeit leisten MÜSSEN, das kumuliert dann ein 100%-Pensum ergibt. Dieser FDP-Vorschlag geistert aber schon lange auch in den Köpfen von anderen Exponenten dieser Partei herum. Je länger je mehr erhärtet sich der Verdacht, dass es sich hier auch um eine staatlich verordnete Ideologie handelt, was moralisch-ethisch unter "Arbeit" zu verstehen ist, nämlich ausschliesslich Kohle verdienen. Dass diese "Regelung" auch für Working Poors "Steuervorteile" bringen soll, wirkt aus dem Munde einer FDP-Frau schon fast zynisch, wäre es doch ein Novum, dass sich diese Partei aktiv und ernsthaft für Minderverdienende einsetzt.
Gut hat Zentralplus beim Interview mit Frau Nussbaumer nicht locker gelassen und konsequent nachgehakt und sie entsprechend in die Bredouille manövriert.